Niedersachsens BerglandMountainbike-Touren rund um Bad Salzdetfurth

Matthias Rotter

 · 02.10.2024

Durch diese prächtige Allee ruckelten einst Pferdefuhrwerke zum Wasserschloss Söder. Heute flanieren hier Mountainbiker durchs hohe Gras.
Foto: Matthias Rotter
Niedersachsen: Kein Gebirge, keine Stadt mit großer Bike-Szene in der Nähe – und doch haben die Locals im Bergland des Flüsschens Innerste einen Top-Spot für Mountainbiker geschaffen, in dem nicht nur Deutsche Meisterschaften gefeiert werden.

Das Städtchen Bad Salzdetfurth liegt in Niedersachsen, rund zehn Kilometer südlich von Hildesheim. Hannover als größte Stadt im Einzugsgebiet ist etwa 40 Kilometer entfernt. Der 13.000 Einwohner zählende Ort ist touristisch bedeutend als Sole- und Moorheilbad. Bis ins Jahr 1992 wurde hier noch aktiv Salz- und Kali-Bergbau betrieben. Der ehemalige Förderturm von Schacht 1 ist nicht nur ein Wahrzeichen von Bad Salzdetfurth, sondern auch vom 2014 eröffneten Bike- und Outdoorpark (BOP), dessen Gelände in unmittelbarer Nähe liegt. Der MTB-Sport hielt jedoch bereits im Jahr 2005 mit dem ersten Cross-Country-Rennen Einzug, damals noch mitten in der Stadt ausgetragen. Inzwischen hat sich Bad Salzdetfurth zu einer Cross-Country-Hochburg entwickelt. Das Bike-Revier rund um den Ort zählt topografisch zum Innerste-Bergland. Der 360 Meter hohe Griesberg ist einer der letzten seriösen Wellen vor dem norddeutschen Tiefland. Nur das Deister-Gebirge bei Hannover liegt noch etwas nördlicher. Markantere Berge findet man erst im Harz, dessen Höhenzüge knapp 30 Kilometer südöstlich von Bad Salzdetfurth starten.

Die 3 besten Trail-Touren von Bad Salzdetfurth

Tour 1: Griesberg-Runde

  • Länge: 27,5 Kilometer
  • Bergauf: 500 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 2,5 Stunden
  • Schwierigkeit: leicht
Die Runde zum höchsten Gipfel startet mit Trails (rot), endet mit Trails und in der Mitte: der beste Trail der Region!Foto: BIKE MagazinDie Runde zum höchsten Gipfel startet mit Trails (rot), endet mit Trails und in der Mitte: der beste Trail der Region!

Tourenbeschreibung

Ein satter Trail-Anteil von rund 50 Prozent hört sich zunächst spaßig an. Allerdings führen diese Pfade nicht nur bergab. Und genau diese schmalspurigen Anstiege erfordern ordentlich Druck auf dem Pedal. Das kann man sich auf dem Wurzel-Trail gleich zu Beginn hinter die Ohren, respektive auf die Beine schreiben. Es folgt eine Passage am Waldrand, die mit hübschen Ausblicken von Anstrengungen aller Art abzulenken vermag. Nach Querung der Straße über den Roten Berg (bei Kilometer 10,4) beginnt ein flowiger Trail-Abschnitt, der nach Diekholzen hinunterführt. Er ist gespickt mit unzähligen Kurven, die richtig Spaß machen. Genug des Downhills. Vorerst. Denn während der anschließenden acht Kilometer geht es quasi permanent bergauf. Der Griesberg, der mit 360 Metern längste Anstieg der Region, will erwartungsgemäß sportlich erobert werden. Der Fernsehturm markiert das Ziel der Kletterpartie, aber zum Glück noch nicht das Ende der Tour. Als letztes Highlight führt ein Trail zurück zum Bikepark und ganz zum Schluss sogar über die neue CC-Strecke.

