Es gab eine Ära, in der Fahrradlenker lediglich 600 Millimeter maßen und Vorbauten eine Länge von 120 Millimetern aufwiesen. Die Fahrer neigten sich stark über das Oberrohr, anstatt entspannt auf dem Bike zu sitzen. War das erstrebenswert? Manche Nostalgiker würden das wohl bejahen und in Erinnerungen an vergangene Tage schwelgen.
Heutzutage greifen selbst zierliche Biker zu breiten 800-Millimeter-Lenkstangen, wenn sie im Bikepark ballern. Die Anhänger dieser Entwicklung argumentieren, dass breitere Lenker mehr Kontrolle verleihen. Dabei übersehen viele, dass die Lenkerbreite idealerweise zur Schulterbreite passen sollte.
Interessanterweise experimentierte man bereits in den 90ern im Downhill-Racing mit breiteren Lenkern. Damals hielten die Fahrer das ungewöhnliche Setup jedoch für kaum fahrbar. Aktuell dreht sich die Debatte nicht um die Lenkerbreite oder die Vorbaulänge, sondern um den Rise – die Höhe der Lenkerenden. Wird sich dieser Trend langfristig behaupten oder handelt es sich nur um eine vorübergehende Modeerscheinung?
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Bei Lenkern gibt es vier Maße: die Länge, den Material-Durchmesser, den sogenannten Backsweep (also die Rückbiegung des Lenkers nach hinten) und den Rise (die Höhe der Lenkerenden, gemessen ab der Lenkermitte).
Anfangs wurde der Mann mit der langen, wilden Mähne und dem komisch nach oben gebogenen Lenker belächelt. Doch dann fuhr Dakotah Norton im Downhill-Worldcup nach vorne und beeindruckte die Szene mit seinem Speed-Rausch. Alle staunten und wollten wissen: Was macht den Amerikaner so verdammt schnell? Doch nicht etwa sein übertrieben hohes Cockpit? Unter Lenkern mit viel Rise verstand man bisher Modelle mit 50 Millimetern. Inzwischen fährt Dakotah Modelle mit einem extremen Rise von 75 Millimetern. Dakotah soll aus verschiedenen Gründen mit hohen Cockpits experimentiert haben.
Zum einen wollte er trotz seiner überdurchschnittlich kurzen Arme einen langen Hauptrahmen fahren. Ein Highrise-Lenker erhöht die Front nicht nur, sondern verkürzt auch den Reach. Zudem kann er die Gabel weicher fahren, weil er das harte Eintauchen der Gabel durch die zusätzliche Höhe kompensieren kann. Nachteile sieht er in flachen Passagen, z.B. bei Sprints. Hier hemmt die hohe Front. Die Frage bleibt: Inwiefern können wir Hobby-Biker davon profitieren? Kinematik-Experte Peter Denk meint, dass auch der Normalo-Biker profitieren könnte, vor allem in steilem, technischem Gelände. Er spricht allerdings von Lenkern mit einem Rise von 50 Millimetern. Extremere Modelle will Denk erst noch ausprobieren. Seine Theorie für die Mode: Damals funktionierten die hohen Lenker wegen der gedrungenen Rahmengeometrien nicht. Heute sind die Bikes lang und könnten damit eher kompatibel für extrem hohe Cockpits.
Wir schraubten unseren Extrem-Lenker (80 mm Rise, 760 mm breite) an den Downhiller GT Fury und fuhren auf der Jumpstrecke und auf der Worldcup-Strecke in Leogang. Erster Eindruck: Komisch. Der Lenker verkürzt die Geometrie und bringt den Fahrer zu Beginn in eine ungewohnte Position. Das macht sich vor allem bei Sprüngen bemerkbar. Alle drei Tester berichten: „Ich lande hecklastig“. In Kurven und auf Anliegern spüren zwei der drei Tester Vorteile in Form von mehr Komfort. Den Trumpf spielt die hohe Front bei Stufen und steilem Terrain aus. Zum Beispiel in der unteren Passage der Worldcup-Strecke in Leogang. Hier waren sich alle einig über das Plus an Kontrolle. Kurzum: Einer von drei Testern will weiterhin mit diesen Extrem-Lenkern fahren, nicht nur auf dem Downhiller.
Ich fahre einen Highrise-Lenker auf meinem AllMountain und bin überzeugt: 1. Der Schwerpunkt auf dem Bike ist ausgewogener. 2. Viel weniger Armpump 3. Mehr Fahrspaß 4. Mehr Bewegungsfreiraum. Im Uphill steigt die Front allerdings deutlich schneller. - Max Fuchs, BIKE-Tester
Es ist wie so oft: Gewöhnung. Bei der ersten Fahrt dachte ich mir: „So ein Quatsch“. Nach der 2. Abfahrt: „Geht schon“ und während der dritten Abfahrt freute ich mich immer mehr über die Vorteile, z.B. in steilem Terrain. Hier ermüden die Arme deutlich langsamer. - Dimitri Lehner, BIKE-Tester
Beim Praxis-Versuch braucht es etwas, um eine zentrale Position auf dem Bike zu finden. Mein Fazit: In steilem Terrain super, sonst überflüssig. Ich hab gerne viel Druck auf dem Vorderrad, Highrise-Lenker hemmen hier. Ach ja, die Optik gefällt mir nicht. - Laurin Lehner, BIKE-Tester
Immer mehr Hersteller springen auf den Zug auf und bringen Lenker mit extremem Rise auf den Markt. Kürzlich hat die britische Marke Renthal neue Modelle mit bis zu 70 Millimetern Rise vorgestellt. Wir wissen, dass ein weiterer bekannter Komponentenhersteller in Kürze Highrise-Lenker anbieten wird.