Taugt ein E-Enduro mit dickem Akku und brachialem Federweg für die Tour? Eher nicht, sollte man meinen. Diese Bikes werden eher für fiese Rockgardens und hohe Drops gebaut. Was also, wenn auf engen Trails wie dem Giu li Gru im Enduro-Mekka Finale Ligure plötzlich leichtes Handling, Agilität und Spieltrieb gefragt sind? So viel vorab: Das Radon Deft 8.0 und das Giant Reigen E+ 3 entlocken uns bloß ein dickes Grinsen, während wir uns von einer in die nächste Kurve stürzen.
Das hätten wir so nicht erwartet. Im Allgemeinen sind die Voraussetzungen für Fahrspaß auf langsamen und kurvigen Trails speziell bei E-Enduros doch weniger gut. Sie gelten als träge, schwerfällig und sperrig – erst recht, wenn sie auch noch bezahlbar sein sollen. So wie die Einstiegsmodelle des Radon Deft und Giant Reign E+.
Für 5200 beziehungsweise 5500 Euro sind diese E-MTBs zwar keine echten Schnäppchen (Achtung: Das Radon Deft 8.0 gibt es aktuell im Sale für 4799 Euro!), dafür aber technisch auf der Höhe der Zeit: Beide Bikes sind erst seit gut einem Jahr auf dem Markt, beide bieten mit 750 beziehungsweise 800 Wattstunden Reichweite satt, beide sind mit der neuesten Konfiguration des jeweiligen Motorsystems ausgestattet.
Mit Gewichten um 25 Kilo sind sie auch kaum schwerer als All Mountains derselben Preisklasse. Ungeachtet zu leichter Reifen, besonders am Radon, eine positive Überraschung. Und sicher auch einer der Gründe, warum sich beide Bikes in engem Geläuf noch anständig schlagen.
Spritzig fährt sich vor allem Giants Reign E+, was man mit Blick auf die extreme Geometrie mit langem Radstand und superflachem Lenkwinkel kaum erwarten würde. Und das Lob für das günstigste E-Enduro aus Taiwan hört hier nicht auf: Bergauf notieren die Tester beim Reign E+ Besturteile für den traktionsstarken Hinterbau und die gute Sitzposition zum Klettern. Bergab gefallen Komfort und Fahrsicherheit und animieren dazu, auch auf zünftigen Enduro-Trails noch lange die Bremsen offen zu lassen.
Für so ein bezahlbares Bike bietet das Giant Reign E+ 3 eine ungewöhnlich ausgewogene Performance, ohne nennenswerte Schwächen. Trotz seiner Qualitäten in der Abfahrt, stärkeren Motors, toller Reichweite und der besseren Ausstattung zieht das Radon Deft da am Ende den Kürzeren.
Radon und speziell Giant zeigen, dass sogar günstige E-Enduros vielseitig sein können. Eine gute Reichweite und Ausstattung zum fairen Kurs bieten beide Kandidaten. Trotz der extremen Geometrie macht das Giant noch eine bessere Figur und kann vom Neuling bis zum Profi viele Fahrertypen glücklich machen. Bergab begrenzt die Ausstattung das Potenzial der Bikes etwas. Dennoch: zwei starke Kandidaten, mit denen man keinen noch so verblockten Trail fürchten muss. – Adrian Kaether, Redakteur EMTB
Wie ausgewogen sich das Giant trotz seiner extremen Geometrie fährt, hat mich überrascht. Auf den abfahrtslastigen Trails in Finale erhält sich das Reign E+ damit einen universellen Charakter. Und doch: Bei gemäßigtem Gelände würde ich zugunsten von Handling und Fahrspaß immer zu einem Bike mit kürzerem Hub und weniger extremer Geometrie greifen. – Florentin Vesenbeckh, EMTB-Testleiter
Die Reifen sind der Tuning-Tipp in diesem Duell: Schwere Karkassen und weiche Gummimischungen würden beiden Bikes gut zu Gesicht stehen und das Potenzial bergab noch besser ausschöpfen. Den superbreiten Vorderreifen am Giant würde ich gegen ein schmaleres Modell tauschen. Das bringt mehr Präzision und eine bessere Rückmeldung im Grenzbereich. – Tobias Ziganek, EMTB-Testfahrer:
Der Syncdrive basiert auf der Hardware von Yamahas PW-X3-Motor. Nicht der kräftigste Antrieb am Markt, aber mit 2,7 Kilogramm recht leicht. Von Giant stammt die Software, die App und das Feintuning der Unterstützung, außerdem kommt der Syncdrive mit eigenen Displays und Remotes. Etwas speziell: Sobald der Fuß auf dem Pedal steht, zuckt der Motor schon leicht. Diese extrem direkte Reaktion hilft in technischem Gelände und beim Anfahren am Berg.
