Wir machen Sie fit auf dem Bike in 4 Wochen

Florentin Vesenbeckh

 · 14.08.2017

Wir machen Sie fit auf dem Bike in 4 WochenFoto: Markus Greber
Wir machen Sie fit auf dem Bike in 4 Wochen
Jedes Jahr die gleiche Leier: Die Sonne weckt die Bike-Lust, doch der Trainingsstand eher den Bike-Frust. Und das heißt: letzte Chance für Faulpelze – so werden Sie fit in vier Wochen.

"So läuft es häufig", lacht der Sportwissenschaftler Philipp Peter und blickt von den Trainingsplänen auf seinem Laptop auf. "Kurz vor einem besonderen Ereignis muss noch ganz schnell an der Form gedreht werden", beschreibt er die Anfrage von unzähligen Ausdauersportlern, die in seinem Trainingszentrum mit dem klassischen Turbo-Wunsch auftauchen. Nicht, dass die Wechsel der Jahreszeiten in unseren Breiten völlig überraschend kämen, doch viele Biker schalten im Winter auf Notbetrieb und machen sich über ihre Fitness erst Gedanken, wenn die Spatzen das Lied vom Frühling schon von den Dächern pfeifen. Aber dann soll es natürlich umso schneller gehen. Schließlich stehen die ersten Touren mit den Kumpels an, und vielleicht war nicht jeder so faul wie man selbst.

Wer eine langfristige Vorbereitung verschläft, landet unweigerlich in der Situation, in kurzer Zeit viel erreichen zu wollen. Egal, ob ein Wettkampf bevorsteht, oder schlicht der Start in die Touren-Saison. "Man kann einen Schnellstart schon riskieren. Aber es besteht eine erhebliche Gefahr von Überlastungen, besonders, wenn ich nach einer trainingsarmen Zeit plötzlich voll durchstarte", warnt Philipp Peter. Zack! Da ist er wieder, der Schlag in die Magengrube. Ist der Saisonstart also schon vergeigt? Für Hobby-Biker natürlich nicht. Wer nach einem faulen Winter jetzt an einer soliden Grundlage arbeitet, kann schon in wenigen Wochen getrost in die Saison starten. Davon profitieren Biker dann den ganzen Sommer über. Die Grundlage ist das Wichtigste, die Härte holt man sich später. Auch die ersten Touren sollte man noch locker angehen: Lassen Sie sich nicht von den Kumpels zu Sprint-Einlagen und Vollgasausritten verleiten. Halten Sie die Intensität gering, steigern Sie erst die Länge der Touren. Dadurch wird die Power im Laufe der Saison umso größer.

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Vor dem Griff zu Bike und Trainingsplan sollte eine ehrliche Selbstanalyse stehen. Nur darauf lässt sich ein sinnvolles Trainingsprogramm zusammenstellen. Auf den folgenden Seiten finden Sie Wochenpläne für drei unterschiedliche Typen: vom faulen Couch-Potato über den fleißigen Multi-Wintersportler bis hin zum Dauer-Biker, der sich auch bei winterlicher Witterung konsequent hinter den Lenker geklemmt hat. Je nach Ihren individuellen Voraussetzungen und Ihrem Trainingsstand, werden Sie sich einem dieser drei Trainingsprogramme anschließen. Wissen sollten Sie: In einer faulen Periode verlieren Sie als erstes Ihre Schnelligkeit, dann geht es mit der Kraft und danach mit der Ausdauerleistung bergab. Je länger und umfangreicher Sie diese Fähigkeiten vorher trainiert haben, desto länger bleiben sie Ihnen auch erhalten. Langjährige Ausdauerfüchse sind also im Vorteil. Aber auch für Gelegenheits-Biker oder Einsteiger gibt es gute Nachrichten: Zwar nimmt die Fitness in der Trainingspause schnell ab, dafür machen Neulinge bei Wiederaufnahme des Trainings deutlich größere Leistungssprünge. In diesem Sinne: Nutzen Sie die Chance, dem Winterschlaf eins auszuwischen.


SO KOMMEN SIE ANS ZIEL


Wer wissen will, was er im Training zu tun hat, muss zu allererst analysieren: Wo stehe ich? Trainings­spezialist Philipp Peter hat drei Winter-Typen kategorisiert und entsprechende Trainingspläne vorbereitet.


