Gitta Beimfohr
· 05.09.2025
Okay, ganz fair ist der Vergleich innerhalb der Redaktion nicht. Manche unter uns bekommen einfach jedes Schnupfenvirus aus dem Kindergarten ins Haus geliefert oder in der vollen S-Bahn direkt ins Gesicht gehustet. Das sind natürlich erschwerte Bedingungen. Aber auch unter diesen schaffen es einige bemerkenswert unbehelligt durch die Erkältungssaison. Da darf man schon mal nach deren Erfolgsrezept fragen.
Grundsätzlich hilft gegen Erkältung und Grippe nach wie vor: nichts. Nicht mal die Corona-Pandemie hat ein universelles Heilmittel hervorgebracht. Wer ein Virus aufschnappt, wird es ein paar leidvolle Tage lang ausbrüten müssen. Das ist Fakt.
Das einzige, was man wirklich tun kann: Das Immunsystem so zu stärken, dass es nicht jedes Erkältungsvirus einlässt, einen Infektverlauf vielleicht sogar verkürzt oder zumindest abmildert. Und zwar so:
Das sind die allgemein bekannten Säulen des Erfolgs. Aber es gibt wohl niemanden, der nicht auf ein persönliches Erfolgsrezept schwört. Allein bei uns in der Redaktion driften die Ideen weit auseinander. Zwiebelsud löffeln? Den muss man morgens erstmal runter kriegen. Nase mit Salzwasser durchspülen – vorstellbar. Aber so wie die Jungs aus unserer Freeride-Abteilung jeden Abend in eine Eiswasser-Tonne steigen – allein der Gedanke daran löst bei mir ein erstes Halskratzen aus. Die Frage ist ja auch: Bringt derartige Quälerei überhaupt was?
Wir haben unsere angeblichen 100-Prozent-Tipps mal gesammelt und an eine Expertin geschickt, die es wissen muss. Die Sportmedizinerin Stefanie Mollnhauer leitet das Institut Pro-Formance für Leistungsoptimierung und betreut dort seit 1997 Hobby- und Profisportler unter anderem mit Diagnostik und Trainingsplänen. Auch hier spielt das Thema Stärkung des Immunsystems natürlich immer wieder eine Rolle. Vor allem, wenn wegen eines Erkältungsinfekts Pausen eingehalten und damit ursprünglich geplante Trainingsziele neu anvisiert werden müssen.
Andersrum kann ein Zuviel an Trainingseinheiten das Immunsystem eines Sportlers auch empfindlich schwächen, was ein Leistungstief und eine höhere Infektanfälligkeit zur Folge haben könnte. Bei mehr als 500 zu betreuenden Sportlern pro Jahr bekommt die Sportmedizinerin also viele Immunsysteme zu sehen und nahezu genauso viele Geheimtipps zur Stärkung. Auch unsere zehn Tipps aus der BIKE-Redaktion hat sie nun bewertet und jeweils auf Sinn und Unsinn analysiert.
Ich liebe es, im Winter in den See zu springen, weil ich mich dabei lebendig fühle und es mich sogar ein bisschen glücklich macht. Außerdem soll es das Immunsystem stärken. Letzten Winter besorgte ich mir eine Eistonne. Mein Ziel: am Ende des Winters fünf Minuten im Wasser ausharren. Keine Chance – schon bei 2:45 Minuten wurde ich im Nachgang fast den ganzen Abend nicht mehr warm. Und nein, das fühlte sich nicht gesund an. Also verkürzte ich meine Sessions auf 1:30 Minuten und machte danach fünf Minuten Liegestützen und Kniebeugen, um wieder warm zu werden. Mein Tipp: Eine aufblasbare Plastiktonne lässt sich im Frühjahr im Keller besser verstauen.
Das sagt die Expertin: Das Verlassen der Temperatur-Komfortzone ist positiver Stress für den Körper: Noradrenalin und Cortisol steigen an, der Sympathikus wird aktiviert. Dies führt kurzfristig zu verminderter Infektanfälligkeit. Eine dauerhaft bessere Infektabwehr konnte aber bislang nicht nachgewiesen werden. Achtung: Nur bei stabiler Gesundheit versuchen. Bei einer womöglich unerkannten Herzerkrankung oder Bluthochdruck könnte der Temperatur-Schock zu groß sein!