Eine tolle Balance aus hoher Leistung bei vertretbarem Motorgewicht bekommt man bei Boschs Performance CX. Ansprechverhalten und spezielle Gelände-Features wie der verlängerte Nachlauf im Emtb-Modus machen ihn zur Messlatte am Markt. Mittlerweile lassen sich alle U-Stufen per App feineinstellen. Wesentlicher Nachteil: Der Bosch-Antrieb ist nicht ganz leise, und die Akkus fallen recht schwer aus, bieten dafür aber auch eine besonders satte Reichweite.
Mit dem neuen 800er-Akku im Reign E+ macht Giant bei der Reichweite gegenüber den alten 625ern einen deutlichen Schritt nach vorne. Die bessere Wertung geht mit über 2000 Höhenmetern und auch höherer Geschwindigkeit aber klar an das Radon, trotz des nominell etwas kleineren Akkus. Allerdings: Beide Akkus sind gleich schwer (s. u.), die Ladearbeit fällt sogar beim Radon mit Boschs Smart-System etwas höher aus.
Dank seines Carbon-Hauptrahmens knackt das Radon knapp die 25-Kilo-Marke und ist damit nur so schwer wie ein All Mountain derselben Preisklasse. Trotz zu leichter Reifen ist das top. Schwere Akkus stecken in beiden Bikes. In Anbetracht des großen Akkus und des Alu-Rahmens gehen auch die 25,6 Kilogramm beim Giant noch in Ordnung. Zumal das Alu-Enduro mit einer besonders großzügigen Gewichtsfreigabe punkten kann.
Beim Antriebsgeräusch liegen Radon und Giant eng beieinander. Der Bosch-Motor tönt etwas hochfrequenter und ist damit klarer wahrzunehmen als der etwas tieffrequentere Giant-Motor. Leider klappern beide Bikes bergab, vor allem das Radon hebt sich hier negativ hervor. Aber auch von Giant hatten wir schon deutlich leisere Test-Bikes.
Schon in EMTB 1/2023 haben wir zwei preiswerte Enduro-E-Bikes zwischen 5300 und 5800 Euro getestet. Wie schlagen sie sich im Vergleich?
Mit 27,5-Zoll-Laufrädern ist das E-Enduro von Cube (5299 Euro >> hier erhältlich) eines der Letzten seiner Art. Die kleinen Laufräder bringen Nachteile in extremem Gelände, machen das Bike aber handlicher. Das Cube ist damit eher ein komfortables Touren-Bike mit satten Reserven und guter Ausstattung. Unser Tipp, wenn’s ein Allrounder für anspruchsvolle Trail-Touren sein soll. Achtung: keine Bikepark-Freigabe.
Wuchtig, lang und schwer ist das NDuro von Haibike (5799 Euro >> hier erhältlich) genau das Gegenteil von Cubes Stereo 160. In fiesem Gelände ist das Haibike in seinem Element, überall sonst fühlt es sich mit extremem Radstand und fast 27 Kilogramm schwerfällig und sperrig an. Ein klarer Downhill-Spezialist. In unseren Augen ist da aber das Giant mit ähnlichen Nehmerqualitäten bei vielseitigerem Handling der bessere Partner.
*Das Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.