Jede Saison braucht neue Herausforderungen. Ich habe meine gerade gefunden. Ich sehe einen Webclip von Kirt Voreis. Darin slidet Kirt um Kurven, tabletopt über Sprünge und lässt bei jeder Gelegenheit den Lenker kreiseln. Und das mit seinem Everyday-Mountainbike. Das will ich auch. Doch wie? Anruf bei Bike-Profi Korbi Engstler:
Kannst Du mir den Barspin beibringen?
Korbi antwortet ohne zu überlegen:
Klar, ein Tag reicht, und Du kannst ihn.
Gelegenheit für eine weitere Wette: Schafft es Korbi, mir den Barspin beizubringen, kriegt er 500 Euro. Kreiselt mein Lenker am Ende des Tages nicht, geht Korbi leer aus. Zugegeben, es gibt Dutzende von Tricks, die cooler sind als der Barspin. Der Backflip, der Moto-Whip oder der Shoulder-Burner zum Beispiel. Doch mir ging es darum, einen Trick zu lernen, der 1. realistisch ist, ohne großes Risiko und schnell erlernbar. Und 2. den ich überall machen kann. Deshalb reizte es mich, den Barspin mit dem Trailbike zu lernen statt mit dem Dirtbike. Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon auf meiner Hausstrecke in München – mit rotierendem Lenker: Barspin von der Bordsteinkante, beim Drop am Isar-Ufer, wartend an der Ampel. Einfach überall, auch im Bikepark natürlich. Dass ich den Barspin schnell lernen würde, bezweifelte ich nach Korbis Einschätzung nicht mehr. Denn: Wenn er das sagt, wird es wohl so sein.
Die Zeit ist knapp. Statt an einem Tag, soll der Barspin nun in wenigen Stunden sitzen.
Erste Zweifel kamen mir, als ich auf einen Youtube-Clip von Jasper Jauch stieß. Das Web-Video trägt den Titel: “Selbstversuch, kann ich den Barspin in 4 Tagen lernen?” In dem Clip versucht der Ex-Worldcupper und Youtuber den Trick mit mäßigem Erfolg. Ich sehe, wie Jasper strauchelt, flucht, sich die Finger am Lenker stößt. Mein Selbstvertrauen schwindet. Ich denke: Wenn sich selbst Jasper als ehemaliger Profi schwertut, wie soll’s mir dann gelingen?
Der Algorithmus von Youtube meint es gut mit mir und baut mich sofort auf. Denn nun wird ein weiteres Video vorgeschlagen mit dem Titel: “How to Bunny-Hop-Barspin in nur 5 Minuten” von Lukas Knopf. Darin zerlegt Lukas den Trick in einzelne Bewegungen. Für mich klingt das alles schlüssig.
Doch was stimmt denn nun? Kann ich den Trick jetzt in fünf Minuten, in vier Tagen oder an einem Tag lernen? Um überhaupt anfangen zu können, muss ich mein Trailbike Barspin-tauglich machen. Das erfordert einiges an Schraubergeschick und Zeit. Gut, dass mir Kollege Mike aus unserem Testlabor dabei hilft (Anm. d. Red.: Der Autor stand in Wirklichkeit nur daneben). Seine Anleitung lest Ihr hier.
Freitagnachmittag nahe Leutkirch im Allgäu. Korbis Heimat. Der Coach schnallt sein Dirtbike vom Heckklappenträger. In seinem Gesicht ist Entschlossenheit zu erkennen. Die Schmach vom letzten Mal will er nicht auf sich sitzen lassen. Aufmerksame FREERIDE-Leser werden sich erinnern: Für Ausgabe 3/22 wollte Korbi der FREERIDE-Redaktion den Eurotable beibringen – ohne Erfolg. Wette verloren! Diesmal soll das anders werden. Korbi hat sich einen Masterplan zurechtgelegt. Denn die Zeit ist knapp. Termine! Statt an einem Tag, soll der Barspin nun in wenigen Stunden sitzen. Doch erst mal bremst Korbi meine Euphorie. Während ich dachte, ich könnte am Wochenende bereits den Lenker über Dirt-Sprünge rotieren lassen, will Korbi nur den sogenannten Pickup-Barspin garantieren. Die billige Variante.
“Der Bunny-Hop-Barspin ist viel komplexer”, sagt Korbi und zieht eine Augenbraue hoch, als wolle er meine Unbescheidenheit rügen. Der Pickup-Barspin ist die einfachste Variante. Dabei hebt man bei geringer Geschwindigkeit das Vorderrad an, klemmt den Sattel zwischen die Beine und lässt den Lenker rotieren. “Na gut, dann halt das”, antworte ich. Allerdings etwas enttäuscht.
Korbi beginnt mit der ersten How-to-Übung seines Masterplans: Zuerst lehne ich mit dem Hinterrad an einem Zaun, das Vorderrad schwebt in der Luft. Hier probiere ich mich an der Bewegung. “Nicht werfen, führen”, sagt Korbi. Also begleite ich mit einer Hand das eine Lenkerende bis etwa auf Höhe des Oberrohrs, für die restlichen 180 Grad reicht der Schwung, dann greifen beide Hände wieder blitzschnell zum Lenker. Das wiederhole ich ein Dutzend Mal bis es blind sitzt.
Danach kommt die zweit wichtigste Bewegung: das Klemmen. Damit die Front beim Pickup nicht sofort wieder absackt, muss ich den Sattel mit der Innenseite der Knie klemmen. Das übe ich im Liegen, mit dem Rücken auf dem Boden. “Heute Abend werden Deine Innenschenkel schmerzen” sagt Korbi, dabei grinst er spöttisch. Er wird recht behalten.