TYP 1: Der Winter-Coucher
Wenn es draußen kalt und nass ist, lassen Sie es lieber gemütlich angehen. Krampfhaft fit bleiben ist nicht Ihr Ding – Biken ist schließlich Genuss.

• Die Grundlagenausdauer ist stark zurückgegangen – darauf muss der Fokus liegen, um fit durch die Saison
zu kommen. Übertreiben Sie es nicht mit der Intensität, das kann leicht nach hinten losgehen.
• Meist geht die Trainingspause mit spürbarer Gewichtszunahme einher. Deshalb sollten Sie die Ernährung in die Vorbereitung integrieren. Wenn Sie sich zum Saisonstart Ihrem Optimalgewicht annähern, geht der Einstieg deutlich leichter!
• Um Verletzungen und Fehlbelastungen vorzubeugen, sollten Sie an Beweglichkeit und Rumpfkraft arbeiten und auch die Beinkraft zurück zu alter Stärke bringen.

  Typ 1: Winter-CoucherFoto: Fotolia Typ 1: Winter-Coucher


TYP 2: Der Umsteiger
Sie halten sich über den Winter fit, gehen regelmäßig laufen oder ins Fitness-Studio. Das Bike spielt in den kalten Monaten aber weniger eine Rolle.

• Es gilt, die Bike-spezifische Leistung wieder aufzupeppen. Wichtig: eine saubere Ist-Analyse:
• Wenn Ihr Ausgleichssport eine Ausdauersportart war, können Sie problemlos ins Biken einsteigen. Umfänge zunächst beibehalten und nach und nach aufs Bike (indoor oder outdoor) umstellen. Dann langsam Umfänge hochschrauben und vor allem die Athletik trainieren.
• Wenn Ihr Wintersport wenig Ausdauerkomponenten enthalten hat, starten Sie wie Typ 1 mit Grundlagenausdauertraining. Etwas höhere Umfänge sind möglich, der Bereich Kraft / Athletik wurde ggf. im Winter weitertrainiert und ist noch ausreichend vorhanden.

  Typ 2: UmsteigerFoto: Daniel Simon Typ 2: Umsteiger


TYP 3: Der Dauer-Biker
Ab aufs Bike, so oft es geht! Sie lassen sich auch von Minusgraden und Schnee nicht abschrecken, radeln regelmäßig ins Büro oder auf Bike-Tour.

• Sie haben Ihre Grundlagenausdauer ordentlich über den Winter gebracht, jetzt gilt es, das Training gezielter zu gestalten und so den nächsten Schritt zu machen.
• Steigern Sie den Trainingsumfang aus dem Winter Woche für Woche, jede vierte Woche sollte eine Erholungswoche (ca. 60 Prozent der Vorwoche) sein.
• Gezielte Einheiten mit intensiven Intervallen setzen wichtige Reize für Ihre Ausdauer.
• Die viele Zeit auf dem Bike birgt auch Risiken. Investieren Sie in Ausgleichstraining und beugen Sie so klassischen Biker-Beschwerden vor. So bleiben Sie die gesamte Saison über fit und einsatzbereit.

  Typ 3: Dauer-BikerFoto: John Gibson Typ 3: Dauer-Biker


TYP 1


Montag: Pause


Dienstag: 30–45 min Ausdauertraining mit lockerer Intensität (65–75 % der max. HF), MTB, Ergometer oder laufen. Ersetzen Sie die Einheit nach 2–3 Wochen durch Intervalltraining (4 x 30 sek, über die Wochen auf bis zu 4 x 4 min ausbauen, analog Intervalltraining anderer Typen)¹,²


Mittwoch: Pause


Donnerstag: 45 min Bike-spezifisches Krafttraining im Studio (6–8 Übungen á 2 x 15–25 Wdh., Pause je 1–2 min) oder funktionelle Übungen ohne Geräte³


Freitag: Pause


Samstag: 30–90 min Ausdauertraining mit lockerer Intensität (65–75 % der max. HF), MTB, Ergometer, laufen, Stepper oder Crosstrainer¹


Sonntag: 30 min Stabilisationsübungen (4–5 Übungen) für die Rumpfmuskulatur und 6–8 Dehnübungen für den gesamten Körper à 2 x 30–45 sek Haltedauer³


