Egal ob bei Mountainbikes oder E-Mountainbikes: Moderne Geometrien werden immer extremer, Lenkwinkel immer flacher. Das bringt Vorteile auf steilen und schnellen Strecken, aber auch Nachteile beim Handling. Als Lösung stellte Syntace unter Chefentwickler Jo Klieber im letzten Jahr den Lenkassistenten K.I.S. (Keep it stable) vor.
Unser Test zeigte: Das System bringt gleich mehrere Vorteile. Zwar ist die Lenkung mit Rückstellkraft, die man so schon vom Auto kennt, am Bike erstmal ungewohnt. Gerade das verbesserte Handling bei geringen Geschwindigkeiten bergauf und die erhöhte Traktion und Kontrolle bergab gaben Klieber aber recht. Nun steht eine neue Iteration des K.I.S.-Systems kurz vor der Veröffentlichung.
EMTB: Vor einem Jahr habt Ihr den Lenkassistenten K.I.S. erstmals vorgestellt. Wie ist die Resonanz auf das System?
JO KLIEBER: Alle sehen die krassen Vorteile in der Funktion. Während ein Highend-Dämpfer ein Bike vielleicht 5 Prozent besser macht, macht es das K.I.S. 10 bis 20 Prozent besser.
In unseren Fahrtests spürten wir den Einfluss deutlich. Warum tut sich die Branche damit schwer?
Gerade weil K.I.S. so bahnbrechend ist, versuchen viele Hersteller, das System erst mal kleinzureden. Denn wenn so eine Idee nicht von dir ist und nicht frei verfügbar, dann ist das zu deinem wirtschaftlichen Nachteil.
Wann kommt der große Durchbruch?
Haltlose Lenkungen, das heißt Lenkungen ohne Rückstellkraft, werden sich in Zukunft nicht mehr verkaufen lassen. Das sehen wir an den anderen Fahr-, Schwimm- und Flugzeugklassen. Wir arbeiten gerade an einer zweiten nachrüstbaren Version von K.I.S., die den Durchbruch schon deutlich näher bringt.
Worum geht es dabei?
Dieses neue K.I.S. bietet drei entscheidende Vorteile: Es lässt sich stärker an deinen Fahrstil anpassen, mit einer sehr harmonischen Unterstützung. Es lässt sich an- und abschalten. Das ist wichtig, damit jeder im Vergleich die drastischen Unterschiede direkt wahrnehmen kann. Und das Wichtigste: Das neue K.I.S. wird für fast alle Bikes nachrüstbar sein.
Wie wird K.I.S. Deiner Meinung nach die Entwicklung des Mountainbikes weiter beeinflussen?
Wir merken jetzt schon, wie man die Geometrie viel freier denken kann. Ein Bike mit K.I.S. und extremem 60-Grad-Lenkwinkel fährt schöner als ein Bike ohne K.I.S. mit 64 Grad.
Wo siehst Du insgesamt beim (E-)Mountainbike noch Potenzial in der Entwicklung?
Mit dem Motor sind wir aus den Zwängen ausgebrochen, die wir uns durch die Tradition selbst auferlegt hatten. Aber wir lernen aktuell noch zu wenig von anderen Branchen. Zum Beispiel vom Motorrad, aber auch anderen.
Gibt es konkrete Punkte, die du vom Motorrad übernehmen würdest?
Zum Beispiel Thema Wetterschutz: Kein Motocrosser kommt ohne Schutzbleche. Ohne schaut es sogar blöd aus. So ähnlich ist es beim Licht. Durch den integrierten Akku könnte man da viel mehr und Besseres machen, als sich nur im Nachhinein irgendwelche Leuchten aus dem Zubehör anzustecken. Thema Motor und Software: Ich kann hier nicht zu viel ins Detail gehen, aber ich glaube, dass sich allein durch die Software ein Motor fürs E-Mountainbike bauen ließe, mit dem wir in viel schwierigeres Gelände vordringen könnten als jetzt. Und zwar nicht nur die Trial-Meister dieser Welt á la Danny MacAskill oder Tom Öhler, sondern jeder ganz normale Biker.
Wie kaum einer steht der Mann hinter Liteville und Syntace für die Verbindung aus Leichtbau und Haltbarkeit. Mit Liteville bewies Jo Klieber jahrelang, dass Alu-Bikes auch im Carbon-Zeitalter noch konkurrenzfähig leicht sein können. Seine Ermüdungs- und Crash-Tests für Rahmen und Komponenten setzten Maßstäbe. Heute teilt er sich die Markenanteile an Syntace und Liteville mit Geländemotorradspezialist Pierer, der mit 70 Prozent bei Liteville und Syntace eingestiegen ist. Der Konzern steht unter anderem hinter KTM Motorrad, GasGas und Husqvarna. Vorentwicklung sowie Patente und damit auch die Rechte am K.I.S. liegen aber weiter bei Erfinder Klieber in der Jo Klieber GmbH.