Henri Lesewitz
· 30.03.2023
Bei der Suche nach einem Fahrradlicht stellt sich für viele Biker eine Grundsatzfrage: Soll es eine Lampe für echten Geländeeinsatz sein, etwa für 24-Stunden-Rennen und Abenteuer-Trips? Oder soll die Fahrradbeleuchtung einfach nur den Tag verlängern? Bei Feierabend-Touren und Alltagsfahrten. Entweder, oder. Leistungsstarke MTB-Lampen sind meist nicht für die Nutzung im Straßenverkehr zu gelassen. Mit der SL AX präsentierte Lupine eine Art eierlegende Wollmilchsau, die jetzt in überarbeiteter Version erhältlich ist. Lohnen sich die 675 Euro für den Brenner mit StVZO-Zulassung? Wir haben die brandneue Version einem Hardcore-Test unterzogen.
Was zuerst auffällt: die optische Ähnlichkeit mit Lupine’s 1090 Euro teurer Rennlampe Alpha, die mit 8100 Lumen und fetischistischer Verarbeitung das Nonplusultra der Bike-Beleuchtung darstellt. Wie bei dieser besteht auch der Kopf der SL AX aus CNC-gefrästem Alu. Auch die Dimensionen beider Lampenköpfe sind ähnlich, nämlich eher wuchtig. Was einerseits der im Inneren verbauten Technik geschuldet ist. Aber auch dem Aspekt, dass das Gehäuse mit den Kühlrippen auch die Funktion hat, die Hitze abzuleiten. Die maximale Leuchtleistung der SL AX wirkt im Vergleich mit der Alpha eher mickrig. 3800 Lumen (38 Watt) sind ein stolzer Wert, im direkten Vergleich aber erst mal wenig beeindruckend. Zumal die SL AX mit 675 Euro alles andere als billig ist.
Der entscheidende Unterschied der Lupine SL AX zu einer klassischen Fahrradlampe ist, dass sie Entgegenkommende nicht blendet. Der Lichtkegel ist quasi nach oben hin abgeschnitten. Dennoch verfügt sie über die Option des vollen Aufblendens, falls man die Lampe auch mal bei einem 24-Stunden-Rennen einsetzen oder auf Tour eine schwierige Gelände-Passage meistern will. Auch das Tagfahrlicht ist eine Besonderheit. Dieses ist weniger zum Ausleuchten gedacht, sondern dafür, von anderen Verkehrsteilnehmern gesehen zu werden.
Die Lupine SL AX verfügt über fünf Stufen. Tagfahrlicht. Abblendlicht (normal und gedimmt) sowie Fernlicht (normal und gedimmt). Erster Check: das Tagfahrlicht ist, was die Ausleuchtung betrifft, erwartungsgemäß recht schwach, würde aber abendliche für Fahrten in der City gerade noch so ausreichen. Das Abblendlicht bietet eine ordentliche Ausleuchtung. Der hart abgeschnittene obere Bereich, der das Blenden Entgegenkommender verhindert, ist aber gewöhnungsbedürftig. Schaltet man aus diesem Modus auf volle Stufe, ist das wie eine Lichtexplosion. Wow! Das Dunkel ist wie vom Lichtkegel zerstäubt, der nicht nur weit in die Ferne leuchtet, sondern gleichmäßig die Bereiche links und rechts vor dem Vorderrad erhellt.
Kleines Manko: Wegen der speziell geformten Lenker-Vorbau-Einheit am Test-Bike sitzt die SL AX oben auf der Ahead-Kappe, was dank eines Adapters möglich ist. Durch die hohe und zurückgesetzte Position des Lampenkopfes fällt das Licht aber so, dass das Vorderrad einen Schatten wirft. Das ist nicht ganz optimal. Mit der klassischen, originalen Lenkerschelle, die aber nur bei runden Lenkern passt, wäre das nicht der Fall. Lupine bietet als Befestigungs-Option einen GoPro-Mount. Auf dem Zubehörmarkt finden sich diverse Gegenstücke für das MTB. Die Firma K-Edge hat zum Beispiel einen speziellen Ausleger mit GoPro-Mount im Programm, der sich unten an der Lenker-Vorbau-Einheit von Syncros befestigen lässt.
Hat man einen klassischen, runden Lenker für die Schnellspann-Schelle am Bike oder einen alternativen Mount gefunden, geht die Montage ruckzuck. Der Akku wird einfach per Klettband am Oberrohr befestigt und sitzt rüttelfest. Der Bluetooth-Schalter kann ebenfalls ohne Werkzeug befestigt werden.
