Flex-Serie - Komfort fürs MTBVibrations-Alarm - 5 Teile gegen Armpump & müde Hände im Test

Jan Timmermann

 · 24.01.2024

Schmerzende Hände und Unterarme gehörten auch in unserem Test der Komfort-Produkte fürs Cockpit mit dazu.
Foto: Georg Grieshaber
Mountainbiken ist Ganzkörpersport. In rauem Gelände müssen Hände und Arme eine Menge Vibrationen abfangen. Das mögliche Ergebnis: taube und schmerzende Gliedmaßen. Mit dem richtigen Cockpit können Biker auf dem Trail aber länger durchhalten. In unserer Flex-Serie für mehr Komfort am MTB haben wir Vorbauten, Lenker und Griffe getestet, die Armpump reduzieren sollen.

Schmerzende Hände und Arme kennt jeder Biker. Vor allem Finger und Unterarme ermüden schnell unter den starken Belastungen in ruppigem Terrain. Nach einer langen Abfahrt fällt es dann manchmal schwer, noch richtig zuzugreifen. Das Syndrom wird Armpump genannt. Bei zu hoher Dauerbelastung drückt die stark angeschwollene Muskulatur gegen die sie umgebenden Faszien. Hat der Muskel keine Zeit zu erholen, kann es zu Schmerzen oder Gefühlsstörungen kommen und in den schlimmsten Fällen sogar eine chronische Muskelschädigung nach sich ziehen.

Betroffen sind aber nicht nur die Extrem-Abfahrer, sondern auch Touren-Biker. Permanente Vibrationen können auf einer MTB-Tour dazu führen, dass die Hände taub werden und die Arme frühzeitig ermüden. In einer Welt, indem die fortschreitende Mountainbike-Technik es immer mehr Menschen erlaubt, immer längere und extremere Strecken zu fahren, ist Armpump eine regelrechte Volkskrankheit. Wenn es nach den Marketing-Slogans der Hersteller von Vorbauten, Lenkern und Griffen geht, lässt sich frühzeitige Ermüdung und Armpump aber mit der richtigen Hardware bekämpfen. Wir haben fünf Komfort-Produkte fürs sportliche Biken ausprobiert.

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Ruppige Trails können Biker durchschütteln, wie ein Presslufthammer. Können spezielle Vorbauten, Lenker und Griffe die ermüdenden Vibrationen abmildern?Foto: Tim Möller-KayaRuppige Trails können Biker durchschütteln, wie ein Presslufthammer. Können spezielle Vorbauten, Lenker und Griffe die ermüdenden Vibrationen abmildern?

Vorbauten, Lenker und Griffe für mehr Komfort

Folgende Cockpit-Teile haben wir in Labor und Praxis getestet:

Im Kampf gegen ermüdende Vibrationen und Erschütterungen verfolgen diese Teile jeweils sehr unterschiedliche Strategien. Redshift und Vecnum setzen auf gefederte Vorbauten. Dieser Ansatz ist alles andere als neu und erlebte in den bunten 90ern eine kurze Blütezeit. Durch die Verbreitung von Gravelbikes lebte die Idee nun wieder auf.

Anders als der Redshift Shockstop ist der Vecnum Freequence Vorbau nur für die Verwendung mit einer Starrgabel freigegeben, was die Relevanz für die Mountainbike-Szene natürlich limitiert. Trotzdem sind ungefederte Hardtails nach wie vor geniale Trainingsgeräte und haben eine treue Anhängerschar.

Beide gefederten Vorbauten sind mit knapp 300 Euro ziemlich teuer, beide setzen auf die dämpfende Wirkung von Elastomeren. Während Redshift ein einzelnes Gelenk und ein bis zwei Elastomere verbaut, sind es bei Vecnum jeweils vier Gelenke und Elastomere. Das beeinflusst die Funktion mit MTB-Lenkern gehörig. Während der Vecnum unabhängig von der Lenkerform sehr sensibel anspricht, federt der Redshift eher straff und lässt seine Funktion vom Lenker beeinflussen. Die Federhärte lässt sich beim demontierten Redshift in vier Stufen verstellen. Bei Vecnum ist eine stufenlose Einstellung auf dem Trail möglich.

Der One Up Carbonbar schickt sich an, Komfort mit Steifigkeit zu vereinen. Das gelingt ihm auch - ob er damit jedoch besser ist, als andere Carbonlenker bleibt offen.Foto: One UpDer One Up Carbonbar schickt sich an, Komfort mit Steifigkeit zu vereinen. Das gelingt ihm auch - ob er damit jedoch besser ist, als andere Carbonlenker bleibt offen.

