Mikroabenteuer mit dem MountainbikeOutdoor-Erlebnis für jeden

Laurin Lehner

 · 06.09.2023

Abends rauf auf den Gipfel, früh morgens runter und dann wieder ab ins Büro.
Foto: Laurin Lehner
Mikroabenteuer sind hip. Zumindest, wenn man Outdoor-Magazinen glaubt. Das Prinzip: ein Abenteuer in kleiner Dosis. Der Clou: Jeder kann so etwas erleben. Wir haben es mit dem MTB ausprobiert und können sagen: Ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht.

Auf meiner Wetter-App bauen sich dunkle Gewitterwolken auf. Sie flimmern so höhnisch über den Bildschirm, als wollten sie uns den Mittelfinger zeigen. Es ist wie verhext! Schon seit Tagen wollen Dimitri, Andi und ich zur Gipfelübernachtung aufbrechen - unser erstes Mikroabenteuer. Doch immer wieder halten uns Elternabend, Geburtstagsfeier oder zu viel Arbeit davon ab. Oder das Wetter spielt eben nicht mit – irgendwas ist immer! Auch dieses Mal ist es wieder so. Wir sind viel zu spät dran. Und zu guter Letzt will auch noch Kumpel Andi abspringen. So einfach, wie einem Outdoor-Magazine die sogenannten Mikroabenteuer anpreisen, ist es eben doch nicht. Und ja, manchmal sind es auch nicht die harten Fakten, die gegen das Abenteuer in der Natur sprechen, sondern schlicht die eigene Faulheit.



Doch was ist eigentlich ein Abenteuer? Survival-Experte Rüdiger Nehberg beschrieb es so: “Ein Abenteuer ist ein selbst gestaltetes Erlebnis, das nicht bereits von anderen vorexerziert wurde.” Auf Neudeutsch also: Die Komfortzone verlassen. Damit meinte Nehberg allerdings echte Abenteuer. Also drei Monate alleine durch den Regenwald entlang des Amazonas laufen. Oder den Atlantik im Tretboot überqueren (hat er wirklich gemacht!). Das, was wir vorhaben, hat damit nichts zu tun. Wir wollen zum MIKRO-Abenteuer ausrücken. Für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen. Raus aus dem Mief der Großstadt – nur ohne dabei gleich unser Leben aufs Spiel zu setzen.

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Der britische Weltenbummler Alistair Humphreys hat das Modewort “Mikro-Abenteuer” geprägt und ein Buch dazu geschrieben. Er beschreibt es als Abenteuer-”light”-Variante für jedermann.

Es beginnt schon mit der Zeltübernachtung im Garten, einer langen Rad-Tour, oder eben bei einer Gipfelübernachtung – Alistair Humphreys, Weltenbummler

Letzteres haben wir vor. Und weil wir knausrig sind, was unsere Urlaubstage angeht, nehmen wir besonders das Wort “Mikro” ernst. Unser Motto: Abends rauf auf den Gipfel, früh morgens runter und dann wieder ab ins Büro.

Mirkoabenteuer sparen Urlaubstage

Wir schaffen es gerade noch vor dem Feierabendverkehr auf den Weg in die Berge. Als wir auf dem vereinbarten Parkplatz ankommen, wartet Kumpel Andi bereits. Er hat sich doch noch zur Gipfelübernachtung durchgerungen. Wir steigen aus dem Auto und schielen synchron in den Himmel. Kommen die Gewitterwolken? Oder ziehen sie an uns vorbei? Die Wetter-App räumt dem Gewitter 70 Prozent ein. Wir hoffen auf die anderen 30. Denn eine schützende Hütte gibt es bei unserem Mikroabenteuer weder auf dem Weg zum Gipfel noch in der Nähe.

Bike-Schieben macht nicht wirklich Laune.Foto: Laurin LehnerBike-Schieben macht nicht wirklich Laune.

