Max Fuchs
· 03.02.2023
Fahrsicherheit bergab und ein geringes Gesamtgewicht stehen sich im Racefully-Segment unversöhnlich gegenüber. Bis jetzt. Denn das brandneue BMC Fourstroke 01 will beide Fronten vereinen. Wir haben das Race-Bike mit Autodrop-Stütze getestet.
Die Cross-Country- und Marathon-Szene steht vor einem Dilemma. Einerseits führen breitere Reifen, versenkbare Sattelstützen und vor allem mehr Federweg an aktuellen Modellen dazu, dass Mountainbike-Racefullys schneller bergab fahren. Andererseits hemmt der moderne Entwicklungsansatz aufgrund des höheren Gewichts den Vortrieb bergauf. Dieser Zwiespalt erschwert vielen Race-Bikern die Kaufentscheidung.
Doch das brandneue BMC Fourstroke 01 ließ nach unserem Labor-Check Hoffnung aufkeimen. Die Eckdaten: BMC kombiniert klassische 100 Millimeter Federweg an Heck und Front sowie eine integrierte Vario-Stütze mit einer abfahrtslastigen Geometrie. Gewicht: 10,5 Kilo in Größe L – für die einfachste Ausstattungsvariante Fourstroke 01 TWO* (8999 Euro) wohlgemerkt. Zum Vergleich: In derselben Preisliga bringt das Scott Spark RC mit 120 Millimetern Federweg 470 Gramm mehr auf die Waage. Allein die schmaleren Standrohre der Rockshox SID SL-Gabel sparen 162 Gramm gegenüber der stabileren 120er-SID.
Doch ein leichtes Mountainbike alleine reicht nicht aus, um die Brücke zwischen Uphill- und Downhill-Qualitäten zu schlagen. Dessen waren sich auch die Ingenieure bei BMC bewusst und haben das Fourstroke 01 komplett neu entwickelt. Das Offensichtliche zuerst: Im Vergleich zum Vorgänger steht der Dämpfer nicht länger im Rahmendreieck, sondern klemmt unter dem Oberrohr. Um das Bike für die Langstrecke zu optimieren, sitzen zwei Montagepunkte für Flaschenhalter auf dem Unterrohr. Zudem haben die Schweizer die erste Serien-Vario-Stütze entwickelt, die sich auf Knopfdruck von alleine absenkt. In Sachen Geometrie verpasst das Entwicklungsteam dem BMC Fourstroke 01 eine radikale Länger-flacher-Behandlung, um auch mit weniger Federweg im Downhill konkurrenzfähig zu bleiben.
So viel zur Theorie. In der Praxis lässt der Testkandidat beim anvisierten Einsatzbereich keine Zweifel aufkommen. Die Sitzposition scheint wie gemacht für Renneinsätze auf verwinkelten Cross-Country-Kursen. Der steile Sitzwinkel und der kurze Vorbau platzieren den Fahrer trotz üppigen Reachs kompakt und vortriebsorientiert im BMC Fourstroke 01. Druck auf dem Vorderrad ist ebenfalls ausreichend vorhanden. So erklettert man mit dem Fourstroke auch steile Rampen, ohne aktiv gegen eine steigende Front ankämpfen zu müssen. Der Hinterbau des BMC-Mountainbikes arbeitet unter Kettenzug feinfühlig und generiert viel Traktion. Auch in puncto Effizienz lässt sich das Fahrwerk nichts zu Schulden kommen. Störendes Wippen? Fehlanzeige. Wer auf Asphalt oder für Sprint-Einlagen aber auch die letzten Antriebseinflüsse eliminieren möchte, kann via Twistloc-Drehgriff Gabel und Dämpfer gleichzeitig straffen. Bergauf bleiben also keine Wünsche offen.
Hier verlangen die 100 Millimeter Hub etwas mehr Fingerspitzengefühl, als es bei MTB-Racefullys mit 120-mm-Gabel der Fall ist. Der Hinterbau gibt dagegen großzügig Federweg frei und spricht auch auf feine Unebenheiten sensibel an. So fühlt sich das Heck potenter an, als es die 97 Millimeter vermuten lassen. Dank des langen Radstands und des 67 Grad flachen Lenkwinkels hält das BMC Fourstroke 01 auch bei hohen Geschwindigkeiten sicher die Spur – zuverlässiger als ein Großteil der anderen 100-Millimeter-Fullys am Markt. Dennoch verhält sich das BMC Race-Bike bergab keinesfalls träge. Ganz im Gegenteil. Auch schnelle Richtungswechsel und verwinkelte Strecken meistert der Neuling dank kurzer Kettenstreben spielerisch. Einziges Manko: Die hauseigene Autodrop-Sattelstütze stellt nur 80 Millimeter Hub bereit. Andere Modelle bieten hier mehr Bewegungsfreiheit. Ansonsten kann auch die Abfahrtsleistung voll überzeugen.