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Startpunkt Der Parkplatz am BOP (Bike & Outdoorpark), jenseits der Umgehungsstraße.

Highlights Der Trail vom Roten Berg nach Diekholzen (km 10,4) hinunter lässt richtig Bike-Spaß aufkommen. Nur noch getoppt von der Überquerung des Griesbergs mit abschließendem Downhill nach Bad Salzdetfurth zurück (km 23).

Schlüsselstellen Die Wege und Pfade sind ohne größere Schwierigkeiten fahrbar. Im Trailpark kann man seine Linie nach Leistungsvermögen frei wählen.

Tour 2: Schlösser & Sauberge

  • Länge: 34 Kilometer
  • Bergauf: 700 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 3 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel
Die Tour hat auch Trails, aber im Wald von Derneburg warten noch weitere Überraschungen im Wald.Foto: BIKE MagazinDie Tour hat auch Trails, aber im Wald von Derneburg warten noch weitere Überraschungen im Wald.

Tourenbeschreibung

Diese Tour verbindet Trail-Spaß und Kultur auf ihre ganz eigene Weise. Und abermals gilt: Trail bedeutet hier nicht zwingend, dass es bergab geht. Man fährt vielmehr in typischem Cross-Country-Stil ständig auf und ab. Erste Prüfung: der Pfad durchs Bodetal zum Segelflugplatz Wesseln, alternativ auf dem asphaltierten Burgweg daneben. Der Abschnitt bis Derneburg führt über ständig wechselnden Untergrund, bietet dabei aber oft schöne Blicke übers Land. Schloss Derneburg fungiert als prominentes Kunstmuseum. Drum herum wurden ein paar Seen drapiert. Mitten im Wald überraschen ein bizarres Mausoleum in Form einer elf Meter hohen Pyramide und ein griechischer Tempel, der einst von den Herrschaften der Region als Teehaus genutzt wurde. Anschließend fordern die Waldwege wieder viel Aufmerksamkeit. Zum Beispiel der über den Turmberg zum Wasserschloss Söder, das wie eine Miniatur von Versailles wirkt. Die Sauberge am Ende der Runde machen ihrem Namen schließlich alle Ehre: Hier warten wirklich saumäßig anstrengende Pfadanstiege, belohnen auf ihren Kehrseiten aber auch mit saumäßig schönen Abfahrten.

Startpunkt Bad Salzdetfurth Mitte, am Hotel Kronprinz. Anfahrt am besten mit dem Bike, weil das Parken hier schlecht ist. Parktipp: Parkplatz am BOP (Bike & Outdoorpark), jenseits der Umgehungsstraße (siehe auch Start von Tour 1)

Highlights Der Flugplatz-Trail bei km 3, der Kammweg entlang des Innerstetals (ab km 7). Das Schloss Derneburg mit seinem Kunstmuseum (km 16) und die epische Wiesenallee, die bis zum Schloss Söder führt (km 25)

Schlüsselstellen Die Wege und Pfade sind ohne größere Schwierigkeiten fahrbar. Für die Bergaufpassagen auf Singletrail braucht man allerdings Druck auf dem Pedal.

Einkehr Das Café im Glashaus am Schloss Derneburg (km 16).

Tour 3: Tosmarberg

  • Länge: 49 Kilometer
  • Bergauf: 700 Höhenmeter
  • Reine Fahrzeit: 4 Stunden
  • Schwierigkeit: mittel
Bei Runde 3 gibt es zusätzlich noch die Haustrails der Hildesheimer Locals oben drauf!Foto: BIKE MagazinBei Runde 3 gibt es zusätzlich noch die Haustrails der Hildesheimer Locals oben drauf!