Wir schnallen unsere Rucksäcke um. Darin: Wein, Brot, Wurst und Schlafsack. Nicht lang, dann müssen wir unsere Bikes den Trail hochschieben. “Bike-Bergsteigen” tauften Bergfexe wie Harald Philipp diese Art von Biken. Ich nenne es Bike-Schieben. Mir soll es recht sein, denn den Berg hochzufahren, ist für mich eh mehr Pflicht als Kür. Mir geht’s um die Abfahrt. Meine beiden Freunde Andi und Dimitri sehen das anders und versuchen, ihre Bikes bergauf über die Felsnasen und Wurzelteppiche zu balancieren und treten kräftig in die Pedale, bis sie dann doch keuchend absteigen. Zu steil und felsig wird der Trail, zu schwer zerrt der Rucksack am Rücken.

Der Himmel grummelt, der Wind streicht über die Tannen, und schon trommeln die ersten Regentropfen auf das Plastik unserer Helme. Während ich versuche, meinen Regenschutz über den prallen Rucksack zu spannen, drehen sich Andi und Dimitri bereits eine vorgezogene Gipfelzigarette unter einem Baum. Ich hocke mich dazu. “Wie verhält man sich bei Gewitter eigentlich richtig?”, fragt Dimitri in die Runde. “Unter hohen Bäumen abwarten sicher nicht”, kontert Andi. Wir wissen es nicht, schweigen, legen unsere Köpfe in den Nacken und blinzeln in den Himmel. Es brummt, donnert und plätschert noch eine Weile, bis der Wind die Wolken endlich weitergetrieben hat. Es ist spät geworden. Wir schnallen uns die Rucksäcke auf den Rücken und schieben unsere Bikes weiter Richtung Gipfel. Lauer Wind bläst uns ins Gesicht. Am Horizont verschwindet die milchige Sonne bereits langsam hinter dem Karwendel. Die letzte Stunde schultern wir die Bikes. Wandern, statt biken.

Mikroabenteuer ist: Alltags-Gedanken verstummen

Am Gipfel Als wir endlich oben ankommen, peitscht uns der Wind ins Gesicht. “So warmen Wind kenne ich nur aus Brasilien”, versucht Dimitri gegen das Getose anzureden. “WAS?”, ruft Andi. Wir verstehen unser eigenes Wort nicht. Und hier übernachten? Der Gipfel reicht genau für drei halbwegs komfortable Schlafplätze. Zum Essen setzen wir uns an den Hang in den Windschatten. Hier lässt es sich aushalten. Bierchen, Brot, Wurst, Oliven. “Kaum wo schmeckt die Brotzeit besser”, weiß Andi. Dimitri und ich nicken und blicken in die Ferne, wo die obere Isar im trüben Licht aus den Bergen schleicht. Ich paffe meine selbst gedrehte Zigarette, nippe am Rotwein und lausche den Geschichten der Freunde. Das sind die Momente, die ich an solchen Aktionen so liebe. Wenn die Gedankensuppe des Alltags verstummt. Die Abgabefrist für die Umsatzsteuer ist auf einmal weit weg. Die To-do-Liste für den morgigen Tag? Null relevant. Leben im Hier und Jetzt. Das mag sich abgegriffen anhören, doch so ist es nun mal auf dem Berg. Wer es nicht glaubt, sollte es selbst probieren.

Wir drei haben gerade so Platz auf dem Gipfel.Foto: Laurin LehnerWir drei haben gerade so Platz auf dem Gipfel.

Ich höre meinen Freunden weiter beim Erzählen zu. Wie Andi den zweithöchsten Berg Südamerikas besteigen wollte, aber höhenkrank wurde und benommen zurück ins Basecamp torkeln musste. Oder wie Dimitri und Andi auf Hawaii bei strahlendem Wetter nur mit T-Shirt und Hüttenschlafsack zur Berg-Tour aufbrachen und dann bei acht Grad im Regen unter einem Brunnendach stehend die Nacht verbrachten. “Ihr Spezialisten”, werfe ich sarkastisch in die Runde und bekomme prompt die Retourkutsche mit einer Anekdote unserer letzten gemeinsamen Aktion: Ich bemerkte erst am Gipfel, dass ich meinen Schlafsack im vier Marschstunden entfernten Auto vergessen hatte. Wir kichern und nippen weiter am Rotwein, bis die Flasche leer ist. Zapfenstreich! Müde lösen wir uns aus unserer Deckung und kriechen unter Windgetöse in die Schlafsäcke. Der Wind zupft noch bis in die Morgenstunden am Nylon unserer Outdoor-Betten und lässt uns kaum schlafen.