Gesamtdauer/Woche: 2,5–3,5 Stunden


TYP 2


Montag: Pause


Dienstag: 30–45 min Intervalltraining, je 10 min Warmup / Cooldown (70–80 % der max. HF), Intervallserie 4 x 30 sek mit sehr hoher Intensität (Intervallzeiten über die Wochen auf bis zu 4 x 5 min ausbauen) / MTB oder Ergometer¹,²


Mittwoch: 30–60 min Ausdauertraining mit lockerer bis mittlerer Intensität (70–80 % der max. HF), MTB, Ergometer oder laufen¹


Donnerstag: 60 min Bike-spezifisches Krafttraining im Studio (8–10 Übungen á 2 x 15–25 Wdh., Pause je 1–2 min) oder funktionelle Übungen ohne Geräte³


Freitag: Pause


Samstag: 60–120 min Ausdauertraining mit lockerer Intensität (65–75 % der max. HF), MTB oder Ergometer¹


Sonntag: 45 min Stabilisationsübungen (2 x 4–5 Übungen) für die Rumpfmuskulatur und 6–8 Dehnübungen für den gesamten Körper à 2 x 30–45 sek Haltedauer³


Gesamtdauer/Woche: 3,5–5,5 Stunden


TYP 3


Montag: Pause


Dienstag: 45–60 min Intervalltraining, je 10 min Warmup / Cooldown (70–80 % der max. HF), Intervallserie 4 x 1 min mit sehr hoher Intensität (Intervallzeiten über die Wochen auf bis zu 4 x 6 min ausbauen) / MTB, Ergometer oder laufen¹,²


Mittwoch: 60–90 min Ausdauertraining mit mittlerer Intensität (75–85 % der max. HF), MTB oder Ergometer¹


Donnerstag: 60 min Bike-spezifisches Krafttraining im Studio (8–10 Übungen á 2 x 15–25 Wdh., Pause je 1–2 min) oder funktionelle Übungen ohne Geräte³


Freitag: Pause


Samstag: 90–150 min Ausdauertraining mit lockerer Intensität (65–75% der max. HF), MTB oder Ergometer¹


Sonntag: 30–60 min Ausdauertraining mit lockerer bis mittlerer Intensität (70–80 % der max. HF), in Form eines Alternativsports: laufen, Inline-Skating, Spielsport,
etc. + 45 min Stabilisationsübungen (2 x 4–5 Übungen) für die Rumpfmuskulatur und 6–8 Dehnübungen für den gesamten Körper à 2 x 30–45 sek Haltedauer³


Gesamtdauer/Woche: 5,5–8 Stunden


¹Indoor-Training ist intensiver als draußen zu biken. Reduzieren Sie beim Indoor-Biken die Trainingszeit auf 2/3, Laufeinheiten sogar auf gut 1/2.
²Zwischen den Intervallen locker rollen, Pausenlänge = Intervalllänge. Wählen Sie die Intensität so, dass das letzte Intervall gerade noch durchgängig auf dem gleichen Leistungs-Level durchgezogen werden kann.
³Passende Übungen finden Sie unter www.bike-magazin.de, webcode #26687 und #5831


DIE FITMACHER


Mit Köpfchen, statt übermäßigem Ehrgeiz: So bereiten Sie sich optimal auf die Bike-Saison vor.


1. Aerobe Ausdauer

Die Basis des Trainings bildet die sogenannte Grundlagenausdauer, ohne die sich der Körper nicht nachhaltig weiterentwickeln kann. Sie wird mit lockeren Intensitäten trainiert, als grobe Richtwerte gelten 65 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Das heißt, Sie empfinden eine leichte Anstrengung, können aber jederzeit in längeren Sätzen reden, ohne tief Luft zu holen. Dadurch wird das Herz-Kreislauf-System trainiert, möglichst viel Sauerstoff zu den Muskeln zu transportieren. Dauer und Anzahl der Trainingseinheiten hängen vom individuellen Fitnesslevel und den sportlichen Zielen ab. Zum Wiedereinstieg kann die Belastung zwischen 2 x 30 Minuten und 4 x 1–2 Stunden pro Woche liegen. Ob diese Einheiten auf dem Bike, dem Ergometer oder z. B. beim Laufen absolviert werden, ist zweitrangig. Wichtig: Achten Sie zu Beginn auf eine erhöhte Bewegungsfrequenz (z. B. Trittfrequenz höher als 80 U/min), das schont Muskeln, Sehnen und Bänder. Diese müssen sich erst wieder an höhere Kraftbelastungen gewöhnen – sonst drohen Überlastungs- oder Verletzungsschäden. Ab drei Einheiten pro Woche kann eine Ausfahrt auch schon etwas intensiver ausfallen – aber nur eine! Ziel beim Ausdauertraining: Maximal 20 Prozent des Wochenumfangs bein-halten intensivere Belastungen, der Rest ist Grundlagentraining.


