Stefan Frey
· 29.11.2022
Der Schweizer Brillenhersteller präsentiert mit der Eyerex eShades E1 eine intelligente Sonnenbrille, die sich innerhalb einer Zehntelsekunde stufenlos an die Lichtverhältnisse anpassen soll – ganz ohne externe Energiequelle. Wie die revolutionäre Brillentechnologie funktioniert und wie sich die eShades E1 als MTB-Brille in der Praxis schlägt, konnten wir bereits im ersten Test erfahren.
Selbsttönende Scheiben gibt es bereits seit Langem. Sogenannte photochromatische Brillengläser gelten als die eierlegenden Wollmilchsäue unter den Sportbrillen. Je nach vorherrschenden Lichtverhältnissen dunkeln die Gläser ab oder hellen auf. Mittlerweile kann damit eine Verdunkelung von bis zu 90 Prozent erreicht werden. Die Moleküle hierfür sind direkt im Glas eingearbeitet und werden durch UV-Strahlung angeregt.
Dabei gibt es jedoch zwei Probleme: erstens dauert die Abdunklung der Scheiben je nach Güte bis zu drei Minuten, die Aufhellzeit sogar noch etwas länger – deutlich zu lange also für den schnellen Wechsel zwischen Licht und Schatten beim Biken. Und zweitens arbeiten die phototropen Moleküle temperaturabhängig. Bei besonders kalten Temperaturen dunkeln sie dadurch stärker ab und hellen nicht mehr vollständig auf. Besonders im Winter ergeben sich dadurch Probleme mit den selbsttönenden Scheiben.
Mit der neuen eShades E1 will der Schweizer Hersteller Eyerex diese Probleme umgehen und die perfekte Brille für den sportlichen Einsatz entwickelt haben.
Mit einer neuartigen Scheiben-Technologie will der Schweizer Hersteller Eyerex den Markt der selbsttönenden Sportbrillen revolutionieren. Möglich macht das eine Erfindung, die jeweils die vorhandene Lichtmenge erkennt – also das, was vom menschlichen Auge ohne technische Hilfsmittel wahrgenommen werden kann – und diese Information an die Gläser der eShades weitergibt.
Die Brillengläser bestehen aus zwei zusammenlaminierten Scheiben. Die hintere ist eine klassische polarisierte Scheibe. Die vordere Scheibe ist photoelektrisch. Je nach einfallender Lichtmenge verändern die in der Scheibe befindlichen Atome ihre Position und dunkeln sie somit ab oder hellen sie auf.
Das Gute daran: Der Vorgang benötigt keinerlei externe Stromquelle, wie eine Batterie, wodurch die Bauweise der Technologie sehr kompakt ausfällt und der nötige Sensor über dem Nasenbügel untergebracht werden kann. Außerdem funktioniert die Technologie nicht in Abhängigkeit von UV-Strahlung, sondern durch eine Messung der vorhandenen Lichtmenge – also den Lumen. Daher dunkelt die eShades MTB-Brille auch hinter UV-Licht filternden Windschutzscheiben ab. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Abdunklung stufenlos abläuft und somit immer der optimale Tönungsgrad erzielt werden soll.
Anders als bei den gängigen photochromatischen Brillen soll die Technologie auch unabhängig von der Außentemperatur arbeiten, in einem Bereich von -20 bis 80 Grad Celsius, was ein weiteres Problem bei den selbsttönenden Sportbrillen eliminieren würde. Die Eyerex eShades sind zudem nach IP54 Staub- und Spritzwasser-geschützt und können somit auch bei schlechten Wetterverhältnissen eingesetzt werden, auch wenn der Hersteller vor allzu großer Feuchtigkeit warnt.
Von der Form der Bügel und der Brillengläser her erinnert die eShades stark an den Oakley-Klassiker Radar. Die schmalen, geschwungenen Scheiben passen sich zwar gut der Form des Gesichts und speziell den Wangenknochen an. Allerdings bieten sie insgesamt etwas wenig Abdeckung und dadurch auch nur einen geringeren Schutz vor Zugluft. Ein größeres Sichtfeld, wie es die aktuellen Panorama-Gläser bieten, wäre hier durchaus wünschenswert.
Über die Nasenbügel lässt sich die MTB-Brille an ihren Träger anpassen und sitzt bequem auf dem Nasenrücken. Mit gerade mal 31,5 Gramm wiegt die Eyerex kaum mehr als eine Standard-Sportbrille, was in Anbetracht der High-Tech-Ausstattung fast schon sensationell ist. Die Bügel sind zwar großflächig gummiert, lassen sich aber nicht anpassen.