Endlich ist es Zeit für die ersten Versuche. Wir wählen eine Asphaltstraße, das erleichtert es, das Vorderrad anzuheben. Die größte Hürde ist mein Kopf. Es kostet zwei, drei Anfahrten, bevor ich mich überwinden kann, den Lenker wirbeln zu lassen. Und siehe da, schon nach rund fünf “Würfen” gelingt mir die 360-Grad-Drehung. Ich bin stoked, auch Fotograf Janik scheint überrascht und grinst zufrieden in sein Kamera-Display. Korbi hingegen schüttelt den Kopf: “Nicht werfen!”.
Okay, okay, dann versuche ich es eben mit Führen, und auch das gelingt schneller als gedacht. Hin und wieder schleicht sich ein Fehler ein, doch im Ganzen klappt’s. Mission gelungen! Diesmal wandern die 500-Euro in Korbis Tasche.
Doch ich will mehr. Nämlich den Barspin während eines Bunny-Hops. Wir gehen rüber auf die Wiese, hier ist der Untergrund weicher – besser bei Stürzen. “Und stürzen wirst Du”, sagt Korbi. Denn diese Variante sei nicht nur anspruchsvoller, sondern auch etwas riskanter, weiß Korbi. Der Meister macht’s vor: ein stinknormaler Bunny-Hop, nur eben mit Lenkerdrehung. Sieht easy aus. Jetzt ich. Wieder die mentale Hürde. Fünf Bunny-Hops vergehen, ohne Barspin-Impuls. Dann endlich überwinde ich mich und zack, der Lenker dreht einmal rum, doch ich komm’ nicht mehr zum Greifen und schleudere nach hinten. Nix passiert, doch ich bin um eine Erkenntnis reicher: Komplexe MTB -Tricks lernt man nicht an einem Nachmittag.
Ich bin stoked, auch Fotograf Janik grinst zufrieden in sein Kamera-Display. Korbi hingegen schüttelt den Kopf.
Soll das Trailbike Barspin-kompatibel werden? Wir zeigen, wie es funktioniert – handwerkliches Geschick und Schraubererfahrung sollte man allerdings mitbringen. Hier unsere Anleitung zum selber Schrauben.
Schraube Griffe und Hebel vom Lenker. Per Meterstab abmessen. Wir kürzten den Alu-Lenker auf 740 Millimeter. Markiere die zu kürzenden Zentimeter an beiden Lenkerenden – dann kürzen.
Zuerst musst Du die Leitung der Vario-Stütze verlängern. Dafür brauchst Du einen neuen Zug plus Außenhülle (gibt‘s als Set). Hol es Dir in der maximalen Länge.
Die Bremsleitung hinten abschrauben, Olive abknipsen und Leitung rausziehen (Achtung bei innen verlegten Zügen) Ideal: Verlängerungs-Kit Bremsleitung (ca. 20 €) erspart viel Zeit.
Das gleiche wie Schritt 2. Dazu brauchst Du ein Schaltungs-Set (maximale Länge). Tipp: Alten Schaltzug drinnen lassen und als Einfädelhilfe für neue Außenhülle benutzen.
Krallen-Einschläger sind teuer. Daher am besten im Shop ausleihen oder im Shop einschlagen lassen. Achtung beim Einschlagen nur mit der Schraube – hohe Verletzungsgefahr!
Finde die richtigen Längen für die Leitungen – dazu Lenker 360 Grad drehen, und simuliere so einen Barspin. Leitungen markieren und abschneiden.
Schließe jetzt die Leitungen wieder an (beide Bremsen, Vario und Schaltung). Bedienungsanleitung beachten.
Beide Bremsen am Sattel anschließen und entlüften. Dabei Entlüftungs-Set und Bedienungsanleitung zur Hilfe nehmen.
… und einstellen. Hierfür gibt’s YouTube-Clips, z. B. auf dem YouTube-Kanal von BIKE.
Stelle das Cockpit nach Deinen Bedürfnissen ein, Steuersatz festziehen. ACHTUNG: Die Spacer können wegen der Leitungen im Nachhinein nicht verändert werden.
Achte auf ein hohes Cockpit (per Lenker-Rise oder Spacer), damit der Lenker beim Spin nicht am Rahmen schleift.
Barspins sind cool. Ich mag es, hin und wieder einen Barspin zu drehen – aber nur einen. Double-Barspins will ich nicht lernen.
Der Barspin ist der Kombi-Trick überhaupt. Du kannst ihn überall dazupacken – das macht ihn so reizvoll. Isoliert macht er natürlich auch Spaß. Ich mach’ ihn überall – auf dem Parkplatz oder beim Trailride – ja, selbst im Hotelzimmer funktioniert er. Ich hab’ dem Trick sogar einen eigenen Song gewidmet.
Mich hat fasziniert, den Trick zu lernen, weil er so furchtbar technisch ist. Besonders bei Sprüngen über Doubles und Tables. Du musst wissen: Wenn Du die Lenkerdrehung verkackst, steckt Dir im Nu ein Lenkerende im Magen. Wichtig ist es, den Lenker zu führen, statt zu werfen! Werfen bringt Unruhe in die Flugphase.
Mir fallen auf Anhieb fünf Tricks ein, die ich lieber lernen würde. Der Barspin gehört sicher nicht dazu. Es ist ein reiner Dirt-Trick. Sorry, ich verstehe den Hype nicht.
Der Barspin ist ein Risikomanöver. Entweder Du schaffst es rum oder eben nicht. Koordinativ eine Herausforderung. Hin und wieder mach’ ich einen auf dem Dirtbike.