Der One Up Carbonlenker will trotz 35-Millimeter-Klemmung denselben Komfort liefern wie ein Lenker im 31,8er-Standard. Insgesamt konnte uns der One Up Lenker mit seinen sehr guten Fahreigenschaften überzeugen. Handling und Dämpfung sind auf einem hohen Niveau. Ein Wechsel auf den immerhin knapp 190 Euro teuren Kohlenstoff-Lenker lohnt sich aber nur, wenn es unbedingt ein 35er-Lenker sein soll und der bisherige Lenker zu steif war. Ansonsten sind die Vorteile gegenüber anderen Cockpit-Setups zu klein.

Ähnlich sieht es beim Spank Spike Vibrocore aus. Dessen Vibrationsverhalten will Spank durch einen Kern aus Schaum manipuliert haben. dadurch soll der Lenker eine Eigenschwingung in einem höheren Frequenzbereich besitzen und Vibrationen weniger verstärken als andere Lenker. Im Test konnten wir dem recht schweren Spike Vibrocore einen guten Komfort und ein präzises Lenkverhalten gleichermaßen attestieren. Auch hier gilt: Der vibrationsdämpfende Lenker von Spank ist ein sehr gutes Teil, aber auch die Vorteile des Vibrocore-Systems konnten wir im Vergleich mit anderen Lenkern nur ansatzweise erspüren.

Der Spank Spike Vibrocore Lenker geht mit einem vibrationsdämpfenden Schaumkern eigene Wege. Labor- und Praxistest attestierten ihm einen hohen Komfort, die Vorteile von Vibrocore ließen sich jedoch nicht eindeutig bestätigen.Foto: SpankDer Spank Spike Vibrocore Lenker geht mit einem vibrationsdämpfenden Schaumkern eigene Wege. Labor- und Praxistest attestierten ihm einen hohen Komfort, die Vorteile von Vibrocore ließen sich jedoch nicht eindeutig bestätigen.

Einen einzigartigen Ansatz im Kampf gegen Armpump wählt das amerikanische Unternehmen Revolution Suspension Grips, oder auch Revgrips. Durch eine Elastomer-Aufhängung rotieren die Griffe in einem kleinen Maß um den Lenker herum. So sollen die Hände mit den Griffen arbeiten, statt gegen sie, und dadurch länger durchhalten. Unser Test ergab einen eindeutigen Komfort-Vorteil, wobei dieser auch auf die sehr guten Dämpfungseigenschaften des Griffgummis selbst zurückzuführen ist. Neben dem hohen Preis von 99 Euro für ein Verschleißteil milderten Probleme mit der Haltbarkeit der Griffe unsere Euphorie.

Wer hätte es gedacht? Rotierende Griffe bringen tatsächlich ein Komfort-Plus. Im Test führten zu schwache Gewinde in den Klemmringen jedoch zu frühen Defekten an den teuren Revgrips.Foto: RevgripsWer hätte es gedacht? Rotierende Griffe bringen tatsächlich ein Komfort-Plus. Im Test führten zu schwache Gewinde in den Klemmringen jedoch zu frühen Defekten an den teuren Revgrips.

Komfort-Teile: Hohe Preise, schwache Effekte

Unsere Testreihe zeigte deutlich, dass die Vorteile der Komfort-Produkte nur schwer pauschal zu bestimmen sind. Trotzdem beschäftigt das Thema jeden Mountainbiker. Hier gibt es also viel Spielraum für Marketing-Sprüche. In der Praxis offenbarten die Vorbauten, Lenker und Griffe mit der Extraportion Komfort ihre Daseinsberechtigung meist erst nach vielen Testkilometern.

Insgesamt waren wir elf Stunden Fahrzeit auf den fünf Produkten unterwegs. Darunter kurze Runden, bei denen wir zwischen den Teilen und Vergleichsprodukten ohne Komfort-Versprechen hin- und her-wechselten aber auch lange Ausfahrten. Gerade letztere brachten die Vorzüge der Teile zum Vorschein. Über lange Sicht gesehen besitzen sie alle das Potenzial, den Komfort am MTB-Cockpit zu erhöhen. Teilweise ist der Vorteil jedoch nur klein.

Es macht also einen gewaltigen Unterschied, von welchem Setup man selbst kommt, und wie sensibel der eigene Körper für Armpump ist. Wer sich sein Bike selbst aufbaut, kann natürlich von Anfang an zu den Flex-Produkten greifen. Ein Wechsel macht aus unserer Sicht aufgrund der hohen Preise oft wenig Sinn.

