Es bricht einem Radenthusiasten schier das Herz, im Winter tagelang eingeschneite, schutzlos dem Salz der Straßen ausgesetzte, dauerberegnete und verwitterte Räder oder Pedelecs zu sehen, die überhaupt nicht bewegt werden. Und wenn man sich im Frühling mal an die Annahmetheken in den Werkstätten stellt, ist der ein oder andere Kunde verwundert, dass man sein Rad nicht einfach mit Lappen, einem Tropfen Öl und einem Zauberspruch wieder aus dem Winterschlaf holen kann.
Ein Rad und ganz besonders ein E-Bike ist ein Verkehrsmittel, ein technisches Gerät und nicht zuletzt ein Wertgegenstand, und es lohnt sich sowohl monetär als auch im Sinne von Sicherheit und Fahrspaß, sich darum zu kümmern. Und das betrifft ganz besonders den Schutz vor Kälte, Nässe, Salz und langen Standzeiten. Hier sind die Maßnahmen, die man selbst treffen kann, um sein Rad winterfest zu machen – im Vergleich zu den Vorteilen und Einsparungen im Frühjahr simpel, billig und unkompliziert. Also fangen wir doch gleich mal an!
Vor dem Winter muss man sich entscheiden: Soll das Rad für die Weiterfahrt im Winter fit gemacht werden, oder will ich für einige Wochen darauf verzichten und es einmotten? Mehr als die Hälfte der Arbeitsschritte sind identisch. Im Grunde geht es darum, mechanische Teile zu säubern und eine Schutzschicht aufzutragen, und bei Pedelecs noch um die Konservierung von elektrischen Kontakten und die Erhaltung der Akkuleistung. Erst in einem zweiten Schritt geht es um die richtige Lagerung aller dieser Komponenten über eine längere Zeit hinweg.
Am Anfang aller Konservierung steht aber das gründliche Reinigen. Am einfachsten wäre es, zu einer Selbstwaschkabine für Autos zu fahren. Mit einer Sprühlanze kann man nicht nur den groben Dreck abspülen, sondern auch Stellen erreichen, an die man mit Hand oder Bürste kaum herankommt.
Aber Achtung: Der Strahl ist sehr hart und konzentriert! Trifft er aus kurzer Entfernung auf die Spalte von Lagern oder noch schlimmer auf die Dichtungen zwischen Akku und Rahmen sowie anderer Elektronikteile, kann dort Wasser eindringen. Das Wasser verdrängt Schmiermittel im Lager, das kann rosten und läuft dann rau. Und was ein Wassereinbruch in der Elektronik anrichten kann, erklärt sich von selbst.
Ein bezahlbarer Luxus sind mobile Reinigungsgeräte mit Akku, die mit niedrigen Wasserdrücken das Fahrrad schonend säubern, egal ob in der hintersten Gartenecke, der Garageneinfahrt. Im Auto fahren die kompakten Akku-Geräte gegebenenfalls mit an den Waldrand, wo sie das Rad vor dem Einladen abspritzen können. Eigens fürs Radreinigen konstruiert ist der Hochdruckreiniger vom Radreinigungsexperten Muc-Off mit drei verschiedenen Lanzen für harten Dreck am Rahmen (eigentlich fürs Motorrad), flächige Verschmutzungen am Reifen oder Antrieb und einer mit sanftem Sprühnebel für die sensiblen Teile. Das Highlight ist aber der Aufsatz zum Einseifen.
Das Autowaschen ohne Ölabscheider auf Privatgrundstücken ist verboten, für Räder gilt das jedoch nicht explizit. Trotzdem sollte man Ölanhaftungen im Sinne des Umweltschutzes vor dem Abduschen mittels Lappen entfernen! Wer statt mit dem Hochdruckreiniger nur mit Bürste und Schwamm putzt, kann Pkw-Reiniger für alle Rahmenteile nutzen. Den Antrieb geht man am besten mit speziellem Kettenreiniger an. Tipp: Letzteren kann man auch für das komplette Rad nehmen, wenn man “trocken” putzen muss. Vorher den losen Dreck einfach abbürsten. Dreck und altes Öl sind zwar nicht gefährlich: Sie können langfristig maximal Flecken im Lack verursachen. Aber sie binden Wasser, das nicht abfließt, sondern festgehalten wird. Das begünstigt Korrosion und kommt besonders an sich bewegenden Teilen vor wie dem Steuerlager, den Bremssockeln oder den Naben.
