Im Winter 2024/25 gerät die Bike-Branche immer stärker unter Druck. Erstaunlich, könnte man denken. Schließlich hatten die Corona-Jahre einen regelrechten Bike-Boom ausgelöst. Die Verkaufszahlen erreichten für 2022 einen Rekord und die Nachfrage blieb zunächst weiter hoch. Allerdings beklagten Hersteller immer wieder Schwierigkeiten mit Lieferengpässen und steigenden Preisen.
Zuletzt überschwemmte zu allem Übel auch noch die verspätete Ware aus Bestellungen von 2022 und 2023 den schon schwächelnden Markt. Die Folge: Bei Händlern und Herstellern sind die Lager voll wie nie, verkauft wird in der Nebensaison und der aktuellen Konsum-Flaute aber kaum noch etwas. Die Verkäufer überbieten sich mit Rabatten, gleichzeitig müssen immer mehr Bike-Firmen nun Insolvenz beantragen. Einen übergreifenden Bericht zur Lage der Fahrradbranche 2024 findet ihr hier
Accell hat angekündigt, den Produktions- und Gründungsstandort Heerenveen in den Niederlanden als Teil ihres Transformationsprogramms umzugestalten. Der Standort wird sich künftig auf strategische Funktionen wie Design, Ingenieurwesen und Support konzentrieren. Die Fertigung wird bis Ende des ersten Quartals 2026 eingestellt und auf bestehende Produktionsstätten verlagert. Diese Entscheidung ist Teil eines umfassenden Plans, die Effizienz zu steigern und die Produktionsprozesse zu vereinfachen.
Zukünftig wird die Produktion in Ungarn zentralisiert, unterstützt durch die Endmontage in Dijon, Frankreich. Dies folgt auf eine frühere Entscheidung, das Werk in der Türkei zu veräußern. Die Schließung in Heerenveen wird rund 160 Arbeitsplätze betreffen, weshalb ein Sozialplan zur Unterstützung der betroffenen Mitarbeiter in Kraft tritt. Die Umstellung soll im September beginnen, wobei Heerenveen aktuell etwa 20 % der Gesamtproduktion von Accell ausmacht. Nach der Rekapitalisierung, die Anfang dieses Jahres abgeschlossen wurde, hat das Unternehmen Aktivitäten in Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich neu organisiert, ebenso wie in der Fertigung, im Vertrieb und in zentralen Funktionen. Die Lagerbestände wurden erheblich reduziert, und durch gesteigerte Effizienz hat sich die Zahl der Lagerstandorte von 85 auf 28 verringert, mit dem Ziel, in den kommenden Jahren bis auf fünf zu reduzieren.
Mit der Neustrukturierung hofft Accell, Effizienzgewinne zu erzielen und ihre Innovationskraft zu stärken. Der CEO von Accell, Jonas Nilsson, betont, dass die Konzentration auf weniger Standorte unter dem One-Accell-Modell es dem Unternehmen ermöglicht, die Qualität und Konsistenz der Produkte zu verbessern und gleichzeitig die Betriebskosten zu senken.
Die Accell Group versammelt unter sich zahlreiche Marken wie Haibike, Winora, Ghost und Lapierre sowie Batavus, Koga, Raleigh, Sparta, Babboe und Carqon.
Nachdem Anfang August schon Kult-Versender YT Industries ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung eingeleitet hatte (hier alle Details), trifft es nun den nächsten. Die polnische 7Anna-Gruppe bekannter durch ihre Dirt- und Gravity-Marke NS Bikes (hier im Test) sowie Rondo (Gravel) Octane One und Creme Cycles (Urban) hat beim Bezirksgericht in Danzig Insolvenz angemeldet. In Deutschland wurden die Marken über Sports Nut aus Tübingen vertrieben.
Als Grund für die finanzielle Schieflage nennt Szymon Koblynski von 7Anna in einem offiziellen Statement gleich eine ganze Reihe an Ursachen, mit denen derzeit auch viele andere Marken zu kämpfen haben. Lieferprobleme während Corona und Distributionsprobleme im Nachgang, außerdem seien kurz nacheinander sowohl der wichtigste Zulieferer, Sprick, und der größte Distributor für Westeuropa pleite gegangen. Möglich, dass Koblynski damit auf die Pleite der Signa-Gruppe im November 2023 anspielt. 7Anna bemüht sich zu betonen, dass die Geschäfte während der Restrukturierung normal weiterlaufen, Garantie und Service vorerst erhalten bleiben.
Jetzt hat sich auch Sports Nut als deutscher Vertriebspartner der 7Anna Group zu Wort gemeldet und verkündet, die jahrelange Zusammenarbeit sei bereits zum 31. Juli 2025 beendet worden. Die SAZ zitiert die Tübinger, dass es schon in den Monaten zuvor Anzeichen für die Schwierigkeiten von 7Anna gegeben haben soll. Daher habe Sports Nut keine Vororder mehr für 2026 getätigt und aufgrund der anhaltenden Lieferprobleme sowie fehlenden Zukunftsaussichten die Zusammenarbeit gekündigt.
Die Pierer Mobility Gruppe treibt ihren Ausstieg aus dem Fahrradgeschäft schneller voran als ursprünglich geplant. Während das Unternehmen im ersten Halbjahr 2025 noch über 50.000 Fahrräder absetzte, sollen die Lagerbestände der Marken Husqvarna und Gasgas bis Ende des Jahres vollständig abverkauft sein. Bereits Ende 2024 berichteten wir über die kuriose Meldung, dass das zu Pierer gehörende Unternehmen KTM tausende E-Bikes an die Belegschaft verschenkte, um Lagerkosten zu sparen.
