Mit dem Push 222 präsentiert Syntace-Mastermind Jo Klieber sein erstes Bike mit Rennlenker und optionaler K.I.S. Lenkunterstützung. Hat das Push 222 das Zeug für eine Revolution im Road- und Gravel-Segment?
Push 222? Noch nie gehört? Kein Wunder, denn bei dem leichten Carbon-Renner handelt es sich um eine komplette Neuentwicklung aus der Feder von Syntace- und Liteville-Gründer Jo Klieber. Das Push 222 positioniert sich im schmalen Korridor zwischen Gravel und Road und bietet eine Reifenfreiheit von bis zu 35 Millimetern. Damit eignet sich der nur 1025 Gramm leichte Carbon-Rahmen sowohl für die Straße als auch den schnellen Schottereinsatz. Allroad bzw. Gravel-Race definieren den Einsatzbereich wohl am besten.
Neben dem Carbon-Rahmen aus High- und Medium-Modulus Carbonfasern komplettiert eine nur 415 Gramm leichte Carbon-Gabel das Rahmenset, das in vier Rahmengrößen (52, 54, 56, 58 cm) erhältlich ist. Attraktive 1099 Euro ruft Klieber für das Rahmenset mit Gabel inklusive Acros-Steuersatz, X12-Steckachsen und UDH-Schaltauge auf. Für eine bessere Servicefreundlichkeit ist das Tretlager geschraubt. Eine Garantiedauer von bis zu 6 Jahren sowie eine Crashreplacement-Regelung sorgen für die nötige Vertrauensbasis und das sogar für den Folgebesitzer. Ab schlanken 3299 Euro ist das Push 222 auch als Komplettrad mit Syntace Laufradsatz, Shimano GRX-Gruppe und FSA-Anbauteilen erhältlich. Das von uns gefahrene Push 222 kostet 4879 Euro und bringt in Rahmengröße 56 Zentimeter 8,6 Kilo auf die Waage.
Doch das Push 222 ist mehr als nur ein sportliches Gravelbike mit schmalen Reifen und Rennlenker. Denn - und hier kommt Bewegung ins Spiel - es besteht die Option, ein K.I.S.-System (Keep it Stable) auf dem Oberrohr zu platzieren und damit die Lenk- und Fahreigenschaften grundlegend zu beeinflussen. Für einen Aufpreis von 259 Euro kann die zweite Generation, der vor drei Jahren erdachten Steuerhilfe direkt auf das bereits dafür vorbereitete Oberrohr gesetzt werden.
Wer bei K.I.S. sofort an Hardrock-Riffs und wildes Makeup denkt, ist definitiv auf dem Holzweg. Das von Jo Klieber erdachte Teil hat Ähnlichkeit mit einer Mausefalle, die über zwei Bänder mit dem Gabelschaft verbunden ist und eine Feder besitzt. In Summe bringt das System gerade mal 210 Gramm inklusive eines Lenkanschlags auf die Waage, der Oberrohr und Leitungen sowie das System als solches im Falle eines Falles schützt. Ende 2022 stellte Klieber das K.I.S.-System erstmals der Öffentlichkeit vor. Bis dato kam es ausschließlich an Mountainbikes von Liteville zum Einsatz.
Als Lizenznehmer durfte auch Canyon das K.I.S.-System in einer eigenen Variante bei limitierten Modellen einsetzen, wie beim Spectral CF. Durch die Integration im Oberrohr verrichtet es unauffällig im Inneren seinen Dienst. Downhill-Racer Troy Brosnan konnte mit dem System sogar einen Worldcup für sich entscheiden und auch XC-Racer Luca Schwarzbauer weiß die Vorteile von K.I.S. zu schätzen.
K.I.S. zentriert das Vorderrad und damit den Lenker in eine Ruhelage und gleicht die unterschiedlich starken Kräfte bei Lenkbewegungen aus. Denn: Die auftretenden Kräfte beim Einlenken ändern sich je nach Einschlagwinkel. K.I.S. macht die wirkenden Kräfte linearer. Das Lenkgefühl wird dadurch neutraler, gleichmäßiger und dadurch berechenbarer. Über die Vorspannung der Feder lässt sich einstellen, wie stark das eingeschlagene Vorderrad in die Nulllage zurückgeführt werden soll. Damit lässt sich das System auf Fahrergewicht und Vorlieben justieren.
