Stefan Loibl
, Laurin Lehner
· 04.03.2021
Der Bike-Branche geht es blendend – dennoch wollen viele Hersteller ihre Preise erhöhen. Wir erklären die Gründe für steigende Preise und sagen, welche Marken teurer werden.
Als Specialized Anfang November 2020 verkündete, dass seine 2021er-Räder durchschnittlich um 7,5 % teurer werden, ging ein Aufschrei durch die Bike-Community. So kostet nun beispielsweise das Enduro Elite ganze 400 Euro mehr, das Chisel Comp wurde 300 Euro teurer und manche Top-Modelle wie das S-Works Epic verteuerten sich sogar um 600 Euro.
Doch nun ist klar: Das war nur der Anfang, wie wir bereits in unserem Artikel zu Lieferengpässen und Verzögerungen für 2021 befürchtet hatten. Viele Hersteller folgten, fast alle erhöhten die Preise still und heimlich. Cannondale zum Beispiel verlangt seit Ende Januar für das Scalpel Carbon LTD satte 800 Euro mehr, beim Scalpel SE 2 erhöhte sich Preis von 3799 auf 4399 Euro.
Auch Reifenhersteller Maxxis hat zum Jahresbeginn seine Preise um bis zu fünf Prozent erhöht. Andere Bike-Marken wie Propain, Orbea und Rose verkündeten in Pressemitteilungen, dass ihre Preise für Mountainbikes im Modelljahr 2021 steigen werden. Hier als Beispiel die offizielle Nachricht von Orbea:
In den vergangenen Monaten wurde Orbea von steigenden Logistikkosten seitens unserer Zulieferer getroffen, die in manchen Fällen das Achtfache des bisherigen Preises betragen. In Kombination mit ohnehin steigenden Einkaufspreisen, leeren Lagern und Unterbrechungen in der Lieferkette bringt uns diese Entwicklung in eine nicht länger haltbare Situation. Bislang hat Orbea alles versucht, um diese Preissteigerungen abzufangen. Doch mittlerweile ist der Punkt erreicht, an dem dies nicht mehr möglich ist. Daher sehen wir uns als Reaktion auf diese neue Situation zu einer Anpassung unserer Preise für den Einzelhandel gezwungen.
Auch Thorsten Heckrath-Rose, Geschäftsführer beim Direktversender Rose Bikes, bedauerte in einer Pressemeldung, den Schritt der Preissteigerung gehen zu müssen. "Uns wäre es natürlich auch lieber, die alten Preise beizubehalten. Leider konnten wir es nicht länger herauszögern." Er kündigte Preissteigerungen von 8-12 % an, räumte seinen Kunden jedoch eine zweiwöchige Schonfrist bis 25.03.2021 ein, innerhalb derer Bikes zum alten Preis bestellt werden können.
Als größter Preistreiber werden von den meisten Bike-Herstellern die Fracht- und Lieferkosten genannt, die sich seit letztem Frühling wegen der hohen Nachfrage vervielfacht haben. Diese Kosten geben die Hersteller an die Kunden weiter.
Mit diesen gestiegenen Frachtpreisen für Produkte aus Fernost hat nicht nur die Fahrradindustrie zu kämpfen. Der World Container Index hat sich seit Mai 2020 mehr als verdoppelt. Frachtkosten machen aber normalerweise nur drei bis fünf Prozent bei einem Fahrrad aus. Seefracht ist in der Regel sehr günstig. Man spricht von rund 15 US-Dollar pro Bike, bei Luftfracht von etwa 100 US-Dollar.
Zusätzlich sind die Bike-Hersteller mit Preiserhöhungen seitens der Zulieferer konfrontiert. Denn die Hersteller von Rahmen und Komponenten müssen aufgrund des hohen Bedarfs in Produktionsabläufe investieren. Zudem sitzen sie aktuell wegen der hohen Nachfrage bei den Preisverhandlungen am längeren Hebel.
Die Zulieferer wiederum müssen in einzelnen Bereichen ebenso mit höheren Preisen beim Einkauf von Rohstoffen (wie z. B. Kautschuk für Reifen) umgehen. Zusätzlich haben viele Hersteller in Corona-Maßnahmen investiert und rüsten auf, um die stark gestiegene Nachfrage nach Bikes bedienen zu können.
Darüber hinaus muss man aber auch feststellen, dass sich der Fahrradmarkt innerhalb des letzten Jahres vom Käufermarkt zum Verkäufermarkt entwickelt hat. Denn durch den Bike-Boom, der im Frühjahr 2020 losgetreten wurde, übersteigt die Nachfrage nach Fahrrädern das Angebot deutlich.
Während in der Vergangenheit Händler und Hersteller gegen Ende der Saison schauen mussten, ihre Räder – teils mit deutlichen Rabatten – an den Mann oder die Frau zu bringen, hat sich das Blatt seit der Corona-Pandemie gewendet. Die hohe Nachfrage nach Fahrrädern sorgt dafür, dass Fahrradläden und Hersteller mehr Räder verkaufen könnten, als sie aktuell produzieren können.
Und genau dieser sogenannte Nachfrageüberhang und der stockende Nachschub bringt Hersteller in die komfortable Situation, dass sich ihre Produkte trotz angehobener Preise dennoch gut verkaufen.
Das Ganze könnte auch längerfristige Folgen für den Fahrradmarkt haben. Denn bis diese stark gestiegene Nachfrage flächendeckend bedient werden kann, die Produktionskapazitäten hochgefahren sind und sich die Liefersituation normalisiert, können laut Branchen-Insidern Jahre vergehen. Vor allem kleinere Hersteller werden mittelfristig Probleme haben, an Anbauteile zu kommen.
Fahrräder könnten dann Mangelware bleiben, und damit die weiter steigenden Preise bei gleichzeitig langen Wartezeiten. Da wirkt die freundlich gemeinte Kauf-Aufmunterung von Anatol Soostmann, Director Product & Brand bei Rose, fast wie eine Drohung: "Wenn du nächsten Sommer radfahren willst, schlag jetzt zu! Denn der Boom bricht nicht ab und die Lieferzeiten werden weiterhin höher sein, als Kunden es aus der Bike-Branche gewohnt sind."
Um einen besseren Überblick zu bekommen, welche Bikes 2021 teurer werden, haben wir in einem Rundschreiben 42 Bike-Hersteller gefragt: Plant Ihr 2021 Preiserhöhungen? Knapp die Hälfte der Firmen antwortete uns. Davon wird wiederum knapp die Hälfte ihre Preise mindestens bis 100 Euro, teilweise auch um deutlich über 100 Euro anheben. Hier die Hersteller im Überblick, die bereits ihre Preise erhöht oder auf unsere Anfrage geantwortet haben:
Die Befürchtung, dass alle Hersteller ähnlich stark an der Preisschraube drehen könnten, bestätigt sich aber bisher nicht. Denn Fakt unserer Abfrage ist: Die meisten Bike-Hersteller erhöhen die Preise nur geringfügig um weniger als 100 Euro.
Trotzdem bleibt abzuwarten, ob das so bleibt. Denn einige Hersteller haben sich zurückgehalten und wollten sich nicht konkret äußern. Laut Szene-Insidern dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis alle großen Hersteller nachziehen und ihre Preise anpassen. Spätestens zum Modelljahr 2022 dann.
Allerdings müssen sich die Preiserhöhungen nicht zwingend auf die gesamte Modellpalette auswirken. Gerade im Günstig-Segment bleiben viele Preise unverändert. Betroffen sind besonders hochpreisige Modelle.