Wie das Unternehmen im Rahmen der Veröffentlichung vorläufiger Geschäftsergebnisse für das erste Halbjahr 2025 mitteilt, verläuft der sogenannte "Wind-down" des Geschäftsfeldes Fahrrad schneller als erwartet. In den ersten sechs Monaten des Jahres setzte der österreichische Konzern noch 50.107 Fahrräder und Elektrofahrräder ab. Nun rechnet das Unternehmen damit, dass die Lagerbestände der Marken Husqvarna und Gasgas bis Ende 2025 vollständig ausverkauft sein werden. Trotz des Rückzugs versichert Pierer Mobility, dass sämtliche Garantie-, Service- und Ersatzteillieferungen gemäß den gesetzlich vorgeschriebenen Gewährleistungserfordernissen weitergeführt werden. Kundinnen und Kunden, die bereits ein Fahrrad der betroffenen Marken besitzen, sollen also weiterhin Unterstützung erhalten.
Die Fahrradmarke Felt bleibt von den Ausstiegsplänen unberührt. zu Plänen für die Marken Syntace und Liteville, die ebenfalls zum Pierer Konzern gehören, ist derzeit noch nichts bekannt. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Sanierungsverfahren richtet Pierer Mobility seinen strategischen Fokus wieder verstärkt auf das Kerngeschäft mit Motorrädern.
Der vollständige Halbjahresfinanzbericht 2025 wird laut Unternehmensankündigung am 28. August 2025 veröffentlicht und dürfte weitere Details zur strategischen Neuausrichtung und den finanziellen Auswirkungen des beschleunigten Rückzugs aus dem Fahrradgeschäft enthalten.
Die Uvex Group, ein traditionsreiches Familienunternehmen aus dem fränkischen Fürth, positioniert sich für die Zukunft mit einem neuen Mehrheitseigentümer. Der US-amerikanische Private-Equity-Investor Warburg Pincus übernimmt die Mehrheit an dem Spezialisten für Schutz- und Sicherheitsausrüstung. Die bisherigen Gesellschafterfamilien Winter und Grau behalten eine Minderheitsbeteiligung und wollen die Entwicklung des Unternehmens weiterhin aktiv mitgestalten.
Mit dem Einstieg von Warburg Pincus verfolgt Uvex ambitionierte Expansionspläne. Neben der Beschleunigung des internationalen Wachstums stehen der Ausbau des Premium-Sortiments und die Erschließung neuer Geschäftsfelder im Fokus. Auch strategische Zukäufe seien Teil der künftigen Expansionsstrategie, heißt es von Seiten des Unternehmens. Die Transaktion, die einen bedeutenden Meilenstein in der fast 100-jährigen Firmengeschichte darstellt, steht noch unter dem Vorbehalt regulatorischer Genehmigungen.
Warburg Pincus, gegründet 1966, bringt umfangreiche Erfahrung in der Begleitung wachstumsstarker Unternehmen mit. Der Investor verwaltet aktuell ein Vermögen von über 87 Milliarden US-Dollar und ist für seine Beteiligungen an expandierenden Unternehmen weltweit bekannt.
Die Uvex Group vereint unter ihrem Dach eine Reihe bekannter Marken, darunter Uvex Safety, Alpina, Hiplok und Filtral. Mit rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit – davon 60 Prozent in Deutschland – hat sich das Unternehmen als bedeutender Akteur im Bereich Sportausrüstung, aber auch Arbeitsschutz etabliert. Die Beteiligung von Warburg Pincus markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Unternehmensstruktur.
Wie zahlreiche Wirtschaftsnachrichtenmedien berichten, hat offenbar auch der deutsche Direktversender Canyon mit schlechten Zahlen zu kämpfen. Die Investmentgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert (GBL) hat als Mehrheitseigentümerin von Canyon aufgrund der nach wie vor schwierigen Marktsituation eine deutliche Korrektur des Unternehmenswerts vorgenommen.
Im jüngsten Geschäftsbericht bewertete die GBL ihre Mehrheitsbeteiligung von 49,8 % am Unternehmen Canyon mit 261 Millionen Euro. Im Vorjahr lag der Wert nach dem ersten Quartal noch bei 454 Millionen Euro. Das bedeutet ein Minus von etwa 42,5 % oder 192 Millionen Euro, die die GBL jetzt abschreiben muss.
Als Gründe werden von GBL die nach wie vor schwierige Marktlage mit hohen Lagerbeständen und den darauf folgenden dramatischen Rabattschlachten angeführt, aber auch Qualitätsmängel bei einzelnen E-Mountainbikes. Der Umsatz ging währenddessen im vergangenen Jahr mit -1 % auf 172 Millionen Euro nur leicht zurück.
Im Geschäftsbericht heißt es dazu: “Der Umsatz war leicht rückläufig, was auf ein herausforderndes Marktumfeld mit einem Überangebot in bestimmten Kategorien und aggressiven Rabatten zurückzuführen ist, insbesondere bei elektrischen und nicht-elektrischen Mountain- und Citybikes. Das Wachstum in den Bereichen Straße und Gravel bleibt robust und zeigt die Stärke der Marke.”
Auch wenn die finanzielle Lage in Teilen der Fahrradbranche aktuell sehr schwierig scheint: Canyon bleibt zuversichtlich und wird mit einem Store in München sogar sesshaft.
Die BMC Group hat heute weitreichende Maßnahmen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit angekündigt. Der Schweizer Hersteller hatte bereits im vergangenen Jahr erste Schritte unternommen, um die Lieferantenbestellungen anzupassen und Lagerbestände abzubauen. Angesichts der anhaltend herausfordernden Marktlage sieht das Unternehmen nun weiteren Handlungsbedarf, um die wirtschaftliche Stabilität langfristig zu gewährleisten. Teil der geplanten Maßnahmen ist eine Reduzierung des Personalbestands um circa 40 Stellen weltweit. Für die potenziell betroffenen Mitarbeitenden in der Schweiz wurde ein Konsultationsverfahren eingeleitet.