Viren fühlen sich vor allem in saurem Milieu wohl. Ich weiß noch, wie ich mich immer schlapp und müde gefühlt habe und häufig mit Erkältungen zu kämpfen hatte. Bis mir jemand den Tipp gab, dass es an einer „Übersäuerung“ meines Körpers liegen könnte. Seither verzichte ich auf Fleisch und ernähre mich vorwiegend basisch. Morgens gleich ein halber Liter Smoothie, in den ich schon auch Früchte der Saison, aber vor allem Gemüse wie Rote Beete und Karotten, sowie Löwenzahn und Gänseblümchen mixe. Und jede Menge Körner wie Hanfsamen, Chia und Leinsamen (Omega-3-Fettsäuren!). Mittags esse ich dann einen Salat, gern mit kalten Kartoffeln und Zitrus-Dressing (für die Eisenaufnahme). Mit diesem gesunden Vorsprung gönne ich mir abends aber auch mal eine Teller Nudeln.
Das sagt die Expertin: Basisch sind im Wesentlichen Obst und Gemüse. Diese Nahrungsmittel sind allein schon über ihre Dichte an Mikronährstoffen und Vitaminen DIE Grundlage für eine gute Immunabwehr/Immunzellbildung. Die zudem enthaltenen Ballaststoffe sind essentiell für die Darmflora. Die Darmflora (unser Mikrobiom) wiederum beeinflusst direkt, wie Immunzellen reifen und regulieren. Top!
Brot, Kuchen und Nudeln aus Weißmehl, Zucker, Fleisch und Wurst, Fisch, Milch, Eier, Alkohol - aber auch geschälter Reis können den Säure-Basen-Haushalt beeinflussen.
Ein Trainingsexperte hat mir mal verraten: Jeden Tag einfach fünf verschiedene Farben an Obst und Gemüse essen, dann hat man das optimale Vitamin-Paket intus. Doch beim kleinsten Halskratzen gönne ich mir einen Extra-Boost aus Vitamin C und Zink (z. B. „Vitamin C 1000 + Zink + D3 direkt“ von Taxofit).
Außerdem lasse ich im Herbst meinen Vitamin-D-Spiegel im Blut checken. Denn: Was der Körper über die UV-Strahlung im Sommer nicht angereichert hat, wird er in den Wintermonaten nicht mehr reinholen – und die Infektanfälligkeit steigt. Da Vitamin D fettlöslich ist, nehme ich es nach dem Essen und dazu noch Magnesium, weil es das Vitamin D in eine aktive Form umwandelt und für den Körper besser verwertbar macht.
Das sagt die Expertin: Vorsicht, Extra-Vitamine können bei einem Zuviel auch schaden. Meine Empfehlung: Vitamin C besser in kleineren Dosen über den Tag verteilt aufnehmen (4 x 200 mg). Zink: In höherer Dosierung behindert es die Aufnahme von Eisen (wichtig für die Hämoglobinbildung!). Vitamin D kann in zu hoher Anreicherung im Körper giftig wirken. Daher unbedingt den eigenen Vitamin-D-Spiegel vorher abklären. Magnesium ist an über 300 Stoffwechselprozessen beteiligt, eine ausreichende Versorgung ist wichtig!
Eine intakte, gut gepflegte Nasenschleimhaut ist das beste Schutzschild gegen Erkältungsviren, habe ich mal gelernt. Bei anhaltend trockener, klimatisierter oder auch pollenbelasteter Luft soll es daher ratsam sein, ab und zu eine Nasendusche zu verwenden. Das reinigt und befeuchtet. In Apotheken und Drogerien bekommt man den Behälter und das geeignete, exakt portionierte Salz dazu.
Wenn es mich trotzdem erwischt hat – vielleicht sogar mit Nasennebenhöhlen-Entzündung – verwende ich die Nasendusche sogar zwei Mal am Tag. Ist die Nase völlig dicht, mache ich sie vorher mit abschwellenden Nasentropfen frei und spüle anschließend durch. So kann die Salzlösung – jedenfalls gefühlt – bis in die hinterste Ecke des Infekts vordringen. Klappt bei mir super.
