Alle drei Kurbelumdrehungen ist die Kette einmal komplett im Kreis gelaufen – sehr durchschnittlich kalkuliert. Wenn man sich überlegt, wie viele Runden das im Jahr sind, kann man besser einschätzen, welche Belastungen, aber auch, welche Bedeutung das mit sich bringt. Ein Rechenbeispiel gefällig? Bei einer Leistung von 3000 Kilometern pro Jahr, was für Pendler zum Beispiel sehr zurückhaltend veranschlagt ist, und einer Entfaltung (Strecke, die man mit einer Kurbelumdrehung zurücklegt) von ungefähr vier Metern kommen wir auf eine Viertelmillion Kettenrunden.
Eine beeindruckende Zahl, schon bei optimaler Schmierung und Reinigung; mit dem täglichen Sand, Dreck, Regen und Salz im Winter kommen selbst qualitativ gute Ketten und auch Ritzel (Zahnrad oder Zahnräder an der Hinterradnabe) und Kettenblätter (Zahnrad oder Zahnräder an der Kurbel) an ihre Grenzen. Die Herstellerangaben bezüglich dieser Teile und ihrer Haltbarkeit sind nicht nur sehr unterschiedlich hinsichtlich der verschiedenen Qualitätsstufen, zusätzlich macht die Breite der Kette einen großen Unterschied. Deshalb gibt es Unterschiede bei Singlespeed-Antrieben (betrifft Räder mit einem Gang oder solche mit Schaltnabe oder Getriebe) und solchen mit mehreren Ritzeln am Hinterrad.
Es gibt mehrere Möglichkeiten festzustellen, ob man die Verschleißteile des Antriebs – insbesondere die Kette – ersetzen sollte. Manche sind mehr, manche weniger praktikabel:
Nicht zu empfehlen: Im Netz kursieren auch Millimeterangaben, die frische und verbrauchte Ketten zwischen den Nieten von insgesamt zehn Gliedern haben sollen. Theoretisch ist das genauso präzise wie die Messlehre, aber jeweils exakt die Mitte des Niets zu treffen ist praktisch nicht möglich.
Man könnte meinen, mit dem Tausch der Kette könne man warten, bis die Funktion wirklich spürbar durch den Ketten-Verschleiß leidet. Aber wem schon mal beim Treten die Kette gerissen ist, weiß einen zuverlässigen Antrieb sehr zu schätzen. Meistens geht dieser Worst Case mit einem Unfall einher, von dem Totalausfall des Antriebs mal ganz abgesehen. Rechtzeitige Wartung hat aber noch einen großen Vorteil: Bei einer “gelängten” Kette passen die Abstände der Glieder nicht mehr zu denen der Zahnräder. Dadurch reiben oder besser mahlen die Metallteile beim Umlauf hart aneinander. Der Verschleiß der Zahnräder steigt exponentiell.
Die Rechnung ist einfach: Lieber tauscht man doch eine Kette für 20 oder 30 Euro als die Ritzel für das Drei- oder Vierfache. Wem das nicht als Grund reicht: Ein schlecht laufender Antrieb mit dreckiger oder verschlissener Kette kostet rund 20 Watt Tretleistung, für den Normalradler sind das 15 bis 20 Prozent seiner Power! Apropos Wartung: Regelmäßiges Säubern und Schmieren der Kette verlängert deren Lebenszeit um das Vielfache. Lange Standzeiten im Regen dagegen beschleunigen den Ketten-Verschleiß. Akribisch gepflegt, halten Ketten auf Shimano-XT-Niveau schon mal 15.000 Kilometer statt der empfohlenen 2.000!
Singlespeed-Ketten sind breiter und auch ohne dieses Maß an Zuwendung ziemlich robust. Ein gewisser Abrieb am Metall der Glieder beeinflusst weder den Schaltkomfort noch die Zugstabilität negativ. Auch dass solche Ketten bei großer Pedalkraft übers Zahnrad rutschen, kommt nur vor, wenn deren Spannung nicht ausreichend ist. Getauscht werden müssen die breiten Modelle erst bei einem Ketten-Verschleiß von einem Prozent oder wenn sie durch Dreck und Wetter steif geworden sind.