Im Zuge der strategischen Neuausrichtung plant die BMC Group, sich künftig auf ihre Kernsegmente zu konzentrieren. Der Fokus soll dabei auf Rennrädern und Gravelbikes liegen. Ergänzt wird das Sortiment durch Modelle aus den Bereichen Triathlon, MTB-Cross-Country, E-Road und Bahn. Für die Marken Scor und Adicta Lab sind vorerst keine neuen Produkteinführungen geplant. Diese Marken sollen zwar weitergeführt werden, allerdings liegt der Schwerpunkt hier zunächst auf der Kundenbetreuung und dem Abverkauf des bestehenden Sortiments. Das Unternehmen gibt an, die weitere Entwicklung dieser Marken laufend zu prüfen.
Parallel zu den strukturellen Anpassungen kommt es auch zu personellen Veränderungen im Verwaltungsrat der BMC Group. Der bisherige Verwaltungsratspräsident Erwin Steinmann sowie Herbert Bächler treten altersbedingt zurück. Beide waren über ein Jahrzehnt in führenden Gremien des Unternehmens tätig. Die Nachfolge im Präsidium übernimmt Alessandro Celli, der dem Verwaltungsrat bereits seit fünf Jahren angehört. Diese Neubesetzung markiert einen weiteren Schritt in der Neuausrichtung des Unternehmens.
Der kanadische Fahrradhersteller Rocky Mountain wurde von einer Gruppe kanadischer Investoren übernommen. Die neuen Eigentümer wollen die Marke weiterentwickeln und dabei ihren Wurzeln treu bleiben. Forschung und Entwicklung sollen weiterhin in North Vancouver bleiben.
Im Dezember machte die spektakuläre Insolvenz von KTM Motorrad (nicht zu verwechseln mit KTM Fahrrad) Schlagzeilen. Nach großem Stellenabbau im Mutterkonzern Pierer folgt jetzt die nächste drastische Maßnahme. Wie das österreichische News-Portal heute.at berichtet, steht die Unternehmensgruppe Pierer New Mobility, die alle Fahrräder des Konzerns produziert, mit über 370 Millionen Euro bei der KTM AG in der Kreide. Die Folge: 2025 soll Pierers New Mobility Sparte deutlich eingekürzt werden.
Wir haben bei Pierer nachgefragt. Sicher ist: Pierer New Mobility schließt neben dem Standort Deutschland in Schweinfurt auch die Standorte Südafrika und Großbritannien. Verschiedene österreichische Medien berichten mit Verweis auf einen aktuellen Bericht des Insolvenzverwalters Peter Vogl sogar davon, dass Pierer New Mobility 2025 komplett eingestampft werden soll. Pierer hat das uns gegenüber nicht bestätigt. Man sondiere im Moment “alle Optionen”, heißt es im offiziellen Statement. Die Produktion von GasGas und Husqvarna pausiert aber erstmal, Lagerbestände sollen weiter abverkauft werden. “Das Tagesgeschäft läuft für die Endkunden unverändert weiter” verspricht der Konzern und schließt damit ausdrücklich auch Gewährleistung und Garantie mit ein.
Vor zwei Monaten wurde das endgültige Aus für das Flyer-Montagewerk in Huttwil, Schweiz, bekannt gegeben. Doch bereits im Februar sollen die E-Bikes von Flyer offenbar im Werk von Kettler Alu-Rad produziert werden, wie das Branchenblatt SAZ berichtet. Die Krise in der Fahrradbranche führte im vergangenen November dazu, dass der Schweizer E-Bike-Pionier Flyer Bikes die Montage in Huttwil vollständig einstellen musste und den Großteil seiner Mitarbeiter entließ. Mittlerweile stehe wohl fest, dass die neue Fertigungsstätte für Flyer Elektrofahrräder das Montagewerk von Kettler Alu-Rad in St. Ingbert sein werde, das die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen könne. In Huttwil verbleibe ein kleines Team von Mitarbeitern, das den Schweizer Markt betreue, so SAZ.
Es ist eine Begründung wie bei vielen Firmen: Steigende Kosten, Lieferengpässe, fehlende Nachfrage, fallende Preise und Margen machen Rocky Mountain zu schaffen. Und doch sorgt die finanzielle Schieflage des Kult-Herstellers für echtes Erschrecken in der gesamten Branche. Die Fakten: Insolvent im eigentlichen Sinn ist Rocky Mountain noch nicht. Stattdessen greift der Hersteller auf auf das CCAA-Verfahren zurück, dass es angeschlagenen Firmen ermöglicht mit einem Konsolidierungsplan das operative Geschäft vorerst aufrecht zu erhalten. Wie genau der Konsolidierungsplan aussieht und ob und wie viele Mitarbeiter und Profi-Athleten das Unternehmen in der Folge entlassen muss, ist bislang noch nicht bekannt. Rocky Mountain wird weiterhin von CEO und Unternehmenseigner Raymond Dutil geführt.
Der von Kronberg im Taunus aus operierende Versandhandel für Bikes und Zubehör hat nach eigenen Angaben einen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Das ließ das Unternehmen per Pressemitteilung verlauten. Kurz vor Weihnachten 2024 soll das zuständige Gericht die Insolvenzverwaltung des Unternehmens angeordnet haben. Neben größeren Shops wie bike-components, r2-bike und bike24 gehört Hibike zu den mittelgroßen Versandhändlern in Deutschland, die ebenfalls unter der aktuellen Umsatzflaute leiden dürften.
