Dimitri Lehner
· 07.11.2022
Wir brauchen mehr Style! Der Euro-Table ist ein imposanter Bike Trick, denn man stylisch über Kicker ziehen kann. Style-Master Korbinian Engstler soll uns beibringen, wie man sein Bike so richtig flachlegt. Schafft er es – dann bekommt der Allgäuer 500 Euro.
“Style kann man nicht lernen, Style kommt irgendwann, man muss nur warten!“ Der Satz stammt von Bike-Star Aaron Chase. Wie lange man warten muss, hat Aaron leider nicht gesagt. Ich warte jedenfalls schon lange, doch kein Style in Sicht. Deswegen will ich nachhelfen. Kollege und Bruder Laurin hatte es vorgemacht, er engagierte Promi-Biker Elias Schwärzler. Elias sollte ihm den Suicide No Hander beibringen. Das war unsere erste 500-Euro-Wette. An einem Nachmittag erfüllte der Österreicher die Mission, Laurin flog freihändig durch die Luft, Elias steckte sich fünf Scheine in die Taschen – alle waren happy. Genauso sollte es gerne wieder laufen, mit mir als Profiteur.
Korbinian Engstler ist eine Frohnatur. Kein Wunder, denn Korbi ist jung (22 Jahre), fit und erfolgreich. Kaum ein anderer deutscher Biker sitzt so stylisch auf dem Rad wie der Allgäuer, deswegen folgen ihm Tausende auf Instagram. Und deswegen ist Korbi meine erste Wahl als Style-Coach. Ich schlage ihm den Job vor: Euro-Table, bei Erfolg 500 Euro, und Korbi willigt ein. Ich habe mir den Euro-Table rausgesucht, denn der Bike Trick sieht besonders lässig aus: Lenker verdrehen und Bike flachlegen zwischen angewinkelten Beinen. So durch die Luft zu segeln, ist Coolness pur, ein Top-Gun-Manöver für Zivilisten.
Korbi bestellt uns in den Bikepark Weingarten bei Ravensburg. Warum uns? Na ja, wenn schon Style-Nachhilfe für 500 Euro, dann bitte für den Kollegen gleich mit. Die grünen Scheine stecken in meinem Geldbeutel, bereit zur Übergabe. Ich bin voller Zuversicht, denn Anfänger sind wir beide nicht. Dass die Moves nicht richtig klappen, schieben Laurin und ich auf fehlende Übung. Denn wenn wir biken, testen wir. Und testen heißt moshen, also schnell fahren, fies fahren. Denn wir wollen Dämpfer zum Schwitzen und Gabeln zum Kotzen bringen. Mit Style haben wir wenig am Hut. Den braucht’s höchstens fürs Foto und fürs Ego. Deswegen stehen wir jetzt auf dem Parkplatz am Strandbad. Hier beginnen die Weingarten-Trails, eine Abfolge von Sprüngen und Kurven im deutschen Mischwald.
„Ideal zum Üben“, sagt Korbi, „doch erst machen wir einige Vorübungen!“
Ich sehe, der Bub hat sich vorbereitet. „Das Knie muss den Rahmen nach unten drücken! Die Arme drehen den Lenker ein!“ Ich drehe und drücke. Auch Laurin dreht und drückt. „Ja, genau, so muss das aussehen!“, sagt Korbi. Wir euro-tabeln vor dem Strandbad, doch mit einem Fuß im Kies, statt in luftiger Höhe.
Dann wird’s ernst. Oder halb ernst, denn Korbi, der Fuchs, will schwindeln. Er lotst uns zu einem Hip-Jump. Das ist eine abgeschnittene Kurve. In Freeride-Deutsch: Sharkfin, Haiflosse genannt. Sie lässt den Biker automatisch in Schräglage durch die Luft fliegen – da gibt’s den halben Euro-Table gratis. Ohne eigenes Dazutun! Und tatsächlich: Ich schieße durch den Turn, das Bike kippt von alleine zur Seite, jetzt nur noch einlenken, fertig ist der Euro-Table! Korbi jubelt, Fotograf Moritz johlt. Ich kann’s kaum glauben: Erfolg beim ersten Versuch dieses Bike Tricks? Fast!
