Adrian Kaether
· 18.02.2022
Ein Antriebsriemen könnte eine haltbare Alternative zum Kettenantrieb am E-MTB sein. Wir klären Vor- und Nachteile und zeigen, wie der Riemenantrieb am E-Mountainbike-Fully funktioniert.
Höchstleistung auf Knopfdruck: E-MTBs bezwingen extreme Uphills und ebnen auch steile Berge ein. Die Kehrseite von viel Leistung und noch mehr Drehmoment: Normale Kettenantriebe verschleißen im Handumdrehen.
Das Nicolai E-MTB mit Riemenantrieb und Rohloff-Schaltung im Video-Check.
Erfahrungsberichten zufolge kann schon nach 500 Kilometern der gesamte Antriebsstrang von Kettenblatt über Kassette und Kette verschlissen sein, wenn der Antrieb unter fiesen Bedingungen und hoher Last läuft. Der Wartungsaufwand explodiert, die laufenden Kosten ebenfalls.
Der Riemenantrieb könnte eine Lösung für das Verschleißproblem sein. Bislang an E-MTBs eher unüblich soll er mit geringem Wartungsaufwand und hoher Langlebigkeit punkten. Größter Vorteil: Der Riemen kommt ohne Schmierung aus und zieht so weniger Schmutz an.
Außerdem längt sich der Riemen auch bei Verschleiß nicht. Lediglich die Zähne werden abgenutzt, irgendwann kann der Riemen auch reißen. Die Haltbarkeit soll jedoch rund dreimal so hoch sein wie bei einem Kettenantrieb.
Der Nachteil: Der Riemenantrieb in Kombination mit einem Mittelmotor funktioniert nur mit einer Getriebenabe im Hinterrad. Die wiederum ist zwar ebenfalls sehr haltbar, aber schwer, teuer und schaltet nicht unter Last. Viele Hersteller sind daher bislang skeptisch, ob der Riemenantrieb überhaupt für den Einsatz am E-MTB geeignet ist.
Wie fährt sich ein E-MTB mit Riemenantrieb? Lassen sich trotz Zugunterbrechung beim Schalten auch steile Anstiege erklettern? Wie gut bewähren sich Riemen und Getriebenabe im Geländeeinsatz? Und können sie eine echte Alternative zum Kettenantrieb sein? Wir konnten Riemen- und Kettenantrieb im direkten Vergleich fahren.
Gerade E-MTBs könnten eine neue Chance für die Getriebenabe sein. Denn dank der Motorpower klassischer E-MTBs könnte das Problem der nötigen Zugkraftunterbrechung beim Schalten etwas in den Hintergrund rücken. Speziell dann, wenn Nabe und Motor wie bei Rohloffs elektronischer E14 miteinander kommunizieren. Konkret soll hier der gesamte Schaltvorgang in nur 180 Millisekunden abgeschlossen sein.
Erhält die Nabe vom Schalthebel den Schaltbefehl, kommuniziert sie diesen auch an den Motor. Im Totpunkt der Kurbel, wenn ohnehin vom Fahrer keine Kraft in den Antrieb eingebracht wird, nimmt der Motor dann für einen Sekundenbruchteil die Last aus dem Antrieb und nächste Gang sitzt. Funktioniert das auch in der Praxis, müsste man nicht mehr wie von der mechanischen Rohloff gewohnt aktiv die Last vom Pedal nehmen, sondern könnte fast ohne Schaltunterbrechung durchpedalieren.
Noch besser steht es auf dem Papier um den Antriebsriemen selbst. Da er keine Schmierung benötigt, ist er prädestiniert für den Einsatz im Gelände. Die Wartung beschränkt sich auf die gelegentliche Reinigung der Antriebskomponenten mit Schlauch und Bürste.
Dank einer Führungsrille können moderne Riemen kaum noch von den Riemenscheiben rutschen. Eine Art Umlenkrolle – der Riemenspanner – gleicht die Längung des Hinterbaus beim Einfedern aus und macht den Riemen Fully-tauglich. Eine zusätzliche kleine Führungsrolle verhindert, dass der Riemen von der hinteren Riemenscheibe fällt.
Und bei Defekten, wie lässt sich das Hinterrad mit Riemenantrieb ausbauen? Der schnellen Wartung zwischendurch steht der Riemeneinsatz ebenfalls nicht im Weg. Ist der Riemenspanner arretiert, lässt sich der Riemen einfach von den Riemenscheiben heben und das Hinterrad kann ausgebaut werden – etwa um einen Platten zu flicken.
Sollte der Riemen unterwegs reißen, lässt er sich zwar nicht wieder flicken, doch ein Multitool und etwas Schraubergeschick reichen bei vielen Bikes aus, um sogar auf dem Trail in gut zehn Minuten einen neuen Riemen einzubauen. Dass der Riemen beim Transport nicht geknickt werden darf, ist dabei die größte Schwierigkeit.
Leider hat die vermeintliche Sorglos-Technik aktuell noch ihren Preis. Vollgefederte E-MTBs mit Antriebsriemen gibt es bislang nur von wenigen Marken wie Nicolai, Mitech oder Riese & Müller. Passt die Performance jedoch auch auf dem Trail, wären günstigere Modelle von mehr Herstellern wünschenswert.
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