Man liebt ihn, oder man hasst ihn. Kaum ein anderer Supertrail der Alpen wird so kontrovers diskutiert wie der legendäre 136-Kehren-Trail am Lago d’Idro: “Wenn du auf diesem Trail Spaß haben willst, musst du das Hinterrad versetzen können”, sagen die einen. “So ein Blödsinn, wenn die ersten sechs Kehren geschafft sind, rollt man die letzten 130 einfach durch!”, behaupten die anderen.
Zu welcher dieser beiden Gruppen man gehört, wird man wohl erst erfahren, wenn man den Trail selbst gefahren ist. Der 1466 Meter hohe Monte Stino ist der Aussichtsberg am Idrosee und den muss man sich erst mal selbst erkämpfen. Einen Shuttle-Service wie am 44 Kilometer entfernten Gardasee gibt es hier nämlich nicht. 20 Kilometer lang wird einen diese Auffahrt beschäftigen – und zwar mit insgesamt 1378 Höhenmetern.
Anfangs führen steile Asphaltkehren aus Baitoni hinaus, dann ziehen sich lange, aber flachere Schottergeraden dahin. Nach 750 Höhenmetern geht es plötzlich im Wald auf Trail weiter bergan. Biker ohne Motor werden hier über die Wurzeln, Steine und Stufen viel schieben. Wer dagegen mit dem E-MTB unterwegs ist, erlebt jetzt im Sport-Modus eine Art Uphill-Rausch. Aber Achtung: Der Akku muss noch für die finalen, wieder steileren, 200 Höhenmeter zum Rifugio Monte Stino hinauf reichen.
Die Aussicht vom Rifugio ist gigantisch. Da die Berge hier so steile Flanken haben, blickt man von hier oben, aus 1466 Metern Höhe, praktisch aus der Vogelperspektive Richtung Idrosee. Auch wenn die Vorfreude auf die Kehrenabfahrt groß ist, sollte man die Gelegenheit die Kohlenhydrat-Speicher wieder aufzufüllen, nicht leichtfertig verstreichen lassen.
Die Zeit bis zur nächsten Einkehr in Vesta hängt schließlich von den eigenen Fahrtechnik-Skills ab. Auf dem Weg zum Trail kann man noch ein paar alte Schützengräben und Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg besichtigen.
Und nun ist es soweit: der Einstieg zum 136-Kehren-Trail – und zwar in Form einer Steintreppe. Die wäre nicht das Problem, aber das Geländer macht sie enger, und ihre letzte Stufe verschmilzt unten mit dem sehr ausgesetzten Trail, der sich bald in die erste Spitzkehre eindreht.
Mit dem normalen Bike kann man diese Trial-Nummer zumindest versuchen, mit dem schweren E-MTB sollte man sich schon sehr sicher fühlen. In der folgenden Linkskehre muss man das Hinterrad umsetzen, aber die Felswand im Rücken lässt kaum Platz dafür.
Kehre drei zieht auch verdammt eng zu im steilen Gelände, ist aber gerade so machbar. Bis Kehre fünf werden nur sehr gute Fahrer überhaupt im Sattel bleiben. Doch dann läuft’s. Das Gelände wird flacher, die Kehren runder, und der Trail selbst stellt sich als gut gepflegter, steiniger Waldpfad heraus.
Leicht zu rollen. So kann man sich ganz dem Kurvenfahren widmen. Manche Kehren lassen sich auf dem Vorderrad nehmen, manche auf dem Hinterrad. Oder ganz langsam mit viel Balancegefühl. Auch das Hinterrad versetzen kann man hier perfekt üben.
All das mit Blick auf den kaum merklich näher kommenden See. Auf seinen Kiesstrand stößt man erst wieder in Vesta, nach satten 1100 Tiefenmetern. Das Fazit in unserer kleinen Gruppe: Fahrtechnik-Experte Flo Konietzko hat 134 Kehren ohne Fuß absetzen gemeistert, Fotograf Markus Greber 130 und Tourenfahrerin Sabine Greber ganze sieben.
Die letzten drei Kilometer zurück nach Baitoni schieben dann aber alle. Der Sentiero Contrabbandieri klettert extrem ausgesetzt über dem Seeufer durch den Wald. An den zwei bis drei stahlseilgesicherten Stellen muss jeder Tritt wohl überlegt sein. Ein raues Ende für solch einen Supertrail, das sich aber ab Vesta auch über den See buchstäblich umschiffen lässt. Doch selbst Sabine grinste am Ende: “Der Spaß war’s wert.”
Der Idrosee liegt gerade mal 45 Autominuten von Riva del Garda entfernt. Wer am Gardasee Urlaub macht, kann den 136 Kehren-Trail leicht mitnehmen. Es lohnt sich ein ganzes Wochenende am Idrosee. Er gehört zu den saubersten Badegewässern Italiens und seine Berge sind von Militärtrails durchzogen.
Campingplatz Baitoni. Vom Parkplatz geht es direkt in den Asphaltanstieg Richtung Bondone.
Fehlanzeige. Mit dem eigenen Auto könnte man über Idro die SP58 bis kurz vor das Rifugio Monte Stino hinauffahren. So spart man sich auch die Kletterpassage über den Ufer-Trail, weil man in Vesta auf Asphalt gen Süden nach Idro zurückrollen kann. Allerdings müsste man danach das Auto noch holen.
Alternative ab Vesta: mit dem Schiff zurück nach Baitoni. An Wochentagen hält das Schiff drei Mal am Tag, Mittwoch und Sonntag vier Mal.
Rifugio Monte Stino (1416 m): Die Hütte wurde 2014 renoviert. Zur schönen Aussicht gibt‘s leckere hausgemachte Kuchen, Pasta, Polenta.
Vesta: Nach der langen Abfahrt schmeckt das Bier an der Beachbar. Abendessen ist auch im Camping-Restaurant sehr lecker, Pizza gibt es bis spät abends. campingmiralago.it
Die Tour ist dann mit E ein Genuss, wenn man in Vesta das Schiff zurück nach Baitoni nimmt. Ansonsten ist der Ufer-Trail zu gefährlich mit schwerem Bike!
Die GPS-Daten zum Bike-Klassiker 136-Kehren-Trail finden Sie im Tourenportal von BIKE:
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Lust auf mehr Trail-Touren am Lago d’Idro? Hier geht’s zu einer sehr spannenden, wie einsamen 4-Tages-Trail-Tour rund um den Idrosee.