In Sachen Komfortgewinn hatte der Vecnum Freequence den größten Effekt in unserem Test. Leider ist der gefederte Vorbau nur für Bikes mit Starrgabel freigegeben.Foto: VecnumIn Sachen Komfortgewinn hatte der Vecnum Freequence den größten Effekt in unserem Test. Leider ist der gefederte Vorbau nur für Bikes mit Starrgabel freigegeben.

Wie sinnvoll sind Flex-Produkte fürs Cockpit wirklich?

Komfort ist stets das Ergebnis einer Verkettung. Schläge und Vibrationen erreichen den Fahrer über das System aus Reifen, Laufrad, Gabel, Rahmen, Vorbau, Lenker und Griffe. Ein einzelnes Bauteil auf dessen Komfort-Eigenschaften hin zu betrachten, ist deshalb nur teilweise sinnvoll.

Beispielsweise zeigten die vielen Vergleiche während unseres Tests, dass ein bestimmtes Level an Komfort über viele verschiedene Teile-Kombinationen erreicht werden kann. Es gibt unzählige Vorbauten, Lenker und Griffe auf dem Markt. Sie alle haben unterschiedliche Steifigkeitswerte und Dämpfungseigenschaften. Keines der von uns getesteten Teile allein bringt ausreichend Komfort, wenn der Rest des Bikes unkomfortabel ist.

Fun-Fact: Nach der Testwoche hatte unser Redakteur mehrere Tage schmerzende Handgelenke und Unterarme. Gegen viele Trail-Kilometer - teilweise auf ungefederten Hardtails mit Starrgabel - haben also auch die besten Komfort-Produkte keine Chance.

Die Vorteile des <a href="https://tnkdbf.tradeinn.com/ts/i5534689/tsc?typ=r&amc=con.blbn.497955.507800.14119779&smc=BIKE&rmd=3&trg=https%3A%2F%2Fwww.tradeinn.com%2Fbikeinn%2Fde%2Fredshift-sports-shockstop-pro-stengel%2F140359241%2Fp" target="_blank" rel="noopener noreferrer nofollow">Redshift Shockstop Pro</a>* waren vor allem auf Touren von mindestens einer Stunde Länge zu spüren. Optisch fällt das Gelenk im gefederten Vorbau kaum auf.Foto: RedshiftDie Vorteile des Redshift Shockstop Pro* waren vor allem auf Touren von mindestens einer Stunde Länge zu spüren. Optisch fällt das Gelenk im gefederten Vorbau kaum auf.

Besonders die Dämpfungseigenschaften anderer Bauteile stellen die Bedeutung spezieller Komfort-Produkte fürs Cockpit in Frage. So spielt der Reifendruck eine wesentlich entscheidendere Rolle, als es ein flexender Lenker jemals tun wird. Im Gelände kann der Wechsel auf ein Tubeless-Setup mit geringem Luftdruck also deutlich effektiver und günstiger sein, als der Kauf eines speziellen Komfort-Produkts.

Auch bei den Griffen bietet sich viel Potenzial. Weiche Modelle mit dämpfenden Lamellen können deutlich mehr Komfort generieren, als die meisten Biker wahrscheinlich denken. Erst, wenn andere Teile des Bikes optimiert sind, macht der Kauf von Flex-Parts fürs Cockpit also Sinn. Dazu ist Armpump stark abhängig vom generellen Bike-Setup. Ist das Fahrwerk falsch eingestellt oder die Stimmt die Position der Bremsgriffe nicht optimal, helfen auch die besten Komfort-Produkte nichts.

Zusammenfassen lässt sich festhalten, dass alle getesteten Teile ihre Funktion erfüllen, jedoch nicht der erste Anlaufpunkt im Kampf gegen schmerzende Arme und Hände beim Mountainbiken sein müssen. Gegen die vorschnelle Ermüdung der Hand- und Unterarmmuskulatur hilft auch schlicht das entsprechende Training. Außerdem gibt es noch weitere Ursachen für schmerzende Hände beim Radfahren.

Mountainbiker müssen am Cockpit mit vielen Belastungen klarkommen. Unser Test zeigt: Spezielle Komfort-Produkte können dabei helfen, vollbringen aber keine Wunder.Foto: Max FuchsMountainbiker müssen am Cockpit mit vielen Belastungen klarkommen. Unser Test zeigt: Spezielle Komfort-Produkte können dabei helfen, vollbringen aber keine Wunder.

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