Die Insolvenz des österreichischen Motorradherstellers KTM hätte eigentlich nur geringe Relevanz für die Bike-Branche. Denn der KTM-Fahrrad ist seit langem ein eigenständiges Unternehmen und hat mit der Motorrad-Firma nichts zu tun. Die beiden Unternehmen gehören nicht einmal zur selben Unternehmensgruppe. Kurios: Um die Finanzen zu konsolidieren, greift man bei KTM Motorrad zu unkonventionellen Maßnahmen. Zum Ausgleich für einen Gehaltsausfall verschenkte das Unternehmen 11.000 E-Bikes des Schwesterunternehmens Husqvarna. Somit kommen auf jeden KTM-Mitarbeiter rechnerisch fast drei E-Bikes. Da sicher nicht alle Bikes privat genutzt werden können, dürfte der Gebrauchtmarkt nun mit einigen quasi neuen Husqvarna E-Bikes überschwemmt werden.
Mithilfe eines Finanzinvestors soll Bike-Hersteller Simplon wieder in die Spur gebracht werden. Die österreichische SOL Capital plant den vollständigen Kauf der Simplon Holding GmbH und will mit einer Kapitalspritze die Fertigung von Simplon im Land mit rund 140 Beschäftigten nachhaltig absichern. In einer gemeinsamen Pressemitteilung des Investors und Herstellers heißt es heute: „Ein entsprechender Zukunftsplan für die erfolgreiche Fortführung der operativen SIMPLON Fahrrad GmbH ist am Donnerstag von den Gläubigern des Unternehmens einstimmig angenommen und vom Landesgericht Feldkirch bestätigt worden.“ Der Neustart von Österreichs zweitgrößtem Hersteller von Fahrrädern soll damit nach dreimonatigem Sanierungsverfahren endgültig gesichert sein.
Der deutsche E-Bike-Hersteller Advanced Bikes GmbH hat vor dem Amtsgericht Offenbach einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt. In der Pressemitteilung des Unternehmens äußerten die beiden Geschäftsführer ihr Bedauern über die getroffene Entscheidung. Diese sei ihnen nicht leicht gefallen, “da sie einen Einschnitt in die großartige Arbeit des Teams bei Advanced und seiner Partner, die während der letzten 13 Jahre geleistet wurde, bedeutet” - zitiert unter anderem das Branchenmagazin SAZ Bike.
Ziel ist es nun, die Gesellschaft durch das Insolvenzverfahren zu sanieren. Dazu wolle Advanced in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter einen Restrukturierungsplan erstellen. Die Geschäftstätigkeiten der Advanced GmbH werden fortgesetzt – so heißt es in der Pressemitteilung. Die Tochtergesellschaften Advanced Bikes Switzerland und Advanced Bikes Belgium seien demnach von der Insolvenz nicht betroffen; ebenso die Advanced Vertriebsgesellschaft in Großbritannien.
Die Pon-Gruppe schließt die Produktionsstätte für die Marken Santa Cruz und Cervélo in Mainz. Das Mainzer Werk war gerade erst neu aufgebaut worden, in Zukunft soll die Fertigung aber nur noch im Werk in Emstek/Niedersachsen stattfinden. Wie das Branchenmagazin SAZ Bike meldet, soll die Mainzer Produktion bis zum Jahreswechsel fortgeführt und zum April 2025 eingestellt werden. Dies führt zum Verlust von Arbeitsplätzen für etwa 80 Mitarbeitende. Der Standort Mainz bleibt für Vertrieb, Marketing und andere unterstützende Funktionen aber bestehen.
Der Multisportspezialist Decathlon hat ehrgeizige Wachstumspläne für den deutschen Markt vorgestellt. Das Unternehmen plant laut seiner Pressemitteilung bis 2027 Investitionen von bis zu 100 Millionen Euro, die sowohl in neu zu eröffnende Geschäfte als auch in die Modernisierung bestehender Standorte fließen sollen. Decathlon beabsichtigt, das Filialnetz in den nächsten drei Jahren auf 150 Standorte zu erweitern, darunter 60 neue Niederlassungen.
In den nächsten drei Jahren werden wir eine Expansionswelle starten, um die bevorzugte Sportmarke in Deutschland zu werden. Wir werden neue Arbeitsplätze schaffen durch die Erweiterung unseres Filialnetzes und neue Formate. - Arnaud Sauret, CEO von Decathlon Deutschland
Bisher ist Decathlon in Deutschland vor allem für seine großen Multisport-Geschäfte bekannt, die auf Flächen zwischen 1.800 und 8.000 Quadratmetern eine breite Produktpalette anbieten. Das Unternehmen plant nun auch kleinere Filialen mit 500 bis 1.500 Quadratmetern in beliebten Einkaufszentren und Fußgängerzonen zu eröffnen.
Begleitend zur Expansionsstrategie plant Decathlon die Eröffnung von bis zu zehn Werkstätten in Deutschland. Derzeit gibt es Werkstätten in Schwetzingen, Dortmund und München, und ein weiterer Standort wird Ende 2024 in Hamburg eröffnen. Die Münchner Filiale haben wir bereits besucht. Offen bleibt, ob der Outdoor-Discounter mit seinem Expansionsdrang die Kraft des deutschen Marktes nicht überschätzt. Denn nach den Boom-Jahren ist der Umsatz in der gesamten Outdoorbranche gerade schlecht. Das gilt nicht nur für die Fahrrad-Industrie.
Die Giant Group verzeichnet laut ihres neuesten Geschäftsberichts in den ersten drei Quartalen des Geschäftsjahres einen Umsatzrückgang von 7,1 Prozent. Wie das Branchenmagazin SAZ Bike berichtet, führe dieser Rückgang, kombiniert mit gestiegenen Ausgaben, zu einem Senkung des Nettogewinns vor Steuern im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent.
Giant sehe das weltweite Umfeld weiterhin als herausfordernd an - so der Bericht - beabsichtigt jedoch, weiterhin Produktinnovationen voranzutreiben und seine Marktposition zu festigen.
