Henri Lesewitz
· 01.06.2011
Mythos Amerika – was steckt dahinter? BIKE-Reporter Lesewitz reiste zu den Kultstätten des Mountainbike-Sports. Ein Roadtrip zum Urknall des Mountainbikens. Teil 1: Im Wohnmobil durch Kalifornien.
Den gesamten Artikel über den Roadtrip Kalifornien finden Sie unten als PDF-Download.
“Kaum ein Land der Welt hat so viel coole und vielseitige Mountainbike-Gebiete wie der US Bundesstaat Kalifornien. Die Trails in den Sierra Mountains, inkl. Mammoth, Lake Tahoe und auch Downieville sind eigentlich nur im Sommer fahrbar, weil es in den Wintermonaten, welche klimatisch ähnlich sind wie in Deutschland, zu viel Schnee gibt. Mammoth, das in den Achtzigern und Neunzigern als Austragungsort der inoffiziellen Mountainbike-WM und des berühmten “Kamikaze Downhill”-Rennen bekannt wurde, hat mittlerweile einen ansehbaren Bike-Park und ein großes Trail-Netz. Im Lake Tahoe-Gebiet gibt es verschiedene Bike-Resorts, Bike Parks (u.a. Northstar) und auch massige Touren und Routen. Downieville liegt im berühmten Goldgräber-Gebiet von Kalifornien (nördlich von Sacramento) und ist unter anderem Austragungsort vom “Downieville Enduro Downhill”-Rennen.
An der kalifornischen Küste gibt es massig gute und legendäre Trails. Viele davon stammen noch von den ersten Aussiedlern. Diese Trails sind meist das ganze Jahr über fahrbar, obwohl es im Winter auch mal eine Woche lang regnen kann. Je weiter man sich nach Norden begibt, je größer ist die Chance, nasses Wetter zu bekommen. In San Francisco ist das Klima ähnlich wie in der Toskana.
In der Ecke um San Diego gibt es den Noble Canyon mit einigen schönen Touren. Das Gebiet befindet sich zirka eine Autostunde östlich von San Diego. In Orange Country (zwischen Los Angeles und San Diego) ist der San Juan Trail (Ortega Highway) mein absoluter Favorit. Er ist der wahrscheinlich legendärste Singeltrail der Welt. Man kann ihn von unten hochfahren oder auch shuttlen.
Der “Chantry Flats”-Trail befindet sich nur wenige Kilometer östlich von Downtown Los Angeles in den San Gabriel Mountains nicht weit von Mount Wilson. Auch in den Santa Monica Mountains und um Malibu gibt es massig Trails. Genauso wie in Santa Barbara (Tunnel Trail) und entlang der gesamten Central Coast und Highway 1, inklusive Santa Cruz (Wilder Park, Demo Forest). In und um San Francisco gibt viele Trails. Manche verlaufen direkt im Golden Gate Park (vom Charakter her ähnlich den Isar Trails in München). Noch viel besser sind die Trails in den Hügeln oberhalb von Oakland.
Last but not least muss natürlich der Mount Tamalpais in Marin County erwähnt werden, auf dem Gary Fisher und Joe Breeze die ersten Touren mit ihren Clunker-Bikes unternommen haben.”
Startpunkt: Ausgangspunkt der Reise war Los Angeles. Von Deutschland aus dauert der Flug etwa elf Stunden. Der Radtransport ist mit 300 Euro pro Person nicht ganz billig. Für alle Wohnmobilreisende ist eine erste Hotelübernachtung Pflicht in den USA. Am Flughafen gibt es kostenlose Shuttlebusse zu allen möglichen Hotels. Die Fahrt zum Airport Hilton dauert nur fünf Minuten. Radkisten sind kein Problem.
Wohnmobil: Die USA ist ein klassisches Wohnmobil-Reiseland. Verleihe gibt es massig. Wir haben uns für El Monte RV entschieden. Beratung und Einweisung gibt es auf Deutsch (auch vor Ort). Internet: www.elmonterv.com Buchen kann man in Deutschland bei Reiseveranstalter Dertour.
Der ruhige, von Bergen umgebene Küstenort ist ein Paradies für Surfer, Biker und Wanderer. Kein Wunder, dass sich Hans Rey ausgerechnet diesen schönen Flecken als Wohnort ausgesucht hat. Der “Laguna Coast Wilderness”-Naturpark am Ortseingang eignet sich für eine erste Aufwärmtour. Super Blicke, tolle Wege. Allerdings etwas überpfegt. Die wirklich geilen Trail sind für Biker verboten, um Konflikte mit Wanderern zu vermeiden. Die Locals fahren sie abends, wenn die Wanderer in den Restaurants beim Essen sitzen.