Am Mountainbike und E-MTB konnten wir K.I.S. bereits mehrfach im Gelände ausgiebig testen und auch länger einsetzen. Auf dem Gravelbike ist K.I.S. hingegen absolutes Neuland. Wie fährt sich also das System an einem nur 8,5 Kilo leichten Bike mit schmalen Reifen und Rennlenker?
Da es sich auf dem Push222 um ein externes System K.I.S.-System handelt, lässt sich der Mechanismus ganz einfach während des Fahrens an- und ausschalten. Ohne aktiviertes K.I.S. fährt sich das Push222 wie ein normales Gravelbike. Bei einer Körpergröße von 1,79 Meter fällt die Sitzposition in Rahmengrößen 56 mit einem 100 Millimeter Vorbau angenehm sportlich aus. Das Bike hängt gut am Gas und bietet eine hohe Steifigkeit. Auch der Sitzkomfort kann sich Dank der 27,2er Sattelstütze sehen lassen.
Sobald man den kleinen Hebel auf dem Oberrohr umlegt und K.I.S. aktiviert, ändert sich das Fahrgefühl dramatisch. Ich konnte bislang noch kein einziges Bike mit Rennlenker fahren, das sich auch nur ansatzweise so stabil und laufruhig verhält. Trotz des schlanken Gewichts schneidet das Push 222 durch tiefen Schotter wie ein Enduro mit 63 Grad Lenkwinkel. Im längeren Einsatz mit viel An und Aus zeigt sich ebenfalls die beruhigende Wirkung auf die Lenkung. Es ist erstaunlich wie viele Schlangenlinien man tatsächlich ohne den kleinen Helfer absolviert.
Statt der vielen kleinen Ausgleichsbewegungen und Schlenker bleibt das Vorderrad mit K.I.S. deutlich ruhiger. Luftlinie statt Schlangenlinie lautet die Devise. Im Vergleich zum Mountainbike, wo der Lenkwinkel bis zu neun Grad flacher ausfällt und der Reifen eine wesentlich größere Aufstandsfläche besitzt, reicht bereits eine geringe Federvorspannung am K.I.S., um einen großen Effekt zu erzielen. Zudem fällt der Lenker und damit der Hebel wesentlich schmaler bzw. kürzer aus. Nach vielem Ausprobieren mit der Federvorspannung ende ich im ersten Drittel des Verstellbereichs. Bei zu großer Vorspannung fühlt man sich sonst zu sehr eingeschränkt. Vor allem die gewohnte, starke Pendelbewegung im Wiegetritt wird deutlich reduziert, was sich zunächst unnatürlich anfühlt.
Doch K.I.S. kann nicht nur geradeaus, sondern punktet in Kurvenfahrt. Selbst eine Ausgleichsbewegung um einen Kanaldeckel herum, zeigt die beruhigende Wirkung von K.I.S. Das typische nach innen Reinfallen nach dem Umfahren des Hindernisses wird unterbunden. K.I.S. beschneidet sozusagen die unerwünschte Dynamik und nimmt Lastspitzen aus der Bewegung, was sich positiv auf die Bike-Kontrolle auswirkt und sogar Stürze verhindern kann. Allerdings ist etwas mehr Einsatz gefragt, damit das Hinterrad nicht einen engeren Radius beschreibt. K.I.S. forciert beim Lenken eine stärkere Bike-Neigung an Stelle eines Lenkeinschlages. Das führt in der Praxis zu einer besseren und letztlich stabileren Einheit aus Vorder- und Hinterrad.
Vom Prinzip her schon. Allerdings lässt sich K.I.S. nicht nachträglich im Oberrohr integrieren. Mit der externen Version auf dem Oberrohr lässt sich das System jedoch nachrüsten. Übrigens: K.I.S. ist verschleiß- und wartungsfrei.
Mit dem Push 222 stellt Jo Klieber ein schnelles Gravelbike für einen attraktiven Preis auf die schmalen Reifen. Ein zusätzliches Verkaufsargument ist das optionale K.I.S. Lenksystem, das die Fahrsicherheit beim Straßen- und Gravel-Einsatz auf ein noch nie dagewesenes Niveau hebt. Eine echter Gamechanger für Bikes mit Rennlenker.