Das gilt natürlich auch für Kette, Ritzel und Schaltwerke. Vor der ersten Frühlingsfahrt würde man den Antrieb wohl eh säubern und fetten – warum also nicht schon jetzt, wenn man das Fahrrad winterfest macht? Die Ölschicht schmiert im Sommer und schützt im Winter. Der Antrieb sollte mit einer harten Bürste von groben Anhaftungen befreit werden. Tipp: die Bürste auch von oben auf die Kette schlagen, sodass Dreck aus den Zwischenräumen der Glieder gedrückt wird. Danach Kettenreiniger auf einen Lappen träufeln und die Kette mehrfach mit festem Druck abwischen. Seife und Co. sind an dieser Stelle eher schlecht, sie muss auf jeden Fall sehr gründlich abgespült werden: Wo Seifenreste sind, bleibt Öl nicht haften.
Ein regelrechter Glaubenskrieg tobt um Kettenreinigungsmaschinen, schmale Boxen, durch welche die Kette in S-Form über Bürsten geführt wird. In der Box befindet sich der Reiniger. Viele Mechaniker sagen, die Reinigung sei zu effektiv, sie entferne auch den Schmierfilm zwischen den Laschen der Kette, und die werde dann auf Dauer fest. Die Reste des Reinigers verflüchtigen sich übrigens schon nach ein paar Minuten. Wer Lederteile am Rad hat, sollte die vor der Nasswäsche mit Frischhaltefolie umwickeln. Das Reinigen der Reifen erscheint zwar überflüssig, hat aber den Vorteil, dass man Beschädigungen oder Alterungsanzeichen besser sieht. Einmal im Jahr lohnt dieser Aufwand, besonders bei Lasten- und Stadträdern, allemal, das bestätigt auch Steffen Jüngst von Schwalbe.
Bremsflächen und Reifen sollte man übrigens beim Verwenden von Konservierungsmitteln aussparen. Bremsflanken oder -scheiben können mit etwas Verdünnung oder Bremsenreiniger auf einem Lappen nach dem Konservieren sogar noch mal entfettet werden, dabei aber bitte Gummihandschuhe tragen. Wichtig bei den Elektronikkomponenten eines Pedelecs: Wasser grundsätzlich von den Kontakten fernhalten! Sollte mal ein Malheur passieren, lufttrocknen lassen.
Spontane Kurzschlüsse sind laut Marco Klimmt vom Batteriemontagezentrum (BMZ) nicht zu erwarten. Sollten Stromprobleme nach dem Waschen und Trocknen bestehen, soll man nach seiner Aussage die offenen Kontakte auf Korrosion – meist erkennbar als grünliche Kruste – kontrollieren und bei Bedarf mit einer feinen Drahtbürste säubern. NICHT mit Schraubendreher oder ähnlichem in den versenkten Kontakten des Akkus herumkratzen! Hier kann Kontaktspray wie das von WD-40 als “letztes Mittel” das Wasser verdrängen und Korrosion rückgängig machen. Unser Experte im Interview rät aber davon ab.
Nach dem Reinigen folgen die Konservierung und eventuell das Einlagern. Dafür haben wir Checklisten aufgestellt. Der Zeitaufwand für alle Maßnahmen inklusive Waschen beträgt maximal 90 Minuten. Bedenkt man den Aufwand für die Fahrt zur Werkstatt, die Kosten für nötige Neuteile und die lange Wartezeit aufs Bike im Frühling, ist das eine top investierte Zeit.
