Tacx, Elite, Wahoo - es gibt bereits ein paar große Hersteller, die um die Kundschaft mit schönen Geräten für das herbstliche Indoor-Cycling werben. Der niederländische Hersteller Truekinetix, dessen Smarttrainer “Truetrainer” wir bereits getestet hatten, bietet schon einige Zeit ein komplettes Indoor-Bike an. Leider hatte bisher aus logistischen Gründen auch nur das niederländische Publikum die Möglichkeit, das Fitness-Gerät zu kaufen. Seit diesem Sommer etwa gibt es das Truebike auch für deutsche Kunden. Zeit also auch für uns, das Indoor-Cycle mal auszuprobieren.
Die Logistik ist bei dem Truebike tatsächlich immer noch eine Herausforderung: Das Gerät wiegt ohne Verpackung und mit Pedalen 44,5 Kilo - also mehr als 2 Kisten Bier. Es kommt zudem in einer deutlich mehr als waschmaschinengroßen Verpackung. Den Karton samt Bike allein zu bewegen, ist also fast aussichtslos. Also wird das Truebike schon auf der Straße entpackt und auf den Rollen, die es zum Glück hat, in die Wohnung bugsiert. Das funktioniert recht gut, solange keine Treppen im Weg sind.
Das Truebike selbst ist dann schnell fertig montiert, auf die eigenen Physiognomie eingestellt - ein passender Innensechskantschlüssel ist an der Sattelstütze platziert - und der Monitor ausgerichtet. Denn das ist das Erste, was das Indoor-Bike von Truekinetix von anderen unterscheidet: Man kann es sofort benutzen und braucht kein zusätzliches Gerät wie Smartphone, Tablet oder Laptop, das erst gekoppelt werden muss.
Diverse Einstellung, das Training, Tracking-Daten - alles ist über das etwa Tablet-große Display abrufbar. Denn das ist die Philosophie des Herstellers: Strom anschließen, aufsteigen und loslegen. Selbst einen Account kann man zuvor mit der App anlegen, kann das aber auch genau so gut lassen. Die Verbindung mit dem heimischen WLAN funktioniert gut, ebenso mit diversen Brustgurten.
Noch mehr zum Thema Indoor Cycling haben wir hier:
Den Eindruck, dass das Truebike sehr robust sein muss, bekam man schon beim Transport ins Haus. Und das erste Aufsteigen bestätigt ihn vollkommen. Das Indoor-Cycle steht super stabil, Wiegetritt mit 1 Million Watt ;-) - kein Problem. Selbst der Sattel ist qualitativ gut und blieb bei meinem Test einfach auf dem Rad.
Konstruktion und Verarbeitung des gesamten Geräts sind offenbar auf Langlebigkeit ausgelegt, auch wenn die Kunststoff-Verkleidung des massiven Rahmen edler und passgenauer sein könnte. Das ist aber nur ein optischer Minuspunkt. Der aber auch auf die grafische Oberfläche der Software zutrifft, die irgendwie aus der Zeit gefallen scheint; Stand circa Anfang 2000. Zumindest, wenn man die User Experience von Garmin, Zwift & Co. gewohnt ist. Sei’s drum: Die Truekinetix-Software funktioniert sehr gut!
Beim ersten Ride fällt unglücklicherweise auf, dass das Truebike recht laut ist. Erste Versuche mit untergelegten Schallschutzmatten aus Gummi (ja, die für die Waschmaschine) waren wenig erfolgreich. Auch Rücksprache mit dem Hersteller Truekinetix führte zu keiner nennenswerten Verbesserung.
Das ist umso erstaunlicher, weil deren Smarttrainer deutlich ruhiger war und im Prinzip mit dem gleichen “Motor” lief. So bleibt also festzustellen, dass das Truebike kaum mit Fernsehen nebenher, noch weniger mit einem Partner nebenan auf dem Sofa funktioniert. Der Sound ist vergleichbar mit dem eines dicken Staubsaugers.
Positive Parallele zum Truetrainer ist die riesige Auswahl der Gänge und Gangkombinationen - der Hersteller gibt 400 Gear Sets an. Durch die implementierten virtuellen Gänge ist praktisch jede physische Schaltung nachstellbar - inklusive ovaler Kettenblätter, die aber nur optional sind. Man kann also genauso seine MTB-Kombi (40 vorn, 50 hinten) wie versuchsweise eine professionelle Rennrad-Kombi (54/40) für das Training fahren. Alles ist schnell via Software eingestellt.
