Glamping LaaxBeduinenzelte am Schweizer Gletscher

Karen Eller

 · 10.06.2023

Beduinenzelte in der Schweiz?
Foto: Maria Knoll
Auf der Alp Nagens, 1000 Meter über den Dächern von Laax, wird im Sommer Glamping praktiziert. BIKE-Autorin Karen Eller hat die luxuriös ausgestatteten Beduinenzelte an den neuen Gletscher-Trails ausprobiert. So geht Camping in der Schweiz auch.

So ein Idiot. Mag schon sein, dass ich gerade etwas knapp vor seinem Lenker in den Radweg eingeschert bin. Aber das ist doch kein Grund, dass er gar nicht mehr aufhört hinter mir her zu klingeln. Selbst an der nächsten roten Ampel hört er nicht auf: dingdong, dingdong. Jetzt stimmen auch die wartenden Autofahrer mit ein. Saaag mal. Das Dingdong beschallt mich von allen Seiten – Moment: Autos machen dingdong …?

Ich reiße die Augen auf: Kein mich verfolgender Radfahrer mehr, keine Autos, es ist einfach dunkel. Nur das Dingdong aus meinem Traum ist noch da. Wird sogar noch lauter. Und es riecht nach … ach ja, die Alphirtin hatte uns vorgewarnt. Alle 40 Kühe, die gestern Abend noch weit verstreut und friedlich auf der buckligen Wiese grasten, eilen im ersten Morgengrauen zum Melken. Carina scheint das Geläute gar nicht zu stören. Sie liegt im Bett neben mir, bis zur Nase tief in Kissen und Decke versunken und macht keinen Mucks. Komisch, dass ich diese Kuhglocken im Traum mit hektischem Stadtverkehr verbinde. Scheinbar bin ich in unserer kleinen Bergauszeit noch nicht wirklich angekommen.

Popup Glamping: 20 Beduinenzelte können auf der Alp Nagens gemietet werden.Foto: Maria KnollPopup Glamping: 20 Beduinenzelte können auf der Alp Nagens gemietet werden.

Also werfe ich mir eine der rotkarierten Wolldecken um und taste mich barfuß auf Holzboden und marokkanischem Teppich zum Zeltausgang vor. Die Zeltplane aus Baumwolle hängt schwer am Gerüst, vollgesogen vom Morgentau. Die Luft draußen ist kalt und glasklar. Nichts, aber auch wirklich gar nichts erinnert hier oben an hektisches Stadtleben. Die Wiesen der Alp Nagens breiten sich mitten in der Bergwelt der Surselva, 1000 Meter über den sicher noch schlafenden Ferienorten Flims und Laax, seelenruhig aus. Nur die Gipfel rundherum erwachen gerade langsam und zeichnen sich im Morgenhimmel ab. Namentlich vor allem Pize und Hörner, darunter aber auch der 3028 Meter hohe Vorabgletscher. Mit ihm werden wir nach dem Frühstück noch nähere Bekanntschaft machen, wenn wir die noch fehlenden 600 Höhenmeter bis zu seinem Eispanzer hinaufkurbeln.

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Carina, Jenny, Lilly, Mia und ich hatten eigentlich ein gemeinsames Bike-Wochenende mit dem Camper geplant. Irgendwo auf einen schönen Platz einbuchen mit ergiebigem Trail-Netz zum Biken drumherum – fertig. Doch bei der Recherche im Internet stießen wir auf diesen Glamping-Platz hoch über dem Graubündener Oberrheintal: 20 Beduinenzelte, die auf knapp 2000 Metern Höhe wie weiße Champignons aus dem Almboden sprießen. Geräumige, kreisrunde Schlafzimmer mit Holzboden, richtigen weißbezogenen Betten, Stromanschluss und kleiner Espresso-Maschine. Es gibt sogar flauschige Handtücher für den Dusch-Container nebenan.

Nicht einmal Verpflegung müssen wir mitbringen, denn für Frühstück und Abendessen sorgt die nahe Stalla Alp, ein zum Restaurant umgebauter Kuhstall, der mittlerweile für seine Käsespezialitäten bekannt ist. Keine Frage, da wollten wir hin. Außerdem waren wir schon länger nicht mehr in den Bergen über den drei Orten Flims, Laax und Falera unterwegs. In Sachen Trails soll sich dort in den letzten Jahren neben den bekannten Abfahrten Runca-Trail und dem sieben Kilometer langen Never End einiges getan haben.

Die Morgensonne hat unsere kleine Holzterrasse vor dem Zelt bereits aufgewärmt, als wir im Schneidersitz Platz nehmen und unsere hölzernen Frühstücksboxen öffnen. Darin jeweils: eine krosse Semmel, hausgemachte Blaubeermarmelade, Butter und Almkäse sowie warmer, duftender Kaffee.

Morgens gibt es Frühstück aus der Holzschachtel.Foto: Maria KnollMorgens gibt es Frühstück aus der Holzschachtel.