Im normalen Alltagsbetrieb kann die Lupine voll überzeugen. Die Verarbeitung ist Premium. Die Montage funktioniert werkzeuglos in Sekunden. Die Ausleuchtung ist perfekt, auch auf unbefestigten Wegen. Fährt man hauptsächlich abgeblendet, hält der Akku zwischen sechs und zehn Stunden. Das ist top. Dennoch stellt sich die Frage: Braucht man für den Alltag eine so mächtige, teure Fahrradbeleuchtung?
Das große Argument für die Lupine SL AX ist für mich, dass man sie ganz normal auf öffentlichen Straßen, aber auch bei 24-Stunden-Rennen, Abenteuer-Trips oder Abstechern ins Gelände fahren kann. Achtung! Bei Letzterem unbedingt checken, ob es sich um Schutzgebiete für Wild oder ähnlich sensible Zonen handelt. Die SL AX bietet die volle Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten. Das macht sie so besonders. Doch wie gut ist sie im harten Renneinsatz? Um das herauszufinden, fuhr ich mit ihr das legendäre 24 Hours in the Old Pueblo in Arizona, eines der ältesten und legendärsten 24-Stunden-Rennen der Welt.
Was sich auf der Rennstrecke noch deutlich mehr bemerkbar macht als beim gemütlichen Cruisen ist die hervorragende Ausleuchtung des Trails. Mit voll aufgeblendeter SL AX ist die Nacht ein helllichter Tag, zumindest innerhalb des Leuchtkegels. Alles ist top zu sehen. Der Bereich vor dem Vorderrad (abgesehen von dem kurzen Schattenstück direkt davor wegen der speziellen Montage an meinem Bike). Die Seitenbereiche links und rechts vom Trail. Und auch die nächsten 100 Meter. Man könnte die ganze Nacht lang biken wie an einem Nachmittag. Wenn der Akku so lange halten würde. In hellster Stufe würde er aber gerade mal etwas länger als eine der 25 Kilometer langen Runden durchhalten, für die ich aufgrund des fahrtechnischen Anspruchs etwa 1:20 Stunden benötige. Die Kunst beim 24-Stunden-Rennen ist es, die hellen Stufen so sparsam wie möglich einzusetzen. Schon beim kleinsten Anstieg oder bei weniger ruppigen Passagen heißt es runter zu dimmen. Akku-Management nennt sich das.
Das Schalten in den Abblend-Modus ist bei der Lupine SL AX gewöhnungsbedürftig. Denn mit einem Mal ist der obere Sichtbereich wie abgeschnitten. Eine harte Kante trennt jetzt hell und dunkel. Nicht optimal, wenn man Vollgas über einen Rennkurs drückt. Das ist bei der Alpha besser. Um besser in die Ferne gucken zu können, drehe ich die Lampe etwas nach oben. Der Bereich unmittelbar vor mir ist so immer noch hell genug, die Sicht nach vorne ist aber nicht mehr so abgeschnitten. Im Straßenverkehr würde man so Entgegenkommende blenden. Da Rennstrecken aber Einbahngassen sind, spielt das hier keine Rolle.
Das Abdimmen des Abblendmodus (von 8 auf 5 Watt) reduziert noch etwas die Helligkeit. Aber nicht dramatisch. Ich muss mich etwas mehr auf den Kurs konzentrieren, kann das angeschlagene Tempo aber weiter fahren, ohne mich unsicherer zu fühlen. In dieser Stufe fühle ich mich trotz der noch mal reduzierten Lichtstärke recht wohl, denn ich weiß, dass der Akku jetzt sicher die Nacht durchhalten wird. Wie lange genau hängt davon ab, wie oft man zwischendurch auf Fernlicht schaltet. Ich tue das in jeder Abfahrt. Als ich nach zwei Runden bei Dunkelheit (also nach zirka 3 Stunden) den Akku-Stand mit dem Kontroll-Knopf checke, leuchten noch drei der fünf Dioden auf. Alles im grünen Bereich.
Die Lupine SL AX ist ein Premium-Fahrradlicht mit einem extrem breiten Einsatzbereich, der vom täglichen Pendeln bis hin zu 24-Stunden-Rennen oder noch Härterem reicht. Es fühlt sich gut an zu wissen, dass man man andere Verkehrsteilnehmer nicht blendet, oder dass man keinen Strafzettel wegen fehlender StVZO-Zulassung zu erwarten hat. Montage, Bedienung und Leuchtdauer sind so, wie man es von einer perfekten Bike-Lampe erwartet. Die Besonderheit der SL AX ist ihr schönes, breites und gleichmäßiges Leuchtbild. Das Fahren im abgeblendeten Modus ist wegen des hart abgeschnittenen oberen Bereichs etwas gewöhnungsbedürftig. Ist diese Lampe 675 Euro wert? Definitiv ja. Ob man so ein Wunderwerk der Technik aber tatsächlich braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden. – Henri Lesewitz, BIKE Chefredakteur