Dimitri Lehner
· 11.11.2016
Die Zahlen sprechen für sich. Über 2000 Höhenmeter, 22 Kilometer vom Gipfel bis zum Meer – nur Singletrail: der Roque-Trail. Doch es ist die Vulkanlandschaft auf La Palma, die das Erlebnis vollends episch macht.
Ground Control to Major Tom: "Gelandet auf dem Mars?" Die Frage stellen wir uns wirklich, als wir nach einer Stunde Anfahrt aus dem Shuttle-Bus torkeln und uns umsehen: roter Sand überall. Sternwarten wölben ihre silbernen Kuppeln ins Himmelblau, die Parabolspiegel wie riesige Ohren ins All gerichtet. Sie lauschen, ob sich da draußen jemand meldet. Wir stehen fast auf dem Gipfel des Roque de los Muchachos, La Palmas höchstem Berg, 2426 Meter über dem Meer. Sehen können wir den Atlantik nicht, nur ahnen in Dunst und Wolken tief unter uns. Hier startet die längste Abfahrt der Insel: der Roque-Trail bis hinunter auf Null am Strand von Tazacorte.
Unser Guide, der Freeride-Profi und La-Palma-Winterflüchtling Daniel Schäfer, erzählt, dass von hier oben wegen der klaren Luft der Blick ins All besonders gut gelingt. Nach einigen Kurven auf der Asphaltstraße biegen wir auf den Trail. Er wellt auf rotem Sand anfangs zahm den Hang hinunter, flankiert von erdbraunem Lava-Gerümpel. Wie Marssonden walzen wir entlang, holpern über Steinbrocken, Sand knirscht unter den Stollenreifen. Kurze technische Anstiege erfordern etwas Geschick, aber kaum Muskelschmalz. Der Schwung reicht aus – wir surfen wie durch einen ewigen Pumptrack, drücken durch Bodenwellen, hüpfen über kleine Absätze.
Nach etwa 20 Minuten wird’s steiler. Wir haben den Kraterrand erreicht und werden jetzt die Bergflanke bis zum Meer runterrutschen. Mal schwimmen die Reifen im Vulkansand auf, mal rumpeln sie über Felsen und Steine. Oft schlägt der Trail Haken. Präzises Steuern ist gefragt, will man die Füße auf den Pedalen lassen. Das Gekurve ist nicht wirklich flowig, macht aber Spaß. Mal steil und verblockt, mal schnell, dann felsig, sandig, geröllig, noch steiler, hakelig – hinter jeder Ecke lauert die nächste Geschicklichkeitsprüfung. Irgendwann bleibt die Marslandschaft zurück und der Trail schlüpft in den Kiefernwald. Hier schnellt das Flow-Barometer nach oben. Der Untergrund wird sanfter und schnell.
Wir sind jetzt schon lange unterwegs, haben aber noch nicht mal die Hälfte hinter uns, beruhigt Daniel. Dunkle Asche und hellgrüne Bäume – Kiefernnadelduft in der Nase, wir rauschen durch den Trail und staunen. Immer wieder ändert er seinen Charakter. Gerade war er zahm, jetzt wird er zornig und kippt gemein in die Tiefe, schiebt uns Felskanten vors Vorderrad oder tückisch rutschige Kiefernadeln. Geologen glauben, dass diese Bergflanke beim nächsten Vulkanausbruch ins Meer rutschen wird. Dann passiert das Gleiche wie beim schwungvollen Eintauchen in die Badewanne: Auf der anderen Seite des Atlantiks schwappt das Wasser in die Höhe. Geologen prophezeien, dass dieser Super-Tsunami die USA überrollen wird. Das kann laut Wissenschaft morgen oder erst in 10 Millionen Jahren passieren.
Uns spuckt der Trail nach 2 Stunden in Tijarafe raus. Kurz über die Teerstraße abfahren und wir stehen vor der "Deathwall". So heißt die letzte Etappe, ein supersteiler Spitzkehren-Trail runter nach Tazacorte. Schwarzes Kopfsteinpflaster direkt am Abgrund. Also noch mal volle Konzentration. Die Strandbar sehen wir schon. Marsmission beendet!
Der Roque-Trail auf der Kanareninsel La Palma ist ein Supertrail, wie er im Buche steht – ein Must-Do für jeden Freerider. Über 2000 Höhenmeter Fahrspaß am Stück – wo gibt’s das schon? Wer hier keinen Spaß hat, hat nirgends Spaß. Wir geben Stokeness-Garantie!
Beste Reisezeit: November bis Mai Ideales Bike: Enduro, fette Reifen
Flüge: Direktflüge ab ca. 300 Euro (Biketasche ca. 75 € pro Weg)
Veranstalter z.B:
• dansdesktop.com
• atlantic-cycling.de
• magic-bike-lapalma.com
PLUS Wetter, Spanien, Flair, Direktflüge
MINUS nur Shuttle, kaum Flow-Trails