„Wollen wir nicht erst mal die Klassikerabfahrten angehen?“, fragt Jenny noch kauend. Sie war noch nicht in Laax beim Biken, und wahrscheinlich machen ihr die 600 Höhenmeter zum Vorabgletscher hinauf etwas Sorgen. Aber wir können sie überzeugen, dass es schlauer ist, sich bei diesen nur knapp zweistelligen Morgentemperaturen erst mal warmzufahren. Warm wird uns allerdings überraschend schnell, denn die Schotterpiste hält nicht viel von körnersparenden Kehren. Hochprozentig stiert sie die Bergflanke hinauf, und die dünner werdende Luft macht das Rhythmus-Finden auch nicht leichter. Mühsam schrauben wir uns in eine immer karger werdende Mondlandschaft hinauf, bis wir auf nicht ganz 3000 Metern Höhe, mitten in dieser Steinwüste, vor dem Einstieg in den Vorab-Trail stehen. Einer der neu ausgewiesenen Enduro-Trails. Zwar wurde auch er natürlich von Hand, Schaufel und Spitz­hacke in die Bergflanke verlegt, aber man merkt es ihm kaum an. Seine Wegführung ähnelt einem Schmelzwasserbächlein, das erst schüchtern unterm Gletschereis hervorkriecht und noch unentschlossen über große Felsplatten perlt. Welche Richtung wir einschlagen müssen, verraten rot-weiße Farbmarkierungen, die jemand auf den Stein gepinselt hat.

Neue Abfahrten: Die Trails von Flims Laax Falera haben oberhalb der Baumgrenze Enduro-Verlängerungen bekommen.Foto: Maria KnollNeue Abfahrten: Die Trails von Flims Laax Falera haben oberhalb der Baumgrenze Enduro-Verlängerungen bekommen.

Zögerlich tropft die zarte Spur von einer Stufe zur nächsten hinunter und dreht dabei enge Kehren. Doch dann zeichnet sich der Weg bald immer kräftiger in einem hochalpinen Schotterfeld ab, die Reifen greifen zwischen den Steinplatten
immer öfter in satten Almboden, und plötzlich ist die Hoppelei vorbei: Als reines Erdband sprudelt der Pfad samtweich durch eine Buckelwiese – mit Blick bis in die weißen Gipfel des Alpenhauptkamms. Kurze Entspannungsphase, haben sich die Trail-Architekten wohl gedacht, denn mit dem Erreichen des lichten Nadelwaldes fädeln wir fast nahtlos in die etablierten Bikepark-Abfahrten von Flims Laax ein. Der Trail weitet sich, seine Kurven rauschen in Anlieger, wellen um die Bäume, und zwischendrin überbrücken Northshore-Stege – bis schließlich die Abschlusskehren zum Lift in Sicht kommen.

Hier ist Jenny wieder in ihrem Element. Da wir mit unserer Übernachtungsbuchung auch ein Liftticket erhalten haben, verbringen wir den restlichen Nachmittag auf den Parkstrecken. Leider verpassen wir im Trail-Rausch die letzte Auffahrt der Crap-Sogn-Gion-Seilbahn, die uns zu unserer Beduinenbehausung zumindest ein gutes Stück Kurbelarbeit erspart hätte. Jenny scheint einem Nervenzusammenbruch nah.
Allerdings möchten auch wir anderen keine 1000 Höhen­meter mehr zur Alp Nagens hochkurbeln. Doch Carina erinnert sich, etwas von einem Shuttle-Dienst zur Alp gelesen zu haben. Und tatsächlich haben wir Glück. Als wir schließlich im Auto die Stalla Alp erreichen, empfängt uns die Wirtin Claudia auf der Holzterrasse mit einem Blaubeer-Smoothie.

Entspannungsprogramm wird auf der Alp Nagens großgeschrieben.Foto: Maria KnollEntspannungsprogramm wird auf der Alp Nagens großgeschrieben.

Die kleinen Lämpchen in den Zeltspitzen leuchten bereits und hüllen die Wiesen drumherum in warmes Licht. Heimeliger geht es fast nicht. „Ihr habt Glück“, sagt Claudia. „Heut’ ist Vollmond, das wird eine ganz besonders schöne Nacht.“ Doch zuvor verschwindet eine nach der anderen im Badezimmer-Container. Die Duschen sind sauber und heiß, Seife und Bodylotion liegen bereit, und es gibt sogar einen Föhn. Danach erwartet uns Claudia in der Stalla Alp zum Abendessen, wo wir ein perfektes Schweizer Rösti serviert bekommen. Als wir uns auf den Weg zurück zum Zelt
machen, steht der Vollmond bereits über den Berggraten und leuchtet mit den Beduinenzelten um die Wette.