Die Software verbindet sich mit den verschiedenen Trainingsplattformen wie beispielsweise Zwift oder Rouvy und bietet zudem die Möglichkeit, sich auch selbst Trainingsstrecken zu basteln oder einfach nur die Gangwahl und eine Fahrt nach gar keinen Plänen zu starten.
Die Messfelder sind vielfältig. Vor allem die Wattmessung inklusive einer Rechts-links-Verteilung sind erwähnenswert, weil so in Echtzeit dargestellt wird, ob der Tritt auch wirklich rund ist. Nach dem Training laufen die Daten - wie von anderen Herstellern bekannt - via WLAN in die Truekinetiv-App und in die gegebenenfalls verbundenen anderen Plattformen.
Die Bedienung mittels der 9 Tasten am Lenker ist intuitiv, weil das Bedienfeld immer auch auf dem Display gespiegelt und dort mit Funktionen belegt ist. Das funktioniert zum Beispiel deutlich einfacher als die Gamecontroller am Zwift Ride.
Zuletzt spielt natürlich auch der Preis in die Attraktivität eines Produktes ein. So ein Indoor-Cycle ist erst einmal teurer als ein Smarttrainer. Bei Truekinetix steht der Truetrainer mit 1699 Euro (Version 8.2) bzw. 1049 Euro (kleinste Ausstattung) dem Truebike (inkl. Display) mit 3595 Euro bzw. 3095 Euro (ohne Display) gegenüber. Ausgehend von den beiden Topmodellen sind das also knapp 1900 Euro Unterschied.
Mit dem Truebike steht im Gegensatz zum Rollentrainer ein komplett autarkes System im Wohnzimmer. Dafür braucht man weder ein zusätzliches Endgerät, noch ein extra Rad, das erst eingespannt und bei Bedarf wieder ausgebaut werden muss oder eben nur außerhalb der Indoor-Season zur Verfügung steht. Zumindest Letzteres bleibt eine Grundsatzentscheidung, die man bei allen Herstellern fällen muss. Den Bildschirm hat das Truebike-Topmodell von Truekinetix schon an Bord.
Der Preis des Truekinetix Truebike Indoor Cycle im Vergleich zu anderen Herstellern und deren Indoor-Bikes sieht so aus:
(Die Preise sind UVP. * ist aktueller Straßenpreis)
Das Truebike von Truekinetix macht einen äußerst stabilen Eindruck. Konstruktion und Verarbeitung passen, auch wenn die Kunststoffverkleidung hochwertiger sein könnte. Die Motorsteuerung, die Truekinetix als ihr Hauptverkaufsargument anführt, ist sehr angenehm beim Treten und leistet Widerstand, bis der Arzt kommt. Durch die virtuellen Gänge bietet sie außerdem riesige Anpassungsmöglichkeiten. Allein der Versuch ist es wert, das gleiche Training mal mit einer anderen Gangkombination zu fahren.
Auch kraftvollen Wiegetritt im Stehen nimmt der Trainer aus Stahl stoisch hin. Die leicht beweglichen Füße könnten die Bewegungen des Indoor-Bikes aus unserer Sicht gern noch mehr aufnehmen, auch wenn Truekinetix mit der “natürlichen Wackelbewegung” explizit wirbt. Außerdem ist das Indoor-Cycle sehr laut, was sich wohl leider kaum beeinflussen lässt. Bleibt zu hoffen, dass der Hersteller in einem nächsten Produkt-Update nachbessern kann. Auch das hohe Gewicht kann gegen den Kauf sprechen, etwa, wenn das Truebike keinen festen Platz in der Wohnung bekommen kann.
Die Bedienung der hauseigenen Software ist zweckmäßig und funktioniert reibungslos. Ja, die Optik der Oberfläche könnte schmucker sein - oder eben noch puristischer. Ob sich der hohe Kaufpreis für das Indoor-Trainingssystem lohnt? Nun, die Entscheidung können wir leider niemandem abnehmen, die muss man selbst fällen: entweder Smarttrainer plus extra Bike einerseits oder das Indoor-Bike all inclusive auf der anderen Seite. Wir können aber eine Empfehlung zu den Kriterien geben , die bei einer Entscheidung helfen: Platz, Einsatzhäufigkeit und ein gegebenenfalls schon vorhandener eigener Bike-Fuhrpark.