Am Hauptsitz des Schweizer Fahrradherstellers Flyer in Huttwil werden 150 von 170 Arbeitsplätzen abgebaut. Der ZEG-Konzern hat beschlossen, die Produktion der Flyer-E-Bikes in der Schweiz zu schließen und stattdessen in Deutschland zu produzieren. Diese Entscheidung, die Ende Oktober noch unklar war, wurde den Mitarbeitenden nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens mitgeteilt.
Wohin die Flyer-Produktion in Deutschland verlagert wird, bleibt noch offen – ebenso die Aufgaben der 20 verbleibenden Angestellten. Auch die zukünftige Nutzung der Produktionshallen in der Schweiz steht noch nicht fest.
Shimano verzeichnet in den ersten drei Quartalen des aktuellen Geschäftsjahres einen Umsatzrückgang von 12,3 Prozent im Bereich Fahrradkomponenten, während das Betriebsergebnis um 26,1 Prozent sank. Laut dem Branchenmagazin SAZ Bike erreichte der Umsatz rund 1,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr, und das Betriebsergebnis lag bei 250 Millionen Euro. Trotz eines anhaltend starken Interesses an Fahrrädern zeigten sich erste Verbesserungen bei den Lagerbeständen im Einzelhandel, während die Bestände an fertigen Fahrrädern weiterhin hoch blieben.
Der Radbekleidungshersteller Rapha verzeichnete im Jahr 2023 einen Verlust von rund 25 Millionen Euro, was das siebte Verlustjahr in Folge darstellt. Im Vorjahr lag der Verlust bei etwa 15 Millionen Euro. Rapha nennt als Gründe für die negative Entwicklung die Herausforderungen in der Radsportbranche nach der Pandemie und die Auswirkungen der Schließung zweier wichtiger Lagerhäuser.
Darüber hinaus verzeichnete Rapha einen Rückgang um 30.000 bei den neuen Online-Kunden. Auch die Mitgliederzahl des Rapha Cycle Club (RCC) verringerte sich um 4.000, von 22.000 auf 18.000 Mitglieder.
Am 17.4.2024 hat der finnische Bike-Hersteller Pole Bicycles Insolvenz angemeldet. Das verkündete der Gründer Leo Kokkonen in einem Youtube-Video auf dem Kanal von “Rob rides EMTB”. Die Eigentümer der Firma können Pole Bicycles nicht länger finanzieren, so Kokkonen.
Wie es mit Pole weitergeht, ist vorerst unklar. Die Verhandlungen um den Einstieg eines Investors scheiterten kurz vor dem Insolvenzantrag, so Kokkonen. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass die Firma Pole Bicycles im Zuge des Insolvenzverfahrens neu aufgestellt wird, oder zumindest die Marke und das Know-How weitergeführt werden.
Der Finne Leo Kokkonen gründete die Marke Pole Bicycles im Jahr 2015. Mit extravaganten Bikes und außergewöhnlichen Ideen sicherte sich Pole in den letzten Jahren einen festen Platz in der Bike-Gemeinde. Sowohl die extremen Geometrien, als auch die speziellen Fertigungsverfahren machten Bikes wie das E-MTB Voima (zum Test!), das Machine oder das Enduro Vikkelä (zum Test!) zu etwas besonderem. Auch in unserem BIKE und EMTB Tests stachen die Räder aus Finnland heraus. Spezialität von Kokkonen war eine spezielle Fertigungsmethode, die er bei den neuen Modellen etablierte: Zwei Rahmenhälften wurden aus dem vollen Aluminiumblock gefräst und dann zusammengeklebt.
Einen eigenen Artikel haben wir den Entwicklungen rund um die Signa-Gruppe von René Benko und den betroffenen Online-Händlern gewidmet: Fahrrad.de insolvent - weitere Online-Händler wanken
Schon vor einer Woche sorge der drastische Umsatzverlust des zweitgrößten taiwanesischen Fahrradherstellers Merida (s. unten) für ein ungutes Gefühl in der Fahrradbranche. Denn: Merida produziert auch Bikes für einige andere Marken. Jetzt hat auch Taiwans Nummer 1, Giant, erste Zahlen veröffentlicht. Und es sieht nicht gut aus. Der Gesamtumsatz des weltweit größten Fahrradherstellers brach 2023 um 16 Prozent ein, auf umgerechnet 2,27 Milliarden Euro. Gerechnet auf das letzte Quartal vermeldet Giant sogar einen Umsatzverlust von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Mehr noch als auf die Marke Giant selbst lässt das Rückschlüsse auf die Situation am Gesamtmarkt zu, denn Giant produziert auch die Bikes für diverse große amerikanische Marken, unseres Wissens nach unter anderem Trek. Ein Umsatzrückgang bei Giant lässt sich also nur mit einer mindestens angespannten Lage auch bei den OEM-Kunden der taiwanesischen Firma erklären.
Ganz andere Töne schlägt dagegen der Branchenriese ZEG aus Köln mit Eigenmarken wie Bulls, Pegasus und Zemo an. Von einem “Rekordergebnis” für 2023 ist in einer Pressemitteilung die Rede, erwirtschaftet durch einen leicht gesteigerten Umsatz und Optimierungen bei Einkauf und Logistik. 40 Millionen Euro, satte 50 Prozent mehr als letztes Jahr, sollen an die Mitglieder ausgeschüttet worden sein. Eventuell ein Lichtblick: Denn zur ZEG Group mit einem Jahresumsatz von 2,3 Milliarden Euro gehören nicht nur über 1000 europäische Fachhändler von Frankreich über Deutschland, die Schweiz und Österreich bis Polen, sondern auch diverse größere Marken wie Kettler, Hercules, i:sy und auch Flyer. Gerade Letztere könnte profitieren - Flyer war zuletzt wegen einer großen Entlassungswelle (s. unten) in den Medien.