2. Kraft / Athletik

Gerade, wenn der Trainingsumfang in relativ kurzer Zeit stark gesteigert werden soll, darf ein Ausgleichs- und Athletiktraining nicht zu kurz kommen. Ein stabiler Rumpf ist wichtig, um Überlastungen vorzubeugen, die durch die wachsenden Trainingsumfänge provoziert werden können. Aber auch die Beinkraft sollte auf Vordermann gebracht werden. Wer im Winter Muskulatur abgebaut hat, kann mit gezieltem Training viel bewirken. Binden Sie in zwei Athletikeinheiten pro Woche à 30–60 Minuten auch ein Dehnprogramm oder eine Selbstmassage mit der Black-Roll ein. Tipps und Übungen finden Sie auf
www.bike-magazin.de, webcode #26687
und
#5831


3. Ernährung

Der Trainingsumfang geht nach unten, gleichzeitig drücken Weihnachtsgans und Plätzchen auf die Hüften. Die Folge: Das Gewicht geht in den Wintermonaten nach oben. Um das in den Griff zu bekommen, braucht es einerseits Geduld, denn die steigenden Trainingsumfänge regulieren die Pfunde automatisch. Andererseits kann der Leistungsfortschritt durch leichte Ernährungsanpassung optimal unterstützt werden: Reduzieren Sie kurzkettige Kohlenhydrate wie Zucker in Speisen und Getränken und gesättigte Fette (z. B. Butter, Sahne, Wurst, Käse) – in Kombination mit dem Trainingszuwachs ein echter Schlankheits- und Leistungs-Booster.


Interview mit Philipp Peter, Sportwissenschaftler – Trainingsinstitut Formkurve: "Eines sollte klar sein: "Es ist nie die letzte Fahrt eures Lebens!"


Welche Fehler machen Biker, die in kurzer Zeit viel erreichen wollen?
Häufig wird zu intensiv trainiert. Ohne die notwendige Grundlagenausdauer kann sich der Körper nicht langfristig weiterentwickeln. Das führt zu Leistungsstagnation. Am Anfang einer Trainingsphase muss ein mindestens vier- bis sechswöchiger Block mit dem Schwerpunkt aerobe Ausdauer stehen. Also die Intensität in den meisten Einheiten niedrig halten. Um einen spürbaren Trainingseffekt zu erzielen, benötigt der Körper acht bis zwölf Wochen.


Das heißt, ich kann in wenigen Wochen gar nichts erreichen?
Natürlich kann ich auch kurzfristig meine Leistung nach oben pushen. Hier helfen vor allem intensivere Intervalle. Das Risiko von Überlastungen ist aber sehr hoch, insbesondere, wenn ich von einem niedrigen Trainingslevel starte. Dann haben Gelenke, Sehnen und Bänder nicht die Möglichkeit, sich an die hohen Belastungen zu gewöhnen, und auch die reine Muskelkraft reicht nicht aus. Somit sind Probleme vorprogrammiert.


Und wenn ich schon ganz gut im Training bin?
Auch dann muss ich überlegt vorgehen. Volles Programm in den letzten zwei Wochen vor dem Alpen-Cross ist zum Beispiel eher kontraproduktiv, da es mehr ermüdet, als dass es die Leistung vorwärtsbringt.


Was empfiehlst Du?
Haltet Euch vor Augen, dass ein kurzfristiges Ziel nie die letzte Fahrt Eures Lebens sein wird. Das sollte klar sein! Eine Frage, die sich jeder stellen sollte: Was kommt danach? Denn nichts ist wichtiger, als die geliebte Sportart dauerhaft gesund und mit Freude ausüben zu können.

  Philipp Peter, Sportwissenschaftler – Trainingsinstitut FormkurveFoto: Privatfoto Philipp Peter, Sportwissenschaftler – Trainingsinstitut Formkurve


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