Tourenbeschreibung

Der Bergrücken des Tosmars wird von den Locals als Hausberg gefeiert. Seine Querung an sich ist schon ein Highlight, aber letztlich nur ein kleiner Teil dieser großen Runde. Die Tour beginnt im Bikepark mit der serpentinenreichen Auffahrt auf dem Flowtrail. Der Abstecher zum Kabus-Aussichtsturm ist obligatorisch. Danach warten ein paar Rampen im Anstieg zum Tosmar hinauf. Wen die Aussicht vom Gipfelkreuz literarisch inspiriert, der kann sich hier ins Gipfelbuch eintragen. Die Trail-Abfahrt nach Diekholzen ist vielleicht die beste der gesamten Region. Ab Forsthaus Söhrer geht’s auf launigen Feldwegen und Pfaden bis nach Hildesheim (Tipp: Schleife durch die sehenswerte Innenstadt einbauen!). Der Rückweg startet mit der Querung von Galgen- und Knebelberg, dem Dreh- und Angelpunkt der Hildesheimer Bike-Szene. Auf den letzten Kilometern führt der Weg entlang des Flüsschens Innerste wieder nach Bad Salzdetfurth zurück.

Startpunkt Parkplatz am BOP (Bike & Outdoorpark), jenseits der Umgehungsstraße

Highlights Tosmarberg mit langer Trail-Abfahrt nach Diekholzen. Kammweg Schwarze Heide (km 16,5). Trails über den Hildesheimer Galgenberg (km 30,5)

Schlüsselstellen Die Wege und Pfade sind ohne größere Schwierigkeiten fahrbar.

Einkehr Entlang dieser großen Runde warten diverse Einkehrmöglichkeiten: Forsthaus Söhrer (km 14,5). Die Innenstadt von Hildesheim, vor allem in der Friesenstraße (km 22) und das Gasthaus Brockenblick (km 27,5).

Die drei top MTB-Touren rund um Bad Salzdetfurth in der Übersichtskarte.Foto: Karin Kunkel-JarversDie drei top MTB-Touren rund um Bad Salzdetfurth in der Übersichtskarte.

GPS-Daten Bad Salzdetfurth:

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Infos Bad Salzdetfurth

Anreise

Mit der Bahn: Bad Salzdetfurth ist ein Haltepunkt der Lammetal-Regionalbahn ab Bahnhof Hildesheim. Dieser wiederum ist perfekt ans Netz der DB angeschlossen. Fahrradmitnahme in allen Zugklassen möglich bzw. reservierungspflichtig.

Mit dem Auto: Bad Salzdetfurth liegt in der Nähe der A7 (Kassel–Hamburg), rund 40 Kilometer südlich von Hannover. Entfernung von Dortmund 270 km, von Leipzig 230 km und von Hamburg 200 km.

Übernachten

Neben zwei Hotels bietet der kleine Kurort einige private Gästehäuser und Ferienwohnungen. Eine Übersicht gibt’s auf www.bad-salzdetfurth.de. Direkt in der Altstadt empfiehlt sich das historische Hotel Kronprinz (Unterstraße 105, hotel-kronprinz.de).
Wohnmobilisten können auf dem Parkplatz des Solebads offiziell stehen, sogar mit Strom und Entsorgung (Solebadstr.1). Weitere Wohn- und Campiermöglichkeiten am Bikepark sind geplant. Andere Möglichkeiten gibt’s im nahen Hildesheim.

Bikeshops in der Umgebung

Kleinere Reparaturen erledigt im Notfall die Werkstatt von Autohaus Schulze in Bad Salzdetfurth (Unterstraße 61, Tel. 05063/387)).

Zwei Shop-Tipps im Einzugsgebiet: Zweirad Kracke (Hildesheimerstr. 53, 31177 Harsum), 2radundservice.de und Kelpe Bikes (Borsigstraße 3c, 31061 Alfeld), kelpe.de

Geführte Touren/Camps

Bikeschule Rock my Trail, rockmytrail.de: Die deutschlandweit agierende MTB-Schule bietet auch im Park von Bad Salzdetfurth Fahrtechnikkurse an. Angeschlossen ist ein Propain-Testcenter mit Verleih im Bereich des Bikeparks (Schachtstraße 5, Tel. 0151/70155916).

