Dieser Artikel wurde erstmals im Juni 2024 veröffentlicht und im März 2025 mit neuen Informationen aktualisiert.
In der Vergangenheit standen die Bremsen von Magura trotz guter Performance und manchem Testsieg immer wieder in der Kritik. Besonders Probleme mit Undichtigkeit, langwierigen Einbremsprozessen und instabilen Armaturen sorgten immer wieder für Frust. Mit der Gustav Pro will Magura den Trend umkehren und eine neue Ära von Bremspower, Benutzerfreundlichkeit und Zuverlässigkeit einleiten.
Als neue Heavy-Duty-Bremse ersetzt die Gustav Pro die bisherige MT-Linie nicht, sondern soll als Top-Bremse eine neue Produktfamilie aufmachen. In Zukunft sind also auch günstigere Bremsen mit einem ähnlichen Ansatz denkbar. Die Gustav Pro knüpft dabei an die legendäre Gustav M Bremse aus den 90ern an und schmückt sich wie damals mit dem Vornamen des Firmengründers Gustav Magenwirth.
Allerdings: Wer jetzt einen schwimmend gelagerten Sattel oder die knallige Optik in Textmarker-Farbe erwartet, den müssen wir leider enttäuschen. Der Sattel ist konventionell montiert, bunte Akzente gibt’s höchstens in Form farbiger Ringe an den Außenseiten der Kolben.
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Technisch gesehen ist die neue Magura-Bremse dafür umso interessanter. Wie die neue Heavy-Duty-Bremse Maven von Sram wirft auch die Magura zur Steigerung der Performance von allem etwas mehr in die Waagschale. Die Schwaben gehen dabei besonders konsequent vor. Der Bremssattel wurde gegenüber den bekannten MT-Bremsen ebenso deutlich vergrößert wie die vier Bremskolben. Die Ölmenge liegt mit sieben gegenüber vier Millilitern fast doppelt so hoch wie etwa bei den bisherigen Vierkolben-Bremsen. Dickere Beläge und die neue MDR-S Scheibe mit 2,5-Millimetern Stärke bringen mehr Material, auch an den Verschleißteilen.
In Kombination mit der robusten Zange sollte das für massig Power und Standfestigkeit sorgen. Hebel und Sattel wiegen zusammen circa 350 Gramm – 70 Gramm mehr als bei der bekannten MT7 und fast aufs Gramm gleich viel wie die Maven von Sram. Die neue MDR-S Bremsscheibe schlägt wegen der größeren Dicke von 2,5 Millimetern mit 266 Gramm zu Buche. Damit ist sie etwa so schwer wie eine der bekannten MDR-P-Scheiben mit 220 Millimetern Durchmesser. Übrigens: Wer sich fürs Nachrüsten interessiert, kann die bekannten zwei-Millimeter-Scheiben (z. b. Storm, MDR-P) auch mit der Gustav Pro kombinieren. Eine neue MDR-S-Scheibe mit 220 Millimetern wird es mit Verweis auf die ohnehin hohe Leistung und Standfestigkeit der Gustav Pro vorerst nicht geben.
Neben der reinen Leistung ist auch in die Benutzerfreundlichkeit der Gustav Pro viel Hirnschmalz geflossen. Über ein neues Schnellverschlusssystem lassen sich Geber und Leitung leicht trennen und wieder verbinden, ohne dass hinterher entlüftet werden muss. Dazu entfernt man einfach werkzeuglos die zwei Abdeckplatten vom Bremshebel und entnimmt die Sicherungsklammer. Dann lassen sich Hebel und Leitung trennen, beispielsweise um zur Montage die Leitung leichter durch den Rahmen fädeln zu können.
Die magnetisch eingeclipten Beläge lassen sich wie gehabt unkompliziert nach dem Entfernen des Sicherungsstifts nach oben entnehmen. Durch die hohe Ölmenge im System soll die Magura mit besonders wenig Öldruck arbeiten. So sollen die Kolben besonders leichtgängig laufen. Hat man die Kolben mal absichtlich oder versehentlich ohne Scheibe weit herausgehebelt, lassen sie sich einfach mit leichtem Druck von außen auf die Beläge wieder in Ausgangsposition bringen. Wer doch mal entlüften muss, freut sich über eine simpel bedienbare Entlüftungsschraube, die durch eine halbe Drehung mit einem Maulschlüssel geöffnet und wieder geschlossen werden kann.