Leider kann die Eyerex eShades bei der Haptik nicht so ganz mit anderen Top-Brillen auf dem Markt mithalten. Ihr Kunststoff ist zwar sauber verarbeitet, doch die Bügel haben wenig Spannkraft und dürften gerade auf schmalen Gesichtern wenig Halt bieten. Die Scheibe sitzt recht wacklig im Rahmen und knarzt dadurch beim Tragen, was nicht so ganz zum stolzen Preis passt.
Auf dem Trail ist die Überraschung dafür umso größer: Von der selbstständigen Tönung der Brille bekommt man kaum etwas mit. Die Funktion ist wirklich erstaunlich. Die Scheiben der Eyerex eShades wechseln den Tönungsgrad innerhalb eines Wimpernschlags und passen sich ständig den gerade vorherrschenden Bedingungen an. Weil der Prozess fließend abläuft und nicht zwischen den Positionen On oder Off springt, ist der Vorgang für die Augen weder unangenehm noch überraschend.
Was in der Scheibe tatsächlich passiert, wird erst klar, wenn man direkt in die Sonne blickt und dann mit dem Finger den Sensor verdeckt. Dann wechselt die Eyerex eShades innerhalb einer Zehntelsekunde vom dunklen in den hellen Modus. Bei feuchten Bedingungen legte sich mit der eShades E1 ein leichter Schimmer auf Blätter oder Pfützen am Boden, was von den Augen als etwas unangenehmer Reflex wahrgenommen wurde.
Übrigens ist Eyerex nicht der erste Hersteller, der die Idee einer photoelektrischen Anpassung der Scheiben aufgreift. Bereits 2015 präsentierte Uvex auf der Eurobike seine revolutionäre Variotronic-Technologie. Uvex wollte damals dem Blindfluggefühl bei der Überfahrt von Licht in den Schatten ein Ende bereiten. Wie eine Art Mikro-Lamellen-Jalousie sollten in die Scheibe eingearbeitete Flüssigkristalle die Brille entweder abdunkeln oder aufhellen. Die Uvex Variotronic ff verfügte dabei über einen Automatik-Modus sowie einen Knopf zum manuellen Umschalten.
In der Praxis konnte die Uvex damals aber nicht ganz überzeugen. Der nötige Akku samt USB-Anschluss machte die Brille etwas klobig und schwer und zudem abhängig von einer Stromquelle. Zudem traten immer wieder Situationen auf, bei denen die Automatik trotz gedämpften Streulichts zu schnell reagierte und mit "flackernder" Scheibe den Fahrer irritierte. Ein Defekt der LCD-Scheibe zeigte außerdem die verhältnismäßig hohe Empfindlichkeit des Hightech-Produkts. Wirklich angekommen ist die Uvex Variotronic auf dem Markt nie.
Mit der sogenannten BOT des italienischen Herstellers Out Of gibt es übrigens eine weitere Brille mit sehr ähnlicher Technologie auf dem Markt. Dank einer speziellen Flüssigkristallfolie, die von einer kleinen Solarzelle mit Strom versorgt und von einer Elektronik gesteuert wird, soll auch die BOT vollständig und automatisch in weniger als einer Sekunde die Tönung an die vorherrschenden Lichtverhältnisse anpassen. Genaueres zur Funktion ist der Herstellerseite leider nicht zu entnehmen. Wir haben bereits ein Testmuster beim Hersteller angefragt und werden demnächst mehr von der Out Of BOT berichten.
Im Vergleich zur Uvex Variotronic hat die Eyerex eShades mit ihrer innovativen Technologie einen großen Schritt nach vorne gemacht. Die Tönung der Hightech-Scheiben funktioniert erstaunlich gut und fürs Auge nahezu unbemerkt. Der Verzicht auf eine externe Stromquelle schlägt sich in der Handhabung und in der kompakten Bauweise nieder.
Die Eyerex eShades könnte tatsächlich ein neues Zeitalter bei den Sportbrillen einläuten. Leider hinken Haptik und Optik der erstaunlichen Funktion hinterher. Ein modernes Design und eine bessere Verarbeitung wären hier wirklich wünschenswert, besonders in Anbetracht des aufgerufenen Preises von knapp 330 Euro.