Hier unsere Produkttipps (Abbildungen von links): Muc-Off X-3 Dirty Chain Machine zur mechanischen Kettenreinigung, der Pressure Washer inkl. vier Aufsätzen, WD-40 Milder Radreiniger ohne Treibgas und zugehöriges Kettenreinigerspray, Muc-Off HC B-1 Korrosionsschutz zum Sprühen sowie das sämigere Hydro-Dynamic-Kettenöl, das Kettenölspray von WD-40 (als Tipp bei schon ankorrodierten Ketten), Gelber Kettenreiniger von Muc-Off mit Pumpzerstäuber und sowie Muc-Off Bikereiniger, dessen Gewinde in die Schaumlanze des Hochdruckreinigers passt.
Nachdem Sie ihr Rad winterfest gemacht haben, ist die Einlagerung der nächste, wichtige Schritt. So motten Sie das Bike richtig ein, damit pünktlich mit den ersten Sonnentagen die Reaktivierung in wenigen Schritten vonstatten geht:
MYBIKE im Interview mit Produktmanager Adrian Stanciu von Brose zum richtigen Umgang mit den Motorkomponenten eines Pedelecs über den Winter.
MYBIKE: Fahren oder einlagern – was ist besser für E-Bike-Systeme?
Adrian Stanciu: Da gibt es kein Richtig oder Falsch. Beim Einlagern ist das Bike geschützt vor Witterungseinflüssen wie Kälte, Nässe, Frost und Salz. Das verlängert die Lebensdauer, vor allem des Akkus. Allerdings sind die Komponenten nicht auf Lagern, sondern auf ganzjährige Nutzung ausgelegt. Sachgemäßer Gebrauch und ordentliche Pflege sind besser als seltener Einsatz und fehlerhaftes Reinigen.
Wie sollte das Pedelec richtig gelagert werden?
Das Bike sollte trocken und nicht zu kalt oder zu warm stehen. Akkus fühlen sich bei ungefähr zehn Grad Celsius am wohlsten, daher sollte die Temperatur zwischen null und 20 Grad liegen. Unter minus zehn und über 40 Grad wird es kritisch, da die Batterie dann deutlich schneller altert. Unter den richtigen Bedingungen kann sie aber gut im eingebauten Zustand gelagert werden.
Muss man die elektrischen Kontakte am Akku pflegen?
Die Dichtungen sind so ausgelegt, dass die Kontakte keinen zusätzlichen Schutz benötigen. Das regelmäßige Entfernen von Schnee oder Streusalz vom Gehäuse oder der Abdeckung kann hilfreich sein, von Mitteln wie Kontaktsprays ist dabei eher abzuraten. Man weiß nie, welche Stoffe darin enthalten sind und wie diese chemisch mit den Dichtungen reagieren.
Wie kann man Antrieb und Akku in kalten, nassen Perioden schützen?
Durch richtiges Waschen. Der Motor sollte nach Fahrten durch Streusalz gereinigt und dann trockengerieben werden, um Korrosion vorzubeugen. Ansonsten nur bei Bedarf säubern – zu häufiges Waschen kann den Dreck unter die Dichtungen drücken. Wasserstrahl mit niedrigem Druck nutzen, so kurz wie möglich draufhalten (besonders an Stoßstellen zwischen Bauteilen, Anm. der Red.) und nicht zu nah rangehen – vor allem in den Bereichen der Tretlager und elektrischen Kontakte. Der Akku sollte beim Reinigen nicht ausgebaut werden. Die Dichtungen schützen die Kontakte vor Wasser, bei ausgebauter Batterie kann es zu versehentlicher Verschmutzung und Korrosion kommen.
Sollte man Motor und Akku bei Winterfahrten isolieren?
Der Motor ist normalerweise vom Rahmen her mit Kunststoffabdeckungen eingehaust, außerdem dient das Gehäuse als Kühlfläche. Daher sollte der Motor nicht zusätzlich isoliert werden. Bei der Batterie dagegen erhält das Abschirmen gegen kalte Temperaturen die maximale Kapazität und fördert die Lebensdauer. Es gibt Thermoschutzhüllen, die außen am Rahmen angebracht werden. Aber Achtung: Man darf nicht vergessen, die Isolation im Sommer abzunehmen, sonst kann sich die Batterie überhitzen.