Das sagt die Expertin: Es gibt keine positive Evidenz dazu, dass Nasenspülungen mit isotonischer Kochsalzlösung die Schleimhautfunktion verbessern. Auch lässt sich damit nicht die „hinterste Ecke des Infekts“ erreichen. Sie können aber Symptome wie verstopfte Nase, Nasensekret und Druckgefühl vorübergehend mildern.
Achtung mit abschwellenden Nasentropfen: Diese dürfen nur wenige Tage verwendet werden, sonst gibt es einen Rebound-Effekt und es besteht Suchtgefahr!
Viel trinken ist ja immer gut, aber vor allem dann, wenn es darum geht, bereits eingenistete Viren schneller aus dem Körper zu spülen. Meine Erfahrung: Wenn ich im Herbst und Winter viel heißen Tee trinke (auch ohne Erkältung), muss ich die Heizung nicht so weit aufdrehen und sorge damit direkt für ein besseres Atemklima. Auch außerhalb der Wohnung!
Das sagt die Expertin: Viel trinken unterstützt das Immunsystem indirekt: Schleimhäute in Nase, Rachen, Bronchien werden hydratisiert und können so Krankheitserreger besser abfangen. Speziell warme (nicht heiße!) Getränke wie Kräutertees. Aber: Bereits eingenistete Viren können so leider nicht aus dem Körper gespült werden!
Schwitzen, abkühlen, schwitzen. Oder anders gesagt: Gefäße weiten und wieder verengen. Saunagänge sind das perfekte Gefäßtraining. Ein Durchblutungs-Boost für Stoffwechsel, Herz-Kreislauf- und Immunsystem. Ab Herbst versuche ich, einmal die Woche einen Saunabesuch einzurichten.
Das sagt die Expertin: Sauna macht positiven Stress – sehr gut. Aber wie beim Eisbaden (Tipp 1) bitte nur in absolut gesundem Zustand, da es eine Zusatzbelastung für den Körper ist. Laut Studien zeigt sich bei 1-2 Mal finnischer Sauna pro Woche eine positive Modulation des Immunsystems und eine Verbesserung der Schleimhautfunktion.
Die Zwiebel gilt auch als altes Hausmittel, weil sie husten- und schleimlösend wirkt (Zwiebel mit Honig mischen, über Nacht ziehen lassen und den Sud löffelweise einnehmen). Aber ich meine eher das schichtenweise Anziehen auf dem Bike.
Im Herbst versuche ich einen Schweißfilm auf der Haut oder gar eine Biergarten-Einkehr mit feuchtem Trikot unbedingt zu vermeiden. Lieber zum An- oder Ausziehen einer Schicht öfter mal anhalten und für die Rast ein Ersatzunterhemd einstecken, als danach fröstelnd nach Hause zittern zu müssen.
Das sagt die Expertin: Sowohl das alte „Hausmittel“, als auch die Bekleidungsstrategie dieses „Zwiebel-Prinzips“ sind absolut empfehlenswerte Maßnahmen.
„Damit du wieder zu Kräften kommst“, hat Oma immer gesagt. Und tatsächlich habe ich nach einer heißen Hühnersuppe das Gefühl, dass die Nase deutlich freier ist und der Hustenreiz zumindest eine Weile aufhört.
Das sagt die Expertin: Hühnersuppe kann bei Erkältungssymptomen durchaus spürbare Linderung bewirken. Gründe für die verbesserte Schleimlösung sind aber die Wärme und die Zufuhr von Flüssigkeit, nicht irgendwelche spezifischen Wirkstoffe des Huhns.
Bei minimalem Anzeichen von Schnupfen hilft mir leichtes Radfahren oft noch mal drüber weg. So als hätte ich das Virus noch rechtzeitig ausgeschwitzt. Beginnt es aber schon im Hals zu kratzen, weiß ich, dass die Pulsspitzen einer echten Mountainbike-Runde tabu sind.
