Ludwig Döhl
· 24.02.2023
Wer seine MTB-Federgabel nicht zerlegen oder zum Service schicken will, kann mit einfachen Kniffen das Ansprechverhalten der Gabel kurzfristig verbessern.
Viele Hersteller geben lächerlich kurze Service-Intervalle für ihre Federelemente vor. So manche Federgabel am Mountainbike sollte, laut Hersteller, alle 50 Stunden runderneuert werden. Ist das wirklich nötig? Fakt ist: Federgabeln funktionieren nach den ersten 50 Betriebsstunden tatsächlich schlechter als im Neuzustand.
Beim Bremsen oder Lenken wirken auf die MTB-Gabel hohe Kräfte, dabei verwindet sie sich. Damit eine Federgabel dann trotzdem noch federn kann, muss die Passung zwischen Buchsen und Gleitflächen an den Standrohren relativ locker sein. Auch die Staubabstreifer liegen nur leicht an den Gleitflächen der Standrohre an. Somit wird die Gabel auch nur mäßig abgedichtet. Dadurch gelangen Staub und Schmutz von außen leicht in das Innere des Gabel-Castings. Anders herum kann auch Schmieröl über die Staubabstreifer aus dem Gabelinneren austreten. So oder so: Die Funktion der Gabel nimmt von Fahrt zu Fahrt ab.
Ein Service der kompletten Gabel ist deshalb aber noch nicht gleich nötig. Denn die modernen Dämpfungskartuschen haben kaum mehr Abrieb und damit auch nur einen sehr geringen Verschleiß. Außerdem ist der Ölkreislauf der Dämpfungskartusche vom zunehmend verschmutzten Schmieröl im Casting komplett getrennt. Das Dämpfungsöl hält also deutlich länger als das Schmieröl.
Die Praxis hat gezeigt: Eine Gabel alle 50 Betriebsstunden einem großen Service zu unterziehen, wäre übertrieben. Wer dagegen das Schmieröl regelmäßig erneuert, kann sich länger über eine geschmeidig ansprechende Federgabel freuen. Der sogenannte kleine Gabel-Service dauert für geübte Schrauber nur etwa 20 Minuten und lässt sich ohne Spezialwerkzeuge durchführen.
Wer seine Gabel nicht zerlegen oder zum Service schicken will, kann mit diesen einfachen Kniffen das Ansprechverhalten seiner MTB-Federgabel kurzfristig verbessern. Auf lange Sicht kommt man aber an einem vernünftigen Service nicht vorbei.
Wer die Gabel nicht öffnen will, kann auch von außen geringfügig Schmieröl nachfüllen. Aber Vorsicht: Die Beschichtung der Gleitflächen darf nicht verkratzen. Dazu das spitze Ende eines Kabelbinders so weit wie möglich (ca. 2 cm) zwischen den Staubabstreifer und das Standrohr schieben und dann zur Seite drücken. Es entsteht ein kleiner Spalt. In diesen Spalt tröpfeln Sie mit einer Spritze etwas Gabelöl. Problem: Der Schmutz bleibt so in der Gabel.
Wenn ein Bike lange steht, lagert sich das Schmieröl am Boden des Castings ab. Stellt man das Rad über Nacht auf den Kopf, läuft das Schmieröl in der Gabel zu den Staubabstreifern und tränkt die dort liegenden Schaumstoffringe. Befindet sich noch genügend Schmieröl in der Gabel, verbessert sich dadurch kurzfristig das Ansprechverhalten. Jedoch bleibt auch hier der Dreck in der Gabel.
Den kleinen Service für den Dämpfer an ihrem Mountainbike können Sie sich sparen. Weil sich der Dämpfer im Heck deutlich weniger verwindet als die Gabel, kann er ab Werk besser abgedichtet werden, ohne dass darunter seine Funktion leidet. Wer schon einmal die Luftkammer seines Dämpfers geöffnet hat, wird darin vermutlich keinen Schmutz vom Trail gefunden haben. Wir empfehlen daher, den Dämpfer gemeinsam mit der Gabel einmal im Jahr zum großen Service in eine professionelle Werkstatt zu geben. Dort werden das Dämpfungsöl und alle dazugehörigen Dichtungen erneuert.
Wenn trotz regelmäßiger Pflege und optimaler Einstellung der Dämpfer am MTB-Fully den vollen Federweg nicht nutzt oder ständig durchschlägt, kann man die Federkennlinie mit Volumen-Spacern anpassen. Wir zeigen hier, wie das geht: MTB-Dämpfer mit Volumen-Spacern tunen (How-to-Anleitung mit Video).