„Soll ich bei Claudia noch eine Flasche Rotwein besorgen? In so einer Nacht können wir ja unmöglich schon ins Bett gehen“, sagt Carina und wartet unsere Antwort gar nicht erst ab. So sitzen wir noch lang auf unserer kleinen Zeltterrasse und erzählen uns Geschichten, wie sie sich wohl nur Frauen untereinander erzählen. Ab und zu schallt aus einem dunk­­­len Winkel der Almwiese ein zartes Dingeldongel herüber. Sicher eine Kuh, die nicht schlafen kann, weil da fünf Urlauberinnen einfach keine Ruhe geben.

Wer schon auf 2000 Metern Höhe übernachtet, hat die Trails morgens natürlich für sich allein. Allerdings nur, bis das erste Postauto kommt. Die Schweizer Linienbusse nehmen dank Fahrradträger am Heck auch Biker mit und bringen sie bis fast zum Gletscher hinauf.Foto: Maria KnollWer schon auf 2000 Metern Höhe übernachtet, hat die Trails morgens natürlich für sich allein. Allerdings nur, bis das erste Postauto kommt. Die Schweizer Linienbusse nehmen dank Fahrradträger am Heck auch Biker mit und bringen sie bis fast zum Gletscher hinauf.

Infos Glamping Laax - Glamour Camping in der Schweiz

Das Revier Flims Laax Falera

Die Region Flims Laax Falera liegt im Surselva im Schweizer Kanton Graubünden und zählt zu den ersten Alpenregionen, die Trails für Mountainbiker gebaut haben. Das Revier reicht vom 3028 Meter hohen Vorabgletscher bis zur abenteuerlichen Rheinschlucht hinunter. Mittlerweile wird auch hier stark nachhaltig gedacht: Neue Trails entstehen ausschließlich mit E-Baggern, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ebenso wie die 28 Seilbahnen im Tal. Bis 2030 will die gesamte Region CO²-neutral sein. Daher wird es hier auch gern gesehen, wenn die Gäste mit den hervorragenden Zug- und Postautoverbindungen anreisen.

Es gibt diverse ICE-Verbindungen von Deutschland nach Chur, und von dort geht’s mit dem Postauto oder dem Laax-Shuttle weiter nach Laax (25 km). Wer dennoch lieber mit dem eigenen Auto anreisen möchte: Parkplätze gibt es vor Ort im Parkhaus Stenna Flims und im Parkhaus Laax Murschetg.

Unterkunft

Die Beduinenzelte auf der Alp Nagens bieten jeweils 20 Quadratmeter Platz, sind mit Holzboden, Teppich, bezogenen Betten, einer kleinen Kaffeemaschine, Stromanschluss und einer ökologischen Kompotoi-Toilette ausgestattet. Die Duschen befinden sich in einem Extra-Container. Die Zeltwände selbst bestehen aus engmaschiger Baumwolle. Das macht die Zelte schwer, aber auch reißfest und UV-beständig. Selbst Regen sickert nicht durch. Der Stoff saugt sich zwar mit Wasser voll, lässt die Maschen aber aufquellen, sodass kein Wasser nach innen durchsickern kann. Im Gegensatz zu Kunststoff-Fasern lässt Baumwolle Feuchtigkeit dagegen von innen nach außen „atmen“, was wiederum im Zelt für ein angenehmes Klima sorgt. Übernachtung ab 230 Euro pro Nacht und Zelt (zu den Betten können noch zwei Matratzen à 75 Euro dazugebucht werden). Infos finden Sie auf den Webseiten von TCS Glamping und Stalla Alp Nagens.

Luxuriöses Innenleben bieten die Beduinenzelte.Foto: Maria KnollLuxuriöses Innenleben bieten die Beduinenzelte.

Die Trails um Laax, Schweiz

Insgesamt wurden in der Region 330 Kilometer Touren ausgewiesen. Davon fünf gebaute, aber sehr abwechslungsreiche Trail-Erlebnisse für Biker: Vorab-Trail (13 km Abfahrt, aber auch 684 hm bergauf), Nagens-Trail (5,9 km), Segnes-Trail (2,7 km), Runca-Trail (7,6 km) und Never-End-Trail (7 km). Dazu kommen diverse Trail-Kombinationen für größere Back-Country-Touren.

Die Lifte eröffnen die Sommersaison ab Juni, Arena Express Flims-Nagens und Crap Sogn Gion erst am 24.6. Ab Pfingsten gibt es aber einen Wochenendbetrieb. Wer eine Gravity Card besitzt fährt hier kostenlos.

Infos allgemein

Alle Infos zu weiteren Unterkünften, Bikeshops, Einkehrstationen und Saisoneröffnung finden Sie auf der Webseite von Flims Laax Touristinfo.

Dort, wo der Vorab-Trail sanfter dahinkurvt, kann man wieder einen Blick ins Panorama riskieren.Foto: Maria KnollDort, wo der Vorab-Trail sanfter dahinkurvt, kann man wieder einen Blick ins Panorama riskieren.

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