Essen und Trinken

Die Tipps der Locals: Nach der Tour belohnt man sich selbstverständlich mit einem Eis im Dolce Vita (Zentrum). Andere holen sich eine Currywurst im Kronprinzgrill gegenüber. Die beste Pizza gibt’s bei Sergio in der Bodenburgerstraße. Und zu späterer Stunde nimmt man noch ein Lagerbier oder einen Drink im Irish Pub The Bridge (An der Lamme 3). Mit etwas Glück spielt sogar Livemusik dazu. Übrigens: Chef Paul Tuthill steht mit seinem Food-Trailer auch regelmäßig am Bikepark.

Allgemeine Infos

Tourist-Info Bad Salzdetfurth, Solebadstr. 1, 31162 Bad Salzdetfurth, Tel. 05063/900-80

Highlights für Mountainbiker in Bad Salzdetfurth

BOP – Bike & Outdoorpark

Der 2014 eröffnete Park liegt westlich der Altstadt am Fuße des Griesbergs. Das großzügige Gelände bietet Spaß für alle Könnensstufen, vom Laufrad-Parcours für die Kleinsten bis zur Big-Air-Jump-Area. Dazwischen der Pumptrack Forest Pump, mehrere Dirtlines und ein Areal mit Northshore-Elementen. Auch Plätze zum Chillen wurden nicht vergessen. Die neuesten Highlights: Seit 2019 animiert der fünf Kilometer lange Rollercoaster-Flowtrail zum Achterbahnfahren. Trail-Chef Olaf hat darauf geachtet, dass die Strecke für Fahrer*innen jeden Niveaus zu meistern ist. Und seit den Deutschen Cross-Country-Meisterschaften 2022 ist die brandneue CC-Rennstrecke permanent ausgeschildert und befahrbar. Die Nutzungsgebühr für den Park wird (noch) über einen freiwilligen Beitrag, den sogenannten Trail-Taler, erhoben, zahlbar mit Hilfe von PayPal und einem QR-Code.

Infos: sportstadt.bad-salzdetfurth.de

Flowtrail im Bike & Outdoorpark (BOP) Bad SalzdetfurthFoto: Matthias RotterFlowtrail im Bike & Outdoorpark (BOP) Bad Salzdetfurth

Unter dem Motto „Cappuccino-Runde“ treffen sich die Fahrer vom Verein Bike-Sport Bad Salzdetfurth von April bis Oktober jeden Donnerstag um 18 Uhr am Hotel Kronprinz. Gäste (auch mit E-MTB) sind willkommen, wenn es dann auf die wechselnden Trainingsstrecken durchs Revier geht. In den Wintermonaten sind die Ausfahrten am Wochenende. Info: bike-sport-bad-salzdetfurth.de

Die BIKE Reportage: Innerste Eingebung

Abgerissenes Schaltwerk, Speichenbruch oder Rahmen-Crash – für Worst-Case-Szenarien gibt es in einem Cross-Country-Rennen jede Menge Möglichkeiten. Mit Olaf hatte das Schicksal jedoch andere Pläne an diesem Tag: Doppelsprung, zu wenig Speed, Einschlag, Schulter kaputt. Sein persönliches Worst-Case-Szenario ist aber nicht einmal die Verletzung selbst, sondern die bittere Erkenntnis, für die nächsten Wochen zur Untätigkeit verdammt zu sein. Denn Themen wie Reha, Schonprogramm und Krankengymnastik passen so gar nicht in Olafs Lebensmodell. Schon eher Bagger fahren, Kicker schaufeln, Events organisieren, Sponsoren bezirzen – und natürlich selbst auf dem Mountainbike sitzen. All das möglichst immer am Limit. Denn Olaf Nützsche ist im Städtchen Bad Salzdetfurth quasi der Chef vom Dienst in Sachen Radsport. Ein Macