In unserer neuen Rubrik widmen wir uns Themen, über die niemand spricht. Verdauungsprobleme zum Beispiel sind nicht gerade ein sexy Tischgespräch. Trotzdem hatte fast jeder Biker, der schon einmal länger im Sattel saß, mit Blähungen und Co. zu kämpfen. Selbst Profis passiert es, dass sie wegen entsprechenden Symptomen hochkarätige Wettkämpfe vorzeitig beenden müssen. Dass Verdauungsbeschwerden in erster Linie auf unsere Ernährung zurückzuführen sind, liegt nahe. Sie ist jedoch nur ein Faktor für Schmerzen in der Bauchgegend. Wir erklären, was wirklich hinter Verdauungsbeschwerden beim Mountainbiken steckt und wie sie sich vermeiden lassen.
Ja, Radsportler haben seltener Verdauungsprobleme als beispielsweise Marathonläufer. Zu diesem Schluss kommen zumindest verschiedene Wissenschaftler, unter anderem die des Department of Exercise Science der amerikanischen University of Iowa sowie des Luzerner Kantonsspitals. Aber: Auch Magen-Darm-Beschwerden, die selten auftreten, sind unangenehm, wenn sie denn mal da sind. Da beim Biken der Druck in der Bauchhöhle durch die nach vorn geneigte Sitzposition höher ist, sind Mountainbiker anfälliger für Probleme wie Übelkeit oder Reflux, dem Zurückfließen von Magensaft in die Speiseröhre. Aber auch die eine oder andere außerplanmäßige Tour aufs Dixi kommt vor.
Wie anfällig jemand für Verdauungsbeschwerden ist, variiert individuell stark. Einige Biker können bestimmte Lebensmittel problemlos verzehren, während andere auf dieselben mit Symptomen wie Magengrummeln oder Blähungen reagieren. „Die Ursachen für diese Empfindlichkeit sind vielfältig und nicht vollständig geklärt. Faktoren wie das Mikrobiom oder genetische Unterschiede in der Ausstattung mit Verdauungsenzymen könnten eine Rolle spielen“, erklärt Prof. Dr. Karsten Köhler, Leiter der Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit am Department Health and Sport Sciences der Technischen Universität München. Er betont, dass es wichtig sei, auszuprobieren, welche Nahrungsmittel jemand verträgt, und diese individuellen Erfahrungen bei der Verdauungstrakt-freundlichen Ernährungsplanung zu berücksichtigen. Letztere beginnt übrigens spätestens eineinhalb Stunden vor der Abfahrt.
„Bei sportlicher Betätigung wird der Verdauungstrakt weniger durchblutet, da das sauerstoffreiche Blut vermehrt in die arbeitende Muskulatur geleitet wird. Dies führt zu einer verminderten Verdauungsleistung“, erläutert Karsten Köhler. Das bedeutet, dass vor dem Training aufgenommene Mahlzeiten möglicherweise noch nicht vollständig verarbeitet sind, wenn es in die körperliche Belastung geht. „Unverdaute Kohlenhydrate können in den Dickdarm gelangen, dort von Bakterien fermentiert werden und zu Blähungen oder Durchfall führen. Vor allem, wenn ich unterwegs noch mehr Kohlenhydrate aufnehme“, beschreibt Ernährungsexperte Köhler den Vorgang. „Je nach Kohlenhydratquelle können Hobbybiker im Schnitt 60 bis 90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde verarbeiten“, sagt er. Zur Orientierung: Ein Sportgel liefert pro Portion (60 bis 70 Gramm) je nach Produkt zwischen 25 und 40 Gramm Kohlenhydrate.
Um Verdauungsprobleme zu vermeiden, sollten Mountainbiker also größere Mahlzeiten und Lebensmittel mit viel Fett oder Ballaststoffen nicht zu kurz vor dem Training einnehmen. Um die zu verarbeiten, braucht der Körper nämlich etwas länger. Fettreiche Mahlzeiten wie eine Schweinshaxe mit Pommes brauchen etwa fünf bis sechs Stunden, ballaststoffreiche Lebensmittel wie Brokkoli, Kohl oder Vollkornbrot bis zu vier. Leicht Verdauliches wie weißer Reis oder Kartoffeln verweilen dagegen nur etwa zwei Stunden im Magen. Unterwegs sollten Sportler, besonders solche mit empfindlichem Magen, lieber öfter kleine Mengen Energie zuführen, zum Beispiel alle 15 Minuten ein paar Schlucke Energiegetränk.
Vorsicht geboten ist bei Energieprodukten mit Fruktose. Zwar sorgt sie im Mix mit Glukose für schnell verfügbare Energie. Die Fruktose-Aufnahmefähigkeit des Körpers ist aber begrenzt und manche Sportler vertragen diesen Einfachzucker unter Belastung nicht gut. Schlimmstenfalls endet der Energiezufuhrversuch mit Durchfall. „Kohlenhydratquellen wie Maltodextrin, die aus längeren Kohlenhydratketten bestehen, sind oft magenfreundlicher, da sie ihn weniger belasten und sie schneller freigesetzt werden“, weiß Karsten Köhler. Es sei jedoch in jedem Fall wichtig, im Training zu testen, welche Produkte man verträgt. Denn wenn während der Tour oder im Wettkampf Verdauungsbeschwerden auftreten, ist es für gewöhnlich zu spät, sofortige Abhilfe zu schaffen. „Die Symptome verursacht ja meist die zuvor bereits aufgenommene Nahrung. Ist die einmal in den Dickdarm gelangt, dann kann ich das nicht wieder rückgängig machen.“