Dylan Sheffer
· 10.11.2022
Nichts fasziniert im Freeriding so sehr wie Drops. Das war in den Pioniertagen so und ist noch heute so. Als wir Bilder von Dylan Sheffers Roadgap sahen, blieb uns die Spucke weg. Hier sein Report.
Ein letzter Blick! Ich stehe auf dem Drop und schaue runter. Die Landung ist winzig klein, dabei ist sie riesengroß. Vier Meter breit und 30 Meter lang, um genau zu sein. Wenn jetzt gleich was schiefgeht, werde ich im Krankenhaus aufwachen. Wenn ich Glück habe. Doch es wird nix schiefgehen! Die Fakten: 12 Meter runter, 20 Meter raus. Wann? Jetzt!
“Ich hatte keine Zweifel!” - Dylan Sheffer
Ich bin kein Kamikaze-Typ. Erst machen, dann denken? Nicht für mich! Solche Ich-mach’s-einfach-Aktionen sind extrem ungesund und liegen mir nicht. Jetzt, in diesem Moment, hier oben auf dem Drop, weiß ich, dass ich alles bedacht habe. Deswegen bin ich kaum aufgeregt. Nervös ja, doch ich habe keine Zweifel. Das ist der Vorteil, wenn man sich seine Drops selbst baut wie ich. Ich lasse mir dabei Zeit und denke alles durch. Nehmen wir zum Beispiel die Landung. In sie habe ich besonders viel Zeit reingesteckt. Sie ist steil und 30 Meter lang. Keine Hindernisse. Kein Baumstamm, gegen den ich schleudern, kein Felsen, an den ich prallen kann. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht!
Eine ganze Weile bin ich Drops um die sechs Meter gesprungen, bis ich mir ganz sicher war. Was Größeres zu finden, ist gar nicht so leicht, deswegen baute ich mir mit meinen Freunden selbst einen höheren. Er wurde zehn Meter hoch. Das Ding steht nicht weit von hier, ein paar Minuten den Forstweg runter. Ganz entscheidend: Das Verhältnis zwischen Höhe und Weite. Es betrug: 15 raus, 10 runter, und es hat super funktioniert.
Biken ist mein Hobby. Vor ein paar Jahren habe ich zwar mal damit geliebäugelt, Profi-Biker zu werden. Doch daraus wurde nix. Jetzt ist es nur eine Freizeitbeschäftigung, nur Spaß; vielleicht gut so. Trotzdem werde ich immer besser.
Ich bin mit den New-World-Disorder-Filmen großgeworden. Der Freeride-Spirit von damals gefiel mir, aber jetzt scheint er zu verschwinden, wenn man die Red Bull Rampage mal ausblendet. Und den verrückten Norweger: Brage Vestavik. Der Typ beeindruckt. Seinen Drop bei der letzten Rampage habe ich gefeiert. Ich finde, er hat die anderen Fahrer vorgeführt, denn sein Drop war so viel höher als alles andere dort, auch wenn er bei der Landung gestürzt ist.
Drops haben mich schon immer fasziniert. Ich mag den ganzen Prozess: Du bist draußen im Wald bei Wind und Regen. Du suchst den passenden Ort, gräbst, baust und zimmerst, und irgendwann steht der Drop dann vor dir. Und schließlich springst du ihn. Die Genugtuung erfüllt und macht süchtig. Es ist das schönste Gefühl!
Jetzt ist der Moment der Wahrheit gekommen. Ich rolle die Anfahrt runter. Sie ist steil. Probeläufe funktionieren hier nicht: zu steil.
Kein Platz zum Bremsen. Ich rolle und fliege. Ich dachte, ich würde wissen, was mich erwartet und hatte mir das Gefühl wie beim 10-Meter-Drop vorgestellt, doch es ist anders. Viel schneller. Die Extra-Meter beschleunigen alles. Vor allem die Landung. Ich fliege weit hinunter, denn Geschwindigkeit ist Sicherheit. Bei diesem Drop darfst du nicht zu kurz springen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn ein Hinterrad die Straße touchiert, wie das Tom van Steenbergen bei seinem Gap
ergangen ist. Am Ende hatte er sich nur das Bein gebrochen, doch wie der da über den Lenker katapultierte, erzeugte Gänsehaut.
Geschwindigkeit heißt Sicherheit. Lieber etwas zu weit, doch bitte alles, nur nicht zu kurz springen!
Habt Ihr den Clip gesehen? Machen, ich gebe Gruselgarantie! Nein, zu kurz springen ist hier keine Option. Ich springe eher zu weit und schaffe es kaum anzuhalten, so schnell bin ich. Gelandet, geschafft, Drop gemeistert – die Freunde jubeln.
Ich habe alleine mit den Arbeiten für den 12-Meter-Drop angefangen, doch es war so mühsam, dass dann die Freunde mithalfen. Acht Tage Schufterei, dann war der Drop fertig. Ursprünglich wollten die Freunde ihn auch versuchen, doch nachdem sie meinen Sprung gesehen haben, zögerten sie. Ich glaube, es ist die Beschleunigung, die einschüchtert. Ich hab’s geschafft. Dauergrinsen für den Rest des Tages. Aber auch eine Frage ploppte auf im Kopf:
Traue ich mich noch höher? Ja! Will ich noch höher? Nicht sicher.