„Das war super, weiter so!“, schreit Korbi.
Laurins Versuche schaue ich mir besser nicht an, denn ich bin auf Erfolgskurs. Falsche Bewegungsbilder stören die Motorik. Das habe ich irgendwo gelesen. Also: Blick zum Boden und wieder hochschieben. Meine Scheuklappenstrategie funktioniert nicht. Für die nächsten Versuche kriege ich weniger Zuspruch, dann gar keinen mehr. Aus Fein- wird Grobmotorik, und dann zapple ich nur noch in der Luft rum. Ich lerne in die falsche Richtung. Laurin geht es ähnlich, und der Euro-Table rückt in weite Ferne.
Irgendwann reicht’s Korbi, und er zwingt uns zurück zur Trockenübung. Da stehen wir wieder im Kies. Korbi wiederholt die Bewegungsbeschreibung auf Hochdeutsch. Wie ein Mantra. Als seien wir schwer von Begriff. Doch es kommt noch schlimmer. Denn Korbi weiß, was wir ahnen: ohne Airtime, kein Euro-Table. Will man das Bike in die richtige Schräglage bugsieren, muss es schwerelos sein. Das passiert erst, wenn aus Steigen Fallen wird. Doch wer nicht steigt, kann nicht fallen. Und die Freeride-Brüder steigen nicht.
„Also ab zum Dirtpark“, sagt Korbi, denn dort gibt’s steile Absprünge.
Meister Korbi rollt los, zieht ab, fliegt davon. Filmer Moritz schwingt das Kameraobjektiv durch die Luft wie die Flinte bei der Entenjagd, und wir schlenzen die Köpfe in den Nacken, um Korbi zu folgen. Der Parabelflug drückt ihn ins Laub der Bäume. Wir staunen. Kein Wunder, dass er Zeit für Faxen hat.
Wir dagegen fliegen Kurzstrecke: kurz hoch, kurz runter und mit Mühe in die Landung. Der Euro-Table verkommt zum Muskelzucken. Ab dem zweiten Sprung verpufft unser Schwung, und die Reifen rollen, statt zu fliegen. Korbi nagt an der Unterlippe, Filmer Moritz starrt ins Leere; wir sind alle peinlich berührt. Über den Oberstyler MTB Trick “Euro-Table” spricht plötzlich niemand mehr.
Und noch einmal wechselt Coach Korbi die Location. Ein letztes didaktisches Aufbäumen. Wir fahren zu seinen Jumps unter der Autobahnbrücke. Hier verbrachte Korbi als Kind ganze Sommer, futterte Spaghetti aus der Tupperdose und lernte zu springen. Vielleicht jetzt auch wir, im Zeitraffer.
Wir jumpen bis wir nicht mehr können. Und wollen. Nein, es soll nicht sein. Mission Bike Trick Euro-Table gescheitert, die Scheine bleiben in der Börse, und Korbi geht leer aus.
Bin ich traurig? Nein, denn ich weiß jetzt: Aaron Chase hat Recht. Style kann man nicht lernen, der kommt irgendwann. Man muss nur warten. Ich warte also weiter!
Vorbereitung: Probier’s auf dem Parkplatz, aus dem Bunnyhop heraus. Das ist die beste und sicherste Art, ein Gefühl für den Euro-Table zu kriegen. Im schlimmsten Fall rutschst Du vom Pedal ab.
Schwerelos: Um das Bike zur Seite zu kippen, muss es schwerelos sein. Zieh’ das Bike so stark in die Luft wie möglich. Merke: ohne Airtime keine Schwerelosigkeit. Ohne Schwerelosigkeit kein Euro-Table.
Beinarbeit: Den Lenker nach unten zu drücken, ist das eine, das Bike nach oben zu ziehen, das andere. Die Beinarbeit ist bei diesem Bike Manöver entscheidend, erst so kriegst Du das Bike flach.