Damit wäre das Dilemma wohl gelöst. Cross-Country- und Marathon-Fahrer müssen sich nicht länger zwischen geringem Gewicht oder solider Abfahrtsleistung entscheiden. Sie finden im Entwicklungsansatz des BMC Fourstroke 01 einen sinnvollen Kompromiss.
Leicht, schnell und innovativ – das bringt die Kernkompetenzen des BMC Fourstroke 01 auf den Punkt. Die Geometrie und die Fahreigenschaften haben die Schweizer gegenüber dem Vorgänger erfolgreich weiterentwickelt. Der Preis von 8999 Euro – für das einfach ausgestattete Einstiegsmodell – ist aber unverhältnismäßig hoch.
Für Anhänger des Down-Country-Trends bietet BMC das Fourstroke auch in einer LT-Version mit 120 Milli-metern Federweg an. Preise: 4499 Euro bis 11999 Euro.
Teleskopsattelstützen gehören zu den bahnbrechendsten Erfindungen im Mountainbike-Sport. Ob es BMC mit seiner Automatikfunktion gelingt, die Revolution zu revolutionieren?
Integrierte Teleskopstützen sind in BMC-Bikes nichts Neues. Bereits im alten BMC Fourstroke ließ sich die Einheit aus Sitzrohr und Sattelstütze auf Knopfdruck um 80 Millimeter absenken – wie eine normale Vario-Stütze, nur eben integriert. Zudem setzte die sogenannte RAD-Tele-Stütze auf eine ovale Bauweise, um ein Verdrehen auch ohne interne Führung zu verhindern. Auf den ersten Blick würde man im neuen BMC Fourstroke 01 dieselbe Technologie vermuten. Aber weit gefehlt. Was sich im Innenleben abspielt, ist eine Weltneuheit.
Der Name lässt bereits vermuten, was die BMC-Ingenieure ausgeheckt haben: Die Sattelstütze senkt sich durch Knopfdruck automatisch ab. Der Fahrer muss also nicht länger den Druck vom Pedal nehmen, um mit dem eigenen Körpergewicht die Stütze nach unten zu bewegen. Möglich macht das ein Lufttank im Unterrohr, der über ein Ventil über dem Tretlager befüllt werden kann. Maximaldruck: 14 bar. Drückt man den zweistufigen Hebel komplett durch, entweicht Luft aus dem Tank in ein Reservoir am unteren Ende der Stütze. Unter diesem Druck zieht sich eine Feder zusammen und die Stütze verschwindet im Sitzrohr. Bei halb gedrücktem Hebel entweicht die Luft aus dem Reservoir, und die Feder schiebt die Stütze wieder nach oben. Dabei verliert der Tank nach unseren Messungen pro Hub 0,08 bar. Bei einem Minimaldruck von 2,5 bar erlaubt die Autodrop im BMC Fourstroke 01 theoretisch 144 Durchläufe, bis Luft nachgefüllt werden muss.
Die Realität sieht aber anders aus. Besonders bei Temperaturen unter 10 Grad lässt der Druck deutlich schneller nach. Während unserer Tests am Gardasee verlangte das System schon nach einem Testtag eine erneute Befüllung. Hat der Tank die komplette Luft verloren, rastet die Stütze weder oben noch unten ein, und das Fourstroke wird unfahrbar. Kritik bei der Funktion gibt’s für die Geschwindigkeit beim Versenken der Stütze. Aufsitzen und Absenken ist im Eifer des Gefechts oft schneller als der Absenkungsmechanismus der Autodrop. Zudem senkt sich die Stütze nur, wenn der Remote-Hebel während des Vorgangs gedrückt bleibt.
Auch wenn das neue System noch seine Schwachstellen hat, bleibt es ein absolutes Novum, begeistert Technik-Freaks und verschafft den BMC-Bikes nach wie vor einen USP gegenüber anderen Herstellern.
Herstellerangaben
Messwerte
Ausstattung
Bewertung
GESAMT BERGAUF: 99,25 VON 120
GESAMT BERGAB: 79,5 VON 100
*Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.
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