Neben der konventionellen Variante wird es die Gustav Pro übrigens auch in Kombination mit dem Bosch E-Bike ABS geben. Das Innenleben des Gustav-Hebels besteht weiterhin aus Maguras hauseigenem Carbotecture Spritzguss-Material. Mit einer Schelle aus Aluminium reagieren die Ingenieure von der Alb aber auf die Kritik an ausreißenden Gewinden im Carbotecture-Körper bei der MT-Linie. Bei der neuen Armatur wird jetzt Alu in Alu geschraubt, mit einem geänderten Mechanismus muss außerdem bei der Montage nur noch eine statt zwei Schrauben angezogen werden. An der Alu-Schelle werden verschiedene Adapter angeschraubt, die ein aufgeräumtes Cockpit sowohl mit Armaturen von Sram, als auch Shimano ermöglichen sollen.
Der Bremshebel selbst besteht ebenfalls auf Aluminium, die Griffweite ist per Rändelrad einstellbar, eine Druckpunkt-Verstellung gibt es nicht. Durch Lösen einer Schraube kann man den Hebel unkompliziert tauschen. Dass Magura in Zukunft auch für die Gustav Pro Nachrüsthebel anbietet, um verschiedene persönliche Vorlieben zu bedienen, scheint wahrscheinlich. Die Mischung des Bremsbelags für die Gustav Pro hört auf den Namen 13 S und ist als Allround-Lösung deklariert. Möglich, dass es in Zukunft noch weitere, aggressivere Optionen geben wird. Kostenpunkt pro Satz Beläge: 24,90 Euro.
Trotz ihres massiven Auftretens: In unseren ersten Tests gibt sich die Gustav Pro Bremse überraschend handzahm. Gefühlt bekommt man bei einer Vollbremsung etwas mehr Leistung als bei einer gut laufenden MT7. Allerdings erst dann, wenn man handfest in den Hebel greift. Das Ansprechverhalten ist dagegen betont weich und dosierbar und lange nicht so plakativ wie bei manchem Mitbewerber. Uns beschleicht sogar der Eindruck: Der Initialbiss ist bei der Gustav M weniger ausgeprägt als bei MT5 und MT7, erst bei echten Vollbremsungen lässt die Gustav Pro die Muskeln spielen.
Für uns war diese Charakteristik auf den ersten Ausfahrten etwas ungewohnt. Wer nur sanft in den Hebel greift, verzögert oft weniger als gedacht. Wer zum Ausgleich kräftig nachlegt, bekommt dann doch sehr viel Power. Das überrascht zum Teil ein wenig, da viele andere Bremsen eher umgekehrt arbeiten. Auf langen Abfahrten sollte die massive Gustav Pro sich außerdem beim Thema Fading deutlich von ihren kleinen Geschwistern absetzen. Das konnten wir bislang jedoch noch nicht ausreichend testen. Der Hebel der Gustav Pro gibt sich flächig und wirkt massiger als bei Sram und Shimano. Die Weitenverstellung per Rändelschraube ist bewährt Fahrer mit kleinen Händen wünschen sich aber nach wie vor etwas mehr Verstellweg.
Bislang gab es die Bremse nur in Komplett-Bikes, jetzt kann man die Gustav Pro auch zum Nachrüsten kaufen. Vorerst bietet Magura die Bremse nur als Komplettset mit zwei Bremsen, Scheiben und Adaptern an. Der Verkauf von einzelnen Bremsen soll aber bald folgen.
Mit 699,90 Euro für das Komplett-Set ist die Gustav Pro erwartungsgemäß kein Schnapper, die UVP liegt aber etwas unterhalb der Sram Maven Silver und auf ähnlichem Niveau mit einer TRP DH-R Evo. Hayes Top-Anker Dominion A4 und insbesondere die Shimano XT mit vier Kolben sind aber deutlich günstiger.
Mit der MTB-Bremse Gustav Pro verspricht Magura nicht nur mehr Leistung, sondern auch mehr Haltbarkeit und Zuverlässigkeit. Gerade fürs E-MTB der richtige Ansatz, das Mehrgewicht ist hier verschmerzbar. Aber auch für andere abfahrtsorientierte Biker, die oft viele Höhenmeter am Stück vernichten ist die Gustav Pro interessant. In unseren ersten Bikes machte die Gustav Pro einen guten Job. Wir sind gespannt auf weitere Tests. - Adrian Kaether, Redakteur Test und Technik