Gerade weil Singlespeed-Ketten länger auf dem Rad bleiben und um die Wartungsfreundlichkeit des Antriebs zu erhalten, lohnt sich hier ein rostfreies Modell für 30 bis 40 Euro! Bei Kettenschaltungen mit acht, neun oder zehn Ritzeln “darf” die Kette bis 0,75 Prozent verschleißen, also länger werden, so unsere sowie die Empfehlung von Werkstatt-Experte Park Tool. Moderne Schaltungen mit elf oder zwölf Zahnrädern am Hinterrad arbeiten mit so wenig Toleranz, dass hier schon bei einem halben Prozent getauscht werden sollte, außerdem wären die ebenfalls schmalen Zahnräder nochmals teurer, wenn man zu lange wartet.
Shimano- und Sram-Produkte sind übrigens offiziell untereinander kompatibel, die Erfahrung zeigt aber, dass gerade bei Letzteren die hauseigenen Ketten am besten funktionieren. Und keine Angst vor “Fremdprodukten”, KMC oder Connex zum Beispiel liefern hervorragende Qualität, sie müssen nur Shimano-/Sram-kompatibel etikettiert sein. Im Fachgeschäft wird man genau das beim Kettenkauf fragen – und wie viele Ritzel das Rad hat.
Ab Werk bekommt ein Rad meist eine endlose Kette, es gibt also keine Stelle, die zum Öffnen vorgesehen ist. Um das zu tun, muss man irgendeinen der Bolzen mit dem Kettennieter wie mit einer Schraubzwinge aus der Kette herausdrücken. Achtung: Liegt der neuen Kette kein Verschlussstück oder ein neuer Bolzen bei, den Niet nicht ganz herausdrücken!
Nach dem Entfernen der alten Kette ist übrigens ein sehr guter Zeitpunkt, alle Zahnräder gründlich mit einer Bürste und idealerweise einem Kettenreiniger zu säubern, auch die vom Schaltwerk. Wenn klar ist, dass die Kette entsorgt werden soll, kann man sie natürlich auch mit einem Bolzenschneider öffnen. Die alte Kette vor dem Wegwerfen aber erst als Blaupause für die Länge der neuen nutzen. Neue Ketten sind nämlich fast immer etwas zu lang. Die überschüssigen Glieder müssen – ebenfalls durch Herausdrücken des Nietstifts – entfernt werden, spätestens jetzt braucht man das entsprechende Werkzeug.
Achtung: Soll ein Kettenschloss verwendet werden, müssen zwei Innenlaschenglieder übrig bleiben, also die schmaleren Teile der Kette. Soll der Verschluss mittels Niet beziehungsweise Bolzen geschehen, je ein Paar Innenlaschen und ein Paar Außenlaschen. Bevor man die Ketten endgültig verschließt, sollte man die Länge testen. Ein superpraktisches Tool dazu kann man sich leicht selbst aus etwas festerem Draht bauen, dessen Enden man umbiegt und so provisorisch die Kette schließt, natürlich ohne den Bogen, der ist praktisch beim Öffnen und Schließen von Power-, Quick- oder Masterlinks, wie die Verschlussstücke heißen.
Um die korrekte Länge der Kette zu testen, muss sie über die jeweils kleinsten Zahnräder des Antriebs laufen, also am Hinterrad ganz nach rechts und am Tretlager – falls es mehrere gibt, aufs linke Kettenblatt. Der Kettenspanner des Schaltwerks sollte nun etwa waagerecht stehen und die Kette nicht durchhängen, sondern schon unter Spannung stehen. Hängt sie durch, müssen zwei oder vier Glieder mehr raus. Zeigt das Schaltwerk bereits deutlich nach unten, probiert man es lieber noch mal mit zwei Gliedern mehr.