Den kleinen Service an der MTB-Federgabel schaffen Hobby-Schrauber mit etwas Übung selbst. Wie oft das nötig ist, hängt von der Fahrleistung ab. Um den großen Service kommt man dadurch aber nicht herum. Wie man erkennt, ob Gabel und Dämpfer überholt werden müssen, und was dabei passiert, erklären die Experten hier.
BIKE: Beim kleinen Gabel-Service tauscht man lediglich das Schmieröl der Gabel aus. Was passiert beim großen Service?
Carsten Wollenhaupt: Da werden zusätzlich alle Dichtungen in der Lufteinheit ersetzt und neu geschmiert. Das Öl in der abgeschlossenen Dämpfungskartusche und der Dichtungskopf der Dämpfung werden ausgetauscht. Außerdem werden, wie beim kleinen Service, das Schmieröl, die Staubdichtungen und die Schaumstoffringe gewechselt. Wir reinigen die Standrohre und befreien sie von alten Fettresten.
Könnte man den großen Service an Gabel und Dämpfer auch zu Hause in der eigenen Werkstatt durchführen?
Die Werkzeuge und Ersatzteile sind frei erhältlich. Man sollte aber schon wissen, was man tut. Beim Dämpfer braucht man außerdem Stickstoff für einen großen Service. Den hat man normal nicht zu Hause. Kurz: Der große Service kann in beiden Fällen selbst vorgenommen werden. Wer das noch nie gemacht hat, dem empfehle ich trotzdem, ein Servicecenter aufzusuchen.
Wie merkt man, dass ein Mountainbike-Fahrwerk in die Werkstatt muss?
Luftverlust, schlechtes Ansprechverhalten (kleiner Service) oder „Schlürf“-Geräusche beim Federn sind sichere Anzeichen dafür, dass sich ein Service lohnt.
Verliere ich die Garantie, wenn ich den kleinen Service an der MTB-Federgabel selbst durchführe?
Nein. Wenn der Service fachgerecht von einem selbst oder von einer Werkstatt durchgeführt wird, bleibt die Herstellergarantie erhalten.
Bei Motorradfahrern ist regelmäßiger Service eine Selbstverständlichkeit. Unter Bikern ist das komischerweise anders. Dabei verschleißen hier Dichtungen und Öl genauso. Es sprechen gleich zwei Gründe für einen Service alle 125 Stunden oder jährlich: 1. Er garantiert die maximale Performance und mehr Spaß auf dem Trail. 2. Die Werterhaltung der Federelemente.
Mein Tipp: Gabel und Dämpfer regelmäßig reinigen. Achtung beim Waschen - mit wenig Druck und nie auf die Dichtungen halten. Danach mit einem Tuch die Abstreifringe und Standrohre trockenreiben. Ein paar Tropfen Gabelöl drauf – aber ohne Zusätze wie Teflon etc. Auf den großen Service würde ich dennoch nicht verzichten. Vielfahrer jährlich, sonst alle zwei Jahre.
Die Herstellerangaben scheinen mir übertrieben. Wie soll ich die Arbeitsstunden der Federelemente zählen? Per Fahrtenbuch? Viel ausschlaggebender sind die Bedingungen. Staub und Matsch strapazieren Buchsen und Dichtungen am meisten. Ich mache nach jeder Saison den kleinen Federgabel-Service selbst. Damit fahre ich gut. Alle drei Jahre schicke ich Gabel und Dämpfer ein.
Anbieter | Preis großer Gabel-Service/Dämpfer-Service (Stand: Februar 2023)
Anyrace | ab 145/129 Euro
Dämpferklinik | ab 110/100 Euro
Flat Out Suspension | ab 115/125 Euro
Flowfactory | ab jeweils 129 Euro
Fox Servicecenter | 144/122 Euro
Klausmann Suspension-Service | ab 135/129 Euro
MRC Trading | ab jeweils 129 Euro
Rockshox Servicecenter | jeweils ca. 140 Euro | Nur über Fachhändler oder Bike-Hersteller erreichbar
Rockshox Service | ab jeweils 125 Euro | über den Vertrieb Sport Import
Suspensioncenter | ab jeweils 109 Euro
88+ (nur Cannondale Lefty) | ab jeweils 119 Euro