Bei der Accell-Group, bekannt unter anderem mit Marken wie Haibike, Lapierre und Ghost, setzt sich der Trend fort, der zuletzt schon mit dem Aus von “made in Germany” bei Ghost begonnen hatte. Konkret geht es diesmal um eine weitere Verlagerung der Produktion vom niederländischen Heerenveen in die Türkei und nach Ungarn. 100 bis 150 Arbeitsplätze sollen dadurch betroffen sein. Accell verspricht sich davon eine Vereinfachung der Lieferketten innerhalb des Unternehmens und eine Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit.
Wenn Merida seine Geschäftszahlen veröffentlicht, schaut die Branche genau hin. Schließlich ist der taiwanesische Fahrradhersteller nach Giant der zweitgrößte des Landes. Und dessen Umsatzzahlen lassen Rückschlüsse auf die Verkaufszahlen der ganzen Fahrradindustrie zu. Zumal Merida auch für andere bekannte Marken produziert.
Kurz: Auch Merida spürt die allgemeine Kaufzurückhaltung und muss Investoren in den monatlichen Umsatzreports teils deutliche Umsatzrückgänge vermelden.
Demnach sank der Jahresumsatz um über 26,4 Prozent auf knapp 27,2 Milliarden taiwanesische Dollar (entspricht etwa 797 Millionen Euro). Besonders in den drei Monaten des letzten Quartals brach der Umsatz jeweils um über die Hälfte ein – im Vergleich zum wohlgemerkt besonders erfolgreichen Geschäftsjahr 2022.
Was jetzt so dramatisch klingt, kann man auch etwas relativieren und so sehen: Der jetzt genannte Umsatz von 2023 pendelt sich knapp über dem Erlös von 2020 ein. Echte Verkaufszahlen (in Bikes) oder der Gewinn gibt Merida zwar traditionell keine bekannt. Aber die Umsatzzahlen von Merida waren vor dem Verkaufs-Turbo-Boost namens Corona ja keine schlechten.
Zunächst, Berichten von südkoreanischen Medien folgend, bekommt der Schweizer Bikehersteller Scott von seinem Mutterkonzern Youngone Corporation umgerechnet ungefähr 161 Millionen Dollar Unterstützung. Youngone erwarb 2013 einen Firmenanteil an Scott von erst 20 Prozent und erhöhte dann 2015 auf 50,1 % - die Südkoreaner sind somit Hauptanteilseigner. Auf unsere Nachfrage sagt das Scott Headquarter dazu:
Das Bikegeschäft benötigt eine substanzielle Finanzierung gerade in Zeiten, wo die Lagerbestände hoch sind, dies hat nun Youngone in Form eines kurzfristigen Darlehns sichergestellt. – Scott HQ
Zudem hat sich Hauptanteilseigner Youngone in einer spektakulären Aktion des langjährigen Scott-CEOs Beat Zaugg entledigt. So hatte wohl der Verwaltungsrat der Firma Zaugg in dessen Abwesenheit fristlos entlassen, Zaugg widersprach öffentlichkeitswirksam mit einem in mehreren Medien zitierten Statement. “Ich bin CEO!”. Zaugg soll mittlerweile in Folge einer gerichtlichen Anordnung nicht einmal mehr den Firmensitz im schweizerischen Giviziez betreten dürfen. Youngone hat Juwon Kim als neuen CEO bestätigt.
Seit etwa 30 Jahren werden bei BSA - einer Tochtergesellschaft der Uvex Sports GmbH & Co. KG. - Helme für den weltweiten Markt hergestellt. Jetzt gab Uvex bekannt, den Produktionsstandort von BSA in Obernzell (Landkreis Passau) bis Ende 2024 aufzugeben. Rund 190 Arbeitsplätze sind von dieser Betriebsstilllegung betroffen.
Laut Angaben des Unternehmens wird die Schließung von BSA aufgrund der stark gestiegenen Lohn- und Energiekosten in Obernzell sowie hoher Materialkosten und der anhaltenden Kaufzurückhaltung veranlasst. Als Folge davon wird die Uvex Sports Group ihre Produkte, die bisher bei BSA hergestellt wurden, zukünftig von Drittanbietern auf dem Weltmarkt einkaufen und weiter vertreiben. Kurz: Auch bei Uvex-Helmen fällt das “Made in Germany” - ähnlich wie zuletzt bei Ghost.
Inwiefern der Abgang der beiden Geschäftsführer der uvex sports group, Christophe Weissenberger (CEO) und Dr. Michael Dannhauser (CFO/COO), im August mit der Entscheidung der Standortschließung jetzt zusammenhängt, kann nur spekuliert werden. Velobiz zitiert den geschäftsführender Gesellschafter der Uvex Group, Michael Winter, mit den Worten: “Wir haben Änderungen in der Organisationsstruktur vorgenommen und gehen gleichzeitig davon aus, dass sich die Marktnachfrage ab der zweiten Jahreshälfte 2024 erholen wird“.
Die nächste Meldung kommt erneut aus dem Bereich der Jointventures zwischen Automobilkonzernen und Bike-Herstellern. Die österreichische Pierer Group hat beschlossen - und jetzt mitgeteilt, sich auf die Kernmarken KTM, GASGAS, Husqvarna sowie MVAgusta zu fokussieren. Gut für diese - das Nachsehen haben auf der anderen Seite die Marken Raymon und Felt. Auf der Pierer-Website heißt es dazu:
Aufgrund dieser Entscheidung wurde der Verkauf der Marken Raymon und FELT sowie die Abgabe des Non-E-Fahrradbereiches vom Vorstand eingeleitet. Der Verkauf der Marke R Raymon wurde zwischenzeitig unterzeichnet. Ein Closing wird bis zum Jahresende 2023 erfolgen. Die 2017 gegründete Fahrradmarke R Raymon soll künftig in neuer, unabhängiger Konstellation von Susanne und Felix Puello weitergeführt werden. Weiters wurde der Verkaufsprozess der Fahrradmarke FELT an ein Konsortium rund um Florian Burguet ebenfalls eingeleitet, welcher in der ersten Jahreshälfte 2024 abgeschlossen werden soll. Florian Burguet wird als Vorstand der PIERER Mobility AG mit Ende Dezember ausscheiden. – Pressemitteilung Pierer Group, 05.12.2023
Mit anderen Worten: Pierer verlässt komplett den Markt der un-motorisierten Fahrräder und setzt zukünftig auf E-Mobility.