“Lebendiger kann man sich an einem Mittwochmorgen kaum fühlen”

Am Morgen rollen wir unsere Iso-Matten zusammen, ziehen unsere Knieschoner über und setzen unsere Helme auf. Ich fahre voraus. Dimitri und Andi folgen. Schon die ersten Meter vom Gipfel haben es in sich. Wir zirkeln unsere Bikes durch enge Spitzkehren. Die Abfahrt flowig zu nennen, wäre nicht nur übertrieben, sondern glatt gelogen. Stolper-Biken passt da schon eher. Jedoch lässt der Trail mit viel Geschick etwas Fahrfluss zu. Solche Trails gefallen nicht jedem. Doch so ist das nun mal bei Abenteuern. Egal, ob mit oder ohne “Mikro”. Man weiß nie, was auf einen zukommt. Entweder ein geiler Trail oder ein Murks-Trail. Oder ein Murks-Trail, der trotzdem geil ist, weil die Vögelchen so schön zwitschern und wir uns hier auf dem Berg putzmunter fühlen. In unserem Fall eher Zweiteres – das Gesamtpaket gefällt. Gämsen kreuzen unseren Weg, frische Bergluft flutet die Lungen, und dicht stehende Latschen scheuern an den Fingerknöcheln – lebendiger kann man sich an einem Mittwochmorgen kaum fühlen.

Abfahrt am Morgen, die Kumpel warten – ausnahmsweise.Foto: Laurin LehnerAbfahrt am Morgen, die Kumpel warten – ausnahmsweise.

Ich passe kurz mal nicht auf, schon fädelt mein Vorderrad in eine quer liegende Wurzel ein, und ich muss den Fuß absetzen. Dimitri ist hinter mir und hat’s gesehen. Ich räume schnell die Schlüsselstelle und lass’ den Kumpel sein Glück versuchen. Er dreht ein, lässt das Heck gekonnt über die Wurzel schwenken, meistert die Stelle und rollt weiter, ohne den Fuß abzusetzen. Ich reihe mich hinten ein, und wir dirigieren unsere Bikes über steile Stufen und freuen uns über Passagen, auf denen wir die Bremsen etwas lösen können. Meine Sinne bündeln sich auf den schmalen Trail vor mir – die Schlucht nur wenige Zentimeter daneben, ignoriere ich dabei komplett. Patzt einer der Freunde vorneweg, wird das mit hämischem Gejohle kommentiert, und man muss sich hinten einreihen – vorausgesetzt, man selbst schafft die Stelle. Doch wir sind nicht nur gehässig. Wer eine knifflige Passagen schafft, erntet natürlich auch Lob.

Nach einer Stunde Fahrt kommen wir unten an. High-Five-Geklatsche hallt durch die Morgenluft. Die Erlebnistaler klingeln in der Abenteuerkasse. Trotz der anfänglichen Widerstände haben wir unser Mikroabenteuer durchgezogen. Die Uhr zeigt 7:30 Uhr. Und während sich die Menschen in München gerade erst mit zerknitterten Gesichtern aus den Betten schälen, werden unsere Erlebnis-Akkus noch den ganzen Tag lang grün leuchten.

Das müssen (Mikro-)Abenteurer wissen

Verbotsdschungel Deutschland: Was dürfen Hobby-Abenteurer, was sollten sie lieber sein lassen. Drei Fakten, die man vor einem (Mikro-)Abenteuer wissen muss.

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Zelten

Wildes Zelten ist in Deutschland verboten. Ausnahme: Man holt sich das Okay vom Landbesitzer, auf dessen Grund das Zelt stehen soll. Übernachtet man dagegen irgendwo unter freiem Himmel im Biwak- oder Schlafsack, fällt das noch unter das Betretungsrecht. Doch Achtung: Schutzgebiete sind tabu – hier drohen empfindliche Geldstrafen. Übrigens: Im Notfall ist alles erlaubt, was Gefahr abwendet. Stichwort: Not-Biwak.