Wenn ich trotzdem das Bedürfnis habe, mich etwas zu bewegen, spaziere ich vielleicht noch zu Fuß durch den Wald. Das hält auch die Schleimhäute in Gang. Bei Gliederschmerzen, Husten oder gar Fieber verzichte ich komplett auf Sport, um Herz-Kreislauf- und Immunsystem nicht zusätzlich zu belasten. Auch wenn’s schwer fällt: Ins Training steige ich frühestens zwei Tage nach den letzten Symptomen wieder ein.
Das sagt die Expertin: Bahnt sich eine Erkältung erst ganz langsam an, ist leichtes Radfahren, also maximal im Grundlagen-Ausdauerbereich (GA1), schon mal okay. Aber dann bitte nur eine kurze Runde drehen von maximal 1,5 Stunden. Eine Ausfahrt von sechs Stunden unter leichter Belastung ist in Summe auch anstrengend und würde den Körper zu sehr belasten.
Ingwer, Ingwer, Ingwer. Sobald sich im Herbst die Temperaturen neigen, besorge ich mir im Bioladen so einen 0,7-Liter-Bottich mit fertigem Ingwersaft und trinke daraus morgens einen ersten Shot pur, mittags mische ich mir eine Schorle und abends gibt’s das Ganze noch mal als Tee. Für mehr Fruchtgeschmack macht sich darin eine zusätzlich frisch ausgepresste Orange gut.
Bei mir hält das Erkältungen ganz gut weg. Andere schwören auch auf die entzündungshemmende Wirkung von Kurkuma oder eine Kombination aus beiden Wurzeln (gibt’s auch als Granulat zum Aufgießen z. B. von Doppelherz aktiv „Heißer Ingwer + Curcuma“).
Die Expertin: Ingwer enthält Vitamin C, Magnesium, Kalzium, Eisen, Phosphor, Kalium und Natrium sowie gesunde ätherische Öle. Er wirkt antibakteriell und entzündungshemmend, regt die Durchblutung und die Verdauung an. Achtung: In hohen Dosen / regelmäßiger Zufuhr kann es zu Wechselwirkungen
mit Medikamenten kommen (z. B. Blutverdünnern)!
Das Ganze im leistungsstarken Mixer pürieren – fertig!
Zusammengefasst lässt sich aus den 10 Tipps schließen: Alles, was die Nasenschleimhäute auf Trab bringt und geschmeidig hält, ist definitiv hilfreich. Auch die Schocktherapie in der Eistonne stärkt kurzfristig – weil man den Körper mit dieser radikalen Kur einer Art „natürlichem Stress“ aussetzt. So wie etwa Gefahr und Flucht zu Urzeiten, wo es meist schon tödlich war, überhaupt krank zu werden. „Aber Vorsicht!“, warnt Stefanie Mollnhauer. „Das Verlassen der Temperatur-Komfortzone durch Eisbaden, aber auch in der Sauna, ist nur bei absoluter Gesundheit zu empfehlen!“ Bei einer womöglich unerkannten Herzerkrankung oder Bluthochdruck könnte der Schock zu groß sein. Das gilt auch für erst Kaltwasserbecken und danach gleich in die Sauna springen (Blutdruckabfall).
Kollege Adrian wird sich wohl ein neues Rezept für seine Immunabwehr suchen müssen. In Omas Huhn steckt leider doch zu wenig kräftigendes Cystein drin, das die weißen Blutkörperchen in den Schleimhäuten ausbremsen könnte. „Außer man glaubt fest dran“, so Mollnhauer, „Dr. Placebo hilft ja immer irgendwie. So wie übrigens bei allen anderen Tipps auch.“ Nun ja, ab und zu ein Infekt ist ja nicht schlimm und soll das Immunsystem ebenfalls stärken.
Die Sportmedizinerin und ehemalige Rennrad- und Mountainbike-Racerin ist seit 1997 niedergelassene Ärztin. Als CEO von Pro-Formance, einem Institut für Leistungsoptimierung, verfasst sie auch Bücher und hält Workshops zu den Themen Training, Leistungsdiagnostik und Burnout-Prävention.