Es gibt viele Wege beziehungsweise Produkte, eine Kette wieder zu verschließen. Das macht es etwas unübersichtlich. Die Auswahl der Verschlussteile im folgenden Bild zeigt rechts einen neuen Kettenniet mit Einführhilfe, die nach dem Eindrücken mit einem Kettennietdrücker (z. B. Parktool Werkzeug CT-3.3) oder einem vergleichbaren Tool mittels Zange einfach abgebrochen wird. Links daneben sieht man ein Kettenschloss, bei dem eine der Außenlaschen abnehmbar ist. Die beiden Stifte an der festen Lasche werden durch die Enden der neuen Kette geschoben, die einzelne Lasche wird aufgesetzt und der silberne Sicherungsschieber von vorne über die Stiftenden geschoben, bis er einrastet.
Rechts oben im Bild sieht man eine von zwei identischen, zusammengehörigen Außenlaschen mit je einem festen Kettenniet. Sie werden spiegelverkehrt in die Kette eingesetzt, die sollte dabei mittels Haltedraht entspannt werden. Die Stifte passen genau in die verbreiterte Aussparung des Gegenstücks, durch Zug auf der Kette ziehen sich die Stifte in den schmaleren Teil der Ösen und rasten ein, wie am Beispiel des Bildes mit dem Kettenschloss zu sehen. Das ist eine der gängigsten Varianten. Zum Öffnen müssen die Enden des Verschlussglieds – zum Beispiel mit der Parktool-Zange MLP-1.2 – zueinander gedrückt werden, bis die Bolzen sich aus der Arretierung lösen und an der breiteren Stelle der Öffnung herausnehmbar sind.
Zuletzt das einfachste Verschlussstück oben links: Auch hier gibt es eine Außenlasche mit zwei festen und eine ohne Kettenbolzen. Das hintere Teilstück wird in die Kettenenden eingeschoben, die „freie“ Außenlasche passt nur auf beziehungsweise über die Stiftenden, wenn man die Kette zur offenen Seite hin krümmt. Sitzen beide Löcher auf den Einkerbungen der Bolzenenden und lässt man die Kette wieder los, reicht das tatsächlich, um einen festen Sitz zu gewährleisten. Den meisten Ketten liegt übrigens ein Verschlussstück bei, man kann sie aber auch separat für durchschnittlich einen Euro kaufen.
Fahrer der meisten Nabenschaltungen und Getriebe müssen dran denken, nach der Kettenmontage deren Spannung wieder herzustellen. Dazu muss im Allgemeinen das Hinterrad wieder etwas weiter hinten im Ausfallende fixiert werden. Ab Werk kommen Ketten schon mit Schmierung. Wurden die Ritzel nicht mit getauscht, kann das Laufgeräusch der Kette auf den ersten Kilometern etwas rau sein, das gibt sich aber. Die entfernten, überzähligen Glieder heben sich einige Radler auf, um eine optische Referenz zum Zustand ihrer Kette zu haben.
Die Verschleißlehre CC-4 (unten) wird mit den beiden rechten Stiften von oben in die Kette eingelegt, der rechte von beiden sorgt für korrekten Sitz. Bei neuen Ketten setzt dann der Dorn ganz links auf einem Kettenbolzen auf. Je weiter die sieben Glieder zwischen den Messstiften ausgeleiert sind, desto tiefer sinkt er in vier Stufen in die Kette. Der Kettennietendrücker CT-3.3 (links) öffnet und schließt Ketten ohne separates Verschlussglied, indem der versenkbare Dorn den Niet aus seiner Buchse drückt; dabei werden Innen- und Außenlaschen der Kette aber vom Tool abgestützt.
Die MLP-1.2-Zange zum Öffnen von bereits vorhandenen Kettenschlössern (rechts) ist kein Muss, mit herkömmlichen Spitz- oder Kombizangen haben sich dabei viele Hobbyschrauber aber schon mal die Finger eingeklemmt. Die leicht krallenartigen Spitzen passen genau um die zwei Kettenbolzen eines solchen Verschlussglieds. Durch Schließen der Zange drückt man sie aufeinander zu, was den Verschluss sicher und zuverlässig entriegelt.