Florentin Vesenbeckh
· 01.12.2023
Spaßig und leicht: Das KTM Machina Scarp SX Prime des Jahrgangs 2024 tritt als starker Allrounder mit sehr gutem Motor und entnehmbarem Akku auf. Damit das Gewicht überzeugen kann, zieht KTM bei der Ausstattung alle Diätregister: Carbon-Rahmen, Carbon-Laufräder und schmaler Carbon-Lenker. Dazu eine XTR-Schaltung und eine XC-Tele-Stütze mit nur 120 Millimetern Hub. Neben den XC-Schaumstoffgriffen ist uns das der Gewichtsknauserei doch zu viel! Diese Parts beschränken die Einsatzfähigkeit des Bikes unnötig. Insbesondere die zu kurze Teleskopstütze fällt negativ auf. Unser größter Tester konnte sich die Sattelhöhe nicht auf seine Beinlänge einstellen. Bergab thront der Sattel zu hoch. Und das, obwohl das Sitzrohr mit 440 Millimetern für einen Rahmen in der Größe Large modern kurz ausfällt. Und damit locker genug Freiheit für eine längere Stütze bietet.
Ein gutes Händchen hatten die Produkt-Manager dafür bei den Federelementen. Speziell die Gabel ist ein Volltreffer! Die Grip2-Kartusche gibt es in der Fox 34 noch nicht so lange. Früher war sie Enduro- und DH-Gabeln vorbehalten. Mit ihr kann man die Forke hervorragend abstimmen. Sie arbeitet sensibel, verträgt aber auch hohes Tempo und hartes Gelände. Auch der Dämpfer arbeitet sehr gut und macht den Hinterbau effizient, aber schluckfreudig. Insgesamt eine hochwertige, dem Preis angemessene Ausstattung.
Der “kleine” Bosch ist unter den Minimal-Assist-Motoren ein Großer. Er hat recht viel Power und ist sparsam. Im direkten Vergleich zum TQ HPR 50 treibt er deutlich stärker an und kommt mit seinem entnehmbaren Akku recht weit. Dabei ist er meist leise. Nur unter Volllast in längeren Anstiegen brummelt er hörbar. Und er klappert leider bergab.
In unserem standardisierten Reichweitentest erklettert das Scarp SX bei höchster Unterstützungsstufe 1121 Höhenmeter mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 11,7 km/h. Damit fährt es bei gemäßigtem Fahrer-Input in etwa genauso schnell, wie Bikes mit dem Fazua Ride 60. Doch bei sehr hoher Trittfrequenz kann der Bosch SX den Fazua in Sachen Spitzenleistung noch überflügeln. Das geht dann allerdings auf Kosten der Reichweite. In unsrem Standardverfahren kann der Fazua-Antrieb mit dem etwas größeren 430er-Akku im Schnitt rund 1300 Höhenmetern bei ähnlicher Durchschnittsgeschwindigkeit vorweisen.
Das Scarp hat eine ausgewogene Geometrie. Auffällig ist einzig der recht lange Hinterbau und das kurze Steuerrohr. Diese beiden Werte machen das Bike zu einem sehr guten Kletterer – gerade in Verbindung mit dem langen, negativen Vorbau kraxelt das Bike mit dem recht kraftvollen Bosch SX stramm bergauf. Die Sitzposition ist sportlich gestreckt.
Anfangs waren wir etwas skeptisch: Die XC-Schaumstoffgriffe, die Tele-Stütze mit wenig Hub, der negativ geduckte Vorbau. Das sah nach einer anstrengenden Testfahrt auf einer Rennfeile aus. Aber das KTM hat uns schon beim ersten Aufsitzen überrascht: Das Fahrwerk ist sehr komfortabel und die Sitzposition sportlich, aber in keinster Weise unangenehm. Der Bosch SX zischt leise los und unterstützt natürlich, aber bei Bedarf recht kräftig.
Bergauf ist das Macina Scarp SX Prime in seinem Element. Man hat viel Druck auf dem Vorderrad, der sensible Hinterbau generiert viel Traktion. Und auch bergab ist das KTM ein sehr gelungenes Bike. Das Handling ist neutral, die Lenkung sehr direkt, ohne nervös zu sein. Die sehr gute Gabel sorgt für Bodenhaftung und gute Kontrolle. Echtes Trail-Bike-Feeling will wegen des schmalen Lenkers und der tiefen Front aber nicht aufkommen. Auf wurzeligen Trails klapperte unser Testbike leider markant. Neben dem Motor macht auch der Akku deutliche Geräusche. Die mäßig profilierten Reifen sind auf der pannenanfälligen Seite und rutschen auf Laub und bei Nässe recht schnell weg. Dafür rollen sie sehr gut. So beschleunigt man gerne mal über die Unterstützung des Motors hinaus.
Stärken
Schwächen
Das KTM Macina Scarp SX Prime ist ein cleverer Hybrid aus Racebike und Touren-Fully. Tolles, fluffiges Fahrwerk, gute, sportliche Geo und Sitzposition. Warum mit weniger Federweg fahren? Stimmig, spaßig und leicht. Ein starker Allrounder mit sehr gutem Motor und entnehmbarem Akku. - Florentin Vesenbeckh, Testleiter EMTB
Neben dem dem KTM Machina Scarp SX Prime drängt mit dem Fantic DC 1.4 Rampage Race ein zweiter neuer Herausforderer in die Nische der leichten Flitzer für (sehr) schnelle Trail-Runden. Gemeinsam machen sie dort den sehr teuren Spezialisten Scott Lumen und Rotwild R.X275 Konkurrenz. Zum Vergleich: Beide Bikes, KTM und Fantic, kosten zusammen weniger als das Lumen-Topmodell von Scott.
¹ Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
² Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale.
³ Die Bewertung gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.