Text: Kirsten-J. Sörries
Ja, man kann die Sella-Ronda machen. Sollte man sogar einmal im Leben, schon wegen der unfassbaren Dolomiten-Landschaft, die einen auf ihren 58 Kilometern begleitet. Doch zweigt man im Norden der Runde, bei Corvara, von dieser berühmten Tour ins Gardertal ab, dann wartet dort noch mal ein spezielles Trail-Erlebnis:
Ich war schon oft in dem kleinen Südtiroler Dorf Abtei. Flankiert von der Puez-Geisler-Gruppe und dem Naturpark Fanes lassen sich von hier aus diverse Touren starten. Doch für dieses Mal habe ich einen Tipp bekommen. Oben an der Heilig Kreuz Kirche soll ein ausgesprochen spaßiger Natur-Trail abzweigen. Eine Abfahrt, die ich bei meinem letzten Besuch offenbar übersehen habe. Mit dabei: Die beiden Enduristinnen Nina und Shirley, die auch sofort eine Idee haben, wie wir diesen Trail noch um einen berühmten Trail-Klassiker erweitern und das Ganze zu einer tagesfüllenden Tour ausbauen können.
Klammer Morgentau-Nebel steigt auf, als wir im Sessellift von Abtei über die satt-grünen Wiesen schweben. Da ist es in der anschließenden Gondel schon deutlich wärmer. Und richtig warm wird uns, als wir auf 2045 Meter Höhe aussteigen und die letzten Höhenmeter zur alten Wallfahrtskirche noch selbst hochschieben müssen. Aber immer mit Blick auf die Felswände des Kreuzkofels. „Da ist ja, der Nr. 15!“, Nina hat unseren Abzweig schon entdeckt. Direkt unterhalb der Kirche startet der Trail, den ich beim letzten Mal übersehen haben muss. Vielleicht, weil sein Einstieg für einen angelegten Biketrail doch etwas überraschend ist:
Es liegen gleich zu Beginn ein paar große Steine im Weg, die man erstmal umschiffen muss. Dazwischen tasten wir uns ein paar sportliche, aber griffige Felsstufen hinunter. Und gerade als wir uns an diesen Rhythmus gewöhnen, macht der Trail im Lärchenwald plötzlich auf. Den Wurzeln und Steinen, die jetzt noch im Weg liegen, muss man nicht mehr ausweichen, sie wollen nur beim Abheben helfen.
Dazu passen die Kurvenradien und kurzen Gegenanstiege, die das Tempo dosieren. Nach rund vier ausgesprochen unterhaltsamen Kilometern stoßen wir in einen breiteren Forstweg, der uns mitnimmt bis nach St. Kassian hinunter. Damit könnte man es jetzt belassen und im Tal einfach auf dem Radweg nach Abtei zurückkurbeln. Aber die Mädels freuen sich schon seit dem Frühstück auf den Klassiker von St. Kassian und deshalb steigen wir hier nun in die Piz-Sorega-Gondel. Sie hievt uns auf die Hochebene der Pralongià – wo wir wegen des umwerfenden 360-Grad-Panoramas natürlich nicht mehr so allein unterwegs sind, wie auf dem 15er-Trail in Badia.
Doch die Menge an Bikern und Wanderern verteilt sich schnell. Schon weil der Forstweg recht selektiv ist: Rampe für Rampe arbeiten wir uns in der Mittagshitze zum Gasthof Pralongià hinauf. Die Hütte ist bereits gut besucht, aber keiner von uns möchte auf die verdienten Knödel auf der Terrasse verzichten. Eine Pause, die die Vorfreude der beiden Mädels nur noch steigert, denn direkt im Anschluss fädeln wir in die große Sella Ronda ein und zwar auf einem ihrer schönsten Abschnitte: den Fle-Trail.
Seine angelegten Kehren schwingen erst weit und ausladend durch die Wiesenhügel. Dann rattern die Reifen wieder über lange Northshores dahin. Das klingt nicht nur nach Achterbahn, es fühlt sich auch so an. Irgendwann taucht der Trail in den Wald ab und sofort stellt sich ein ähnlicher Kurvenrausch ein wie wir ihn schon auf unserer ersten Trail-Abfahrt heute Morgen erlebt haben. Bis schließlich zwischen den Bäumen die ersten Häuser von Corvara aufblitzen und die letzten Trail-Meter des Tages durch den Tacho rasseln.
Shirley kommt aus dem Grinsen gar nicht mehr raus, als wir die letzten neun Kilometer nach Abtei hinunterrollen: „Zwei Mega-Trails an einem Tag – diese Sella-Variante wird es in meine Top-Liste schaffen.“ Ob die anderen Orte entlang des Klassikers ähnliche Kombinationen bieten? Wir werden es herausfinden!
Vom berühmten Klassiker Sella Ronda gibt's Abstecher, die sich richtig lohnen. So wie diese Panorama-Kino-Runde zwischen Kreuzkofel und Pralongia.
Startpunkt: Sessellift-Talstation „La Crusc“ in Abtei/Alta Badia.
Die Tour: In Abtei geht's mit dem Sessellift La Crusc und der Gondel bergauf. Ein kurzer Waldweg-Anstieg führt zur Heilig-Kreuz-Kirche, wo kurz darauf der Trail Nr. 15 abzweigt, ein absolutes Highlight der Tour! Zwar lauern gleich zu Beginn ein paar S2-Stellen in Form von großen Steinen, ein paar Stufen und leicht ausgesetzte (aber undramatische) Gegenanstiege, doch dann gibt sich der Pfad im Wald bald immer flowiger, bis er schließlich auf einen Forstweg trifft. Hinter der Siedlung Rüdeferia zweigt links der Weg 15a ab, der sich wieder durch Wald und Wiesen Richtung St. Kassian hinunter schlägt.
Dort geht's mit der Gondel wieder bergauf, auf den Piz Sorega. Anschließend folgt man dem Hauptweg weiter Richtung Pralongia hinauf. Es sind zwar nur noch 150 Höhenmeter, aber die ballen sich in teils gemeinen Rampen. Dafür ist die Aussicht hier unfassbar schön und es lohnt eine Einkehr im Berggasthof Pralongia.
Nach der Pause wartet nämlich das zweite Highlight der Tour: der Fle-Trail. Er ist Teil der großen Sella Ronda und fließt auf Holzstegen über die Almwiesen dahin. Aber Vorsicht: An der Alm La Marmotta darf man den Trail-Einstieg nicht verpassen, sonst landet man auf der weniger spaßigen Straßenabfahrt. Oberhalb von Covara, am Golfplatz, endet der Trail und ein Fahrradweg übernimmt für die letzten Kilometer: erst durch Corvara hindurch und dann entlang der „Gran Ega“ durch den Ort La Villa zurück nach Abtei.
Schlüsselstellen: Der Trail Nr. 15 von der Heilig-Kreuz-Kirche hat zu Beginn ein paar Stufen (max. S2) und kurze Gegenanstiege, die den steilen Hang schneiden, aber der Weg ist breit genug. Absturzgefahr besteht nicht. Die restliche Tour ist mit S0-S1 entspannt fahrbar.
Seilbahnen:
Wer länger in der Region die Seilbahnen nutzen möchte: Die Dolomiti Super Sommer Card gibt es für 3 bis 7 Tage und gilt für 140 Lifte in den Dolomiten.
Infos allgemein: Unterkünfte und Infos zu Liften und Shops: altabadia.org
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