Laguna Beach umgeben sagenhafte Trails. Um sie zu finden, muss man die Locals fragen. Erwähnenswert ist in jedem Fall folgender: Am Aussichtspunkt “Top of the World” beginnt der nicht wirklich legale Telonix-Trail, nach dem Reifenhersteller Kenda sogar einen Reifen benannt hat. Einmal jährlich wird hier der legendäre, aber illegale Downhill-Rennen “Leaping Lizard” ausgefahren, eines der ältesten Bike-Rennen der USA überhaupt. Die Strecke ist nur etwa zwei Kilometer lang, bietet aber alles, was Bikern Laune macht. Speed-Passagen, Steilstufen, Sprünge, enge Kurven. Ein Traum! Aber nichts für Anfänger.
Sagenumwoben ist der San Juan Trail, der sich unweit von Laguna Beach unendlich weit durch die Berge schlängelt. Es gibt viele unterschiedliche Varianten. Wir sind die “Chiquita”-Variante gefahren. Den Einstieg erfragt man am besten bei den Einheimischen. Er ist nur eine halbe Autostunde von Laguna Beach entfernt. Von der Chiquita-Seite aus geht es zunächst ziemlich verblockt zur Sache, meist berauf. Nach etwa eineinhalb Stunden trifft man auf den San Juan Trail, der einen dann über tausende, erstklassig zu fahrende Kurven Richtung Tal trägt. Die Weitblicke sind absoluter Wahnsinn. Man kann nicht glauben, dass es so einen Trail wirklich gibt. Den Trail am besten googlen und dann die gewünschte Route überlegen.
San Gabriel Mountains: Die Berggruppe neben Los Angeles reckt sich teilweise 3000 Meter weit in den Himmel und ist durchzogen mit Trails, die sich Wanderer und Biker stressfrei teilen. Wir waren in Gebiet “Chantry Flats”. Dichte, dschungelartige Wälder mit Flüssen, Wasserfällen und Blockhütten zum Übernachten. Ein irrer Kontrast zum Küstengebiet. Fast wie in Kanada. Hier auch am besten mal googlen.
Der berühmte Highway 1 führt direkt in dieses schöne Gebiet. Weiße Sandstrände, Campingplätze direkt am Pazifik, glutrote Sonnenuntergänge, gemütliche Restaurants in kleinen gepflegten Bilderbuch-Orten. Hier mangelt es an keiner Herrlichkeit. Und das Beste: Alles ist umgeben von Trails. Unsere Tour startete an der Steilküste hinter dem Ort Los Osos. Ein Schotterweg führt durch ein grünes Tal zum Einstieg des East Boundry Trails. Der schmale Weg ist künstlich in die sagenhafte schöne Landschaft gebaut und bringt einen ohne großes Gepolter zunächst auf den ersten Gipfel, von wo aus man über einen Grad den höchsten Punkt der Tour erreicht. Auf dem Ridge Trail geht es bergab. Und man will schier durchdrehen vor Vergnügen, denn der Weg wurde speziell für Mountainbiker gebaut. Ein Vollgas-Trail, auf dem kleine, ungefährliche Sprunghügel aller paar Meter zum Abheben einladen. Nach einer halbstündigen Abfahrts-Orgie spuckt einen der Trail direkt am Strand unterhalb der Steilküste aus. Ein Mountainbike-Porno.
Ohne die Befahrung des knapp 800 Meter hohen Mount Tamalpais ist kein Kalifornien-Roadtrip vollständig. Gary Fisher, Joe Breeze und wie sie damals alle hießen mit ihren Schlagjeanshosen unternahmen hier ihre ersten Touren mit rostigen Clunker-Bikes. Damals wussten sie noch nicht, dass es Mountainbiken ist, was sie taten. Knapp vier Jahrzehnte ist das her. Heute ist Mountainbiken ein Massensport und der “Mount Tam” der vielleicht heiligste Ort für Biker. Es lohnt sich auf jeden Fall mal bei den Jungs von WTB nachzufragen, deren Schmiede sich in Mill Valley direkt am Fuß des Berges befindet. Die gehen fast täglich auf Tour und nehmen Gastfahrer gerne mit. Ohne ortskundige Führung wird es schwer, die wirklich guten Trails zu finden. Viele Trails am Mount Tamalpais sind für Biker verboten. Ausgerechnet an diesem für Biker so historischen Ort. Ein Jammer.
Die breite Schotterstraße zum Gipfel stellt zwar keinerlei Anforderungen an die Fahrtechnik, verwöhnt den Fahrer aber mit besten Weitblicken bis in die Bucht von San Francisco. Ein heißer Tipp! Übernachtung auf der urigen Gipfelhütte West Point Inn, von der man auf San Francisco guckt. Die 1904 erbaute Herberge ist im originalen Zustand, inklusive Kaminzimmer und Küche. Selbstversorger-Modus. Getränke, Riegel und Obst sind aber reichlich vorhanden und werden mithilfe einer Vertrauenskasse gezahlt. Auch super: Pancake Brakefast an jedem Sonntag.