Gewusst wie: Biwakieren statt Campen.Foto: Laurin LehnerGewusst wie: Biwakieren statt Campen.bike/bike_20230822_202309a_new-img_93_3_img

Feuer machen

Feuer machen ist nicht vom Betretungsrecht gedeckt und somit verboten. Gerade in waldbrandgefährdeten Gebieten sind die Förster gnadenlos. Daher darf man nur behördlich eingerichtete Feuerstellen nutzen oder braucht eine Erlaubnis des Landbesitzers. Doch selbst dann können Forstbeamte ein Verbot aussprechen, falls erhöhte Brandgefahr besteht.

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Wegerecht

Jedes Bundesland hat sein eigenes Wegerecht. So gibt es in Baden-Württemberg z. B. die 2-Meter-Regel. Sie verbietet, auf Pfaden unter zwei Metern Breite zu fahren. In Bayern wird das Biker-freundliche Wegerecht seit Kurzem strenger interpretiert. Dennoch: Werden Wege verboten, dann müssen sie gekennzeichnet sein. Auf einem Fernwanderweg muss nicht ausschließlich gewandert werden; auch Biken ist zumeist zulässig.

Teile fürs Mikroabenteuer

Damit das Mikroabenteuer nicht zum Fiasko wird, braucht es die richtigen Tools. Sechs Produktvorschläge für eine erfolgreiche Unternehmung.

Transportspezialist: der Rucksack

Ein normaler Tagesrucksack ist für das Mikro-Abenteuer ungeeignet – zu groß sollte der Rucksack allerdings auch nicht sein. Bei uns hat sich der Deuter Trans Alpine 30 bewährt. Viel Verstaumöglichkeiten bei maximalem Tragekomfort. Preis: 150 Euro.

Rucksack, z. B. von DeuterFoto: DeuterRucksack, z. B. von Deuter

Klein, aber warm: der Schlafsack

Auch im Sommer kann es auf dem Gipfel frisch werden. Wir raten z. B. zum Kunstfaserschlafsack Vaude Meglis 300. Er besitzt ein kleines Packmaß, wenig Gewicht und hält mit einem Komforttemperaturbereich von 9 Grad Celsius ausreichend warm. Günstig! Preis: 150 Euro >> z.B. bei Bergfreunde erhältlich.

Schlafsack von VaudeFoto: VaudeSchlafsack von Vaude

Aufschneider: das Survival-Messer

Im Idealfall schneidet man mit dem Gerber-Signature-Modell von Survival-Experte Bear Grylls nur die Wurst auf und beeindruckt damit seine Kumpels. Wenn alles schiefläuft, kann man mit dem integrierten Feuerstein des Bear Grylls Ultimate Knife aber auch ein Notfeuer entfachen. Preis: 100 Euro.

Bear Grylls Ultimate KnifeFoto: Gerber GearBear Grylls Ultimate Knife

Kniestrumpf: der Protektor

Knie heilt nie! Daher gehören Knieschützer zur Grundausstattung. Leichte Schoner, wie die Ion K Sleeve Amp, erzielten in vergangenen Schlagtests erstaunlich gute Werte. Guter Nebeneffekt: das geringe Packmaß. Preis: 99 Euro.

Knieprotektor von IONFoto: IONKnieprotektor von ION

Safety first: das Erste-Hilfe-Set

Das First Aid Kit S von Vaude besitzt alles, was für die Erstversorgung nötig ist. So lassen sich Schürfwunden z. B. desinfizieren und abbinden. Klein, kompakt und leicht findet es in jedem Rucksack Platz. Preis: 20 Euro >> bei Bergfreunde oder Bergzeit erhältlich.

Vaude Erste-Hilfe-SetFoto: VaudeVaude Erste-Hilfe-Set

Tarnleuchte: die Stirnlampe

Ohne Licht ist man am Berg auf das Funkeln der Sterne angewiesen. Um nicht nahezu blind im Rucksack kramen zu müssen, raten wir zu einer robusten, aufladbaren Stirnlampe. Z. B. die Tikka Core von Petzl. Sie leuchtet mit bis zu 450 Lumen und besitzt zudem rotes Tarnlicht, um möglichst unentdeckt zu bleiben. Per Mini-USB lässt sich die Lampe aufladen. Preis: 60 Euro.

Stirnlampe Tikka CoreFoto: PetzlStirnlampe Tikka Core

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