Stefan Frey
· 04.09.2022
Mit dem brandneuen Lapierre XR 9.9 melden sich die Franzosen zurück im Race-Segment. Das Carbon-Fully ist eines der letzten klassischen 100-Millimeter-Bikes und verspricht Rennsport pur.
Das im Frühjahr vorgestellte neue Lapierre XR ist ein klassisches Racefully der alten Schule: 100 Millimeter Federweg, starre Stütze, Lockout für Gabel und Dämpfer am Lenker. Um das Gewicht zu drücken, verzichten die Franzosen auf ein Gelenk zwischen Ketten- und Sitzstreben und setzen bei ihrem Eingelenker auf den Flex der Carbon-Fasern. Ähnlich wie beim Trek Supercaliber. Dem Fahrwerk scheint das nicht zu schaden.
In Verbindung mit dem leicht erhöhten Hauptdrehpunkt filtert der Hinterbau sensibel kleine Vibrationen, bleibt bei Antritten im Sitzen aber angenehm ruhig – je mehr Zug auf der Kette, desto mehr scheint sich das Fahrwerk zu straffen. Erst im Wiegetritt kommt Bewegung in den Dämpfer. Der lässt sich aber zusammen mit der Gabel per Dreh am Rockshox-Twistloc-Hebel straffen. Eine Plattform als Zwischenstufe gibt es leider nicht.
“Es ist jedes Mal dasselbe. Sobald ich auf einem Racebike sitze, gehen die Pferde mit mir durch. Die gemütliche Hausrunde wird zur Hetzjagd. Kurze Anstiege nehme ich im Stehen. Biker, die ich sonst auch mal ziehen lasse, scheinen mich magnetisch anzuziehen – was mein Körper stets mit Schnappatmung quittiert.” Stefan Frey, BIKE-Testredakteur
Mit 2017 Gramm erzielt der Rahmen zwar keine Spitzenwerte. Zusammen mit der hochwertigen Ausstattung landet das Lapierre XR aber dennoch bei renntauglichen 10,7 Kilo und sollte besonders auf langen Strecken Freude bereiten.
Denn auch wenn die Carbon-Laufräder nicht die sprintstärksten sind, erzeugen sie mit den breiten Maxxis-Reifen guten Grip und eine passable Dämpfung. Für ein klassisches Racefully ist die Sitzposition des Lapierre XR erstaunlich entspannt, fast schon wie auf einem Trailbike. Allerdings hatten wir den Flatbar wegen eines Defekts auch gegen einen Lenker mit minimalem Rise getauscht – eine empfehlenswerte Tuning-Maßnahme für mehr Komfort.
So wuselt das XR dank seiner kurzen Kettenstreben flink über verwinkelte Trails, bleibt mit seinem 67 Grad flachen Lenkwinkel aber ausreichend stabil, wenn man sich auf der Forstwegabfahrt an seinen Vordermann heransaugt. Wird das Gelände steiler und technischer, zieht man aber schnell die Reißleine mit Hilfe der mäßig kräftigen Sram-Bremsen.
Auch wenn die 100 Millimeter des Fahrwerks fein ansprechen, setzt die Endprogression doch früh ein. Doch der eigentliche Fahrspaß-Killer bergab ist die fehlende Teleskopstütze. Sobald man den Schwerpunkt hinter den hohen Sattel verlagert, wird man vom Piloten zum Beifahrer degradiert – hier behalten nur noch echte Könner die Kontrolle. Für alle anderen heißt es an Stufen und Wurzeln: gut festhalten.
So bleibt das Lapierre XR ein sportliches Bike für fahrtechnisch leichte Kilometerorgien. Wer auch in der Abfahrt an der Konkurrenz dranbleiben möchte, greift besser zur Down-Country-Version Lapierre XRM mit Teleskopstütze und etwas mehr Federweg.
Erstaunlich komfortabel und preislich absolut im Rahmen – das Lapierre XR ist ein klassisches Race-Fully mit angenehmer Sitzposition für Marathons und lange Tage im Sattel. Der begrenzte Federweg und die fehlende Teleskopstütze fordern bergab fahrtechnische Sicherheit oder entsprechend viel Mut vom Piloten. Wer hier mehr Sicherheit und Komfort will, greift besser zur Down-Country-Version Lapierre XRM.
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