Wir verfolgen die Entwicklungen wie ihr mit Interesse, aber vor allem auch mit Sorge, wenn die Anfangs so hochgelobten Jointventures von Autokonzernen mit Fahrradherstellern nun ebenfalls bröckeln. Allen vor voran war es Porsche, die massive in den Bereich E-Mobility investieren wollen. Mit einer Beteiligung von 10 % am Hersteller Greyp fing es an, im Frühjahr 23 kaufte der Sportwagenkonzern die gesamten Anteile - und jetzt: Zum Jahresende will Porsche die Marke Greyp einstampfen, wie verschiedene Quellen berichten - ganz im Gegensatz zu den Aussagen des Unternehmens auf der jüngsten IAA (weiter unten). Haben die Schwaben hier nur das Wissen abgefischt, um ihre eigenen Produkte zu verbessern und die Käufer dann auf die eigene Marke zu vereinen?! Feststeht: Der Service für die Greyp-Kunden läuft erstmal weiter. Aber auch der Standort von Greyp in Kroatien soll nicht geschlossen, sondern nach Medienberichten ausgebaut werden für die Produktion der Porsche E-Bike-Motoren. Eine offizielle Bestätigung von Porsche dazu gab es aber noch nicht.
Eine reine Insolvenz-Meldung kommt vom finnischen Antriebshersteller Revonte. Das Unternehmen hatte 2019 einen Mittelmotor mit stufenloser und automatischer Getriebeschaltung vorgestellt, der zwar schon auf der Eurobike präsentiert wurde und auch einige Mal verkauft. Doch der Antrieb war noch nicht ganz marktreif, daher musste für die Gen 2 des Antriebs weiterentwickelt werden und dafür Geld eingesammelt werden. Mit der Marktlage während der Corona-Pandemie konnten die Finnen aber nicht die benötigte Summe akquirieren - jetzt melden sie Insolvenz an. Nur ein kurzes Strohfeuer also?!
Auch die Meldung der Autowerkstattkette ATU fügt sich in die derzeitige Lage in der Fahrradbranche. Vergangenes Jahr hatte ATU eine Testwerkstatt für Bikes in München eröffnet und angekündigt, ein deutschlandweites Netz zu planen. Mitarbeitende wurde schon auf Onlineportalen gesucht. Jetzt kündigt ATU die Kehrtwende an: Ein Netz von Fahrradwerkstätten wird es nicht geben - die Münchner Pilotwerkstatt wird geschlossen. Ende.
Entgegen der aktuell unsicheren Marktlage in der Bike-Branche macht ein Unternehmen einen Schritt in diesen Markt. Das Wohnungsunternehmen Vonovia - einer der größten Vermieter in Deutschland - gründet das Start-Up Nearbyk und möchte darüber E-Bikes verkaufen, vermieten und den Service dazu anbieten. Laut Konzernangaben soll es zunächst in Bremen, Essen und Dresden Stationen geben, an denen ein Rad ab 49 Euro im Monat gemietet werden kann. Die Preise sollen demnach für alle Nutzerinnen und Nutzer gelten – für die eigenen Mieterinnen und Mieter will Vonovia Vorteilsangebote bei Zubehör bieten.
Laut der Berner Zeitung stehen jetzt viele Mitarbeiter beim Schweizer E-Bike-Hersteller Flyer möglicherweise vor der Entlassung. Es wird diskutiert, 80 von 300 Stellen zu streichen. In einer Mitteilung über die mögliche Massenentlassung betont Flyer die ernste Situation: Die Umsätze seien im letzten Jahr um fast 50 Prozent gesunken und die Nachfrage habe stark abgenommen.
Ist dieser Fall exemplarisch? Die Schweizer Handelszeitung merkt an, dass Flyer erst im Frühjahr 2021 ein drittes Produktionsband in Betrieb genommen hatte, um den Verkauf von rund 70.000 Fahrrädern pro Jahr auf bis zu 100.000 Stück zu steigern. Aber hat Flyer das Pandemie-Hochs und die damals stark steigende Nachfrage zu optimistisch gesehen und sich verkalkuliert?
Auch die KSR Group - zu der auch die Marke Malaguti gehört, die unter anderem auch E-Bikes produziert - meldet nun Insolvenz an. Wie Bike & Business meldet, habe das Unternehmen bis zu 123,3 Millionen Euro Schulden angehäuft. Zwar muss gesagt werden, dass KSR hauptsächlich im Motorrad-Business unterwegs ist. Aber auch dort lautet die Begründung: Die wirtschaftliche Situation in den Märkten habe sich drastisch verändert durch gestiegene Energiepreise, hohe Inflation und Kaufkraftverlust bei den Kunden. Weitere Belastungen seien demnach hohe Materialkosten, Wechselkursschwankungen und rückgängige Umsätze aufgrund einer stärker als erwarteten Kaufzurückhaltung der Konsumenten. Das alles wird sich sowohl bei Motorrädern als auch bei (E-)Bikes niederschlagen.
Auf der anderen Seite zeigte die gerade gelaufene IAA Mobility Messe, wie stark das Thema Fahrrad auch bei den Automobilkonzernen besprochen und beachtet wird. Beispielhaft erklärt der Geschäftsführer der Porsche E-Bike Performance GmbH, Dr. Jan Becker, dass es seit der Übernahme des E-Bike-Motorenherstellers Fazua und der E-Bikemarke Greyp “steil bergauf” gehe (Quelle: velobiz). Das Unternehmen habe im Mai in der Produktion das Volumen des letzten Jahres schon überschritten.
Bei Vanmoof ist der Autokonzern McLaren eingestiegen in Form der Tochtergesellschaft Lavoie. Sie soll neues Geld in den insolventen Betrieb bringen. Ist auch hier die Automobilbranche die Lösung? Fakt ist, dass vor allem E-Bikes immer komplexer werden. Das gilt nicht nur für den E-Antrieb selbst, sondern auch die ganze Peripherie, die Software, wie das Batteriemanagement, oder zunehmend - wie bei Bosch - auch Sicherheits-Technologien. Bei dieser Entwicklung der zunehmenden Komplexität der Systeme und der steigenden Nachfrage nach eben solchen elektronischen Fahrrädern werden wohl kleine, traditionelle Fahrradhersteller immer öfter nicht mehr schritthalten können. Das gelingt nur mit der finanziellen Kraft und Ausdauer eines (Auto-) Konzerns im Hintergrund.
Wohl um die Ausgaben zu reduzieren greifen die ersten - oben genannten, traditionellen - Hersteller zu Maßnahmen. So laufen gerade Meldungen auf, dass sich Ibis aus dem World Cup-Zirkus zurückzieht. Via Social Media lässt das Ibis Racing Team wissen, dass mit der laufenden Saison Schluss sei. Gründe oder weitere Statements gibt es keine - auch keine Angaben dazu, wie es für die Athleten weitergeht.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Wenig später gibt auch Devinci den gleichen Schritt bekannt: das Ende des Engagements bei seinem Team in der Enduro World Series. Gegenüber Pinkbike gaben die Kanadier folgendes Statement:
(...) After careful consideration, in alignment with our evolving vision, we have decided not to field a team for the Enduro World Cup in 2024. This decision was not taken lightly, and it reflects a shift in our focus towards different aspects of our brand and the mountain biking community. (...) — Devinci(...)
Übersetzt: (...) Nach sorgfältiger Überlegung und in Übereinstimmung mit unserer sich entwickelnden Vision haben wir uns entschieden, im Jahr 2024 kein Team für den Enduro World Cup aufzustellen. Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen und spiegelt eine Verschiebung unseres Fokus hin zu anderen Aspekten unserer Marke und der Mountainbike-Community wider. (...) — Devinci
Im vollständigen Text finden sich aber keine nähere Angabe von Gründen. Es scheint, dass auch hier zwei dieser kleinen Spezialisten die Reißleine ziehen und das teure Geschäft im Profisport beenden, um sich auf die Produktion und den Verkauf von Bikes zu konzentrieren.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
So vielfältig wie die Bikes und die Ausrichtung der einzelnen Hersteller, ist letztlich auch die Prognose der Fahrradindustrie für 2024. Das Branchenmedium SAZbike meldet etwa für den Pierer Konzern, zu dem Bikemarken wie Husqvarna, Gasgas und R Raymon gehören: Der Motorrad- und Fahrradkonzern steigerte im ersten Halbjahr 2023 den Konzernumsatz um 20,2 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 1.387,6 Millionen Euro (Vorjahr: 1.154,1 Millionen Euro), wobei auch der Fahrradbereich (+37 Prozent) zulegte. Pierer wird mit der Einschätzung zitiert:
Die angespannte Lagersituation bei den Fahrradhändlern führte vermehrt zu Rabatten, was sich negativ auf das Konzern-EBIT auswirkte. Der Fahrradmarkt ist insgesamt von großen Veränderungen geprägt. Die bereits begonnene und erwartete Konsolidierung wird tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Fahrradindustrie haben. – Pierer Mobility
Ein anderes Schwergewicht der Bike-Branche ist die Accell Group (u. a. Haibike, Winora, Ghost, Lapierre). Laut SAZbike sehen hier die Zahlen nicht ganz so rosig aus: “Dank des höheren Durchschnittspreises von E-Bikes stieg der Umsatz um 4,5 Prozent auf 1,44 Milliarden Euro. Lieferengpässe bremsten den Verkauf, so Accell. Der Nettogewinn sank um 62 Prozent auf nunmehr 27 Millionen Euro.”
Wenn man von Schwergewichten spricht, dann darf auch Shimano nicht fehlen. Dort sieht die Lage noch trüber aus: Die Nachfrage nach Fahrrädern sei schwach, was den Nettoumsatz in der ersten Hälfte des Jahres 2023 um über 13 Prozent drückte. Der Gewinn sank dadurch um über 33 Prozent. Und auch der Fahrwerksspezialist Fox Racing gibt für das Unternehmen laut SAZbike an, dass Umsatz und Gewinn in 2023 rückläufig sind.
Am Ende scheinen sich die Prognosen der Branchenkenner, die wir bereits im Frühjahr 2023 eingeholt hatten und die nun auch vom Pierer-Konzern unterstrichen werden, zu bestätigen. Zwar hat die Pandemie nun (erstmal) weniger Einfluss auf die Marktentwicklung, aber der Boom dieser Zeit ist wohl endgültig vorüber. Auf den Punkt brachte es im März 2023 Sebastian Tegtmeier von Bike Components:
(...) Bei den Komplett-Bikes bahnt sich (...) ein Überangebot an, das gerade bei günstigen Bikes zu einer echten Preisschlacht führen könnte. Und günstige Bikes drücken auch die Preise bei uns im Zubehörmarkt. Auf die ganze Branche kommt dann sicher eine turbulente Zeit zu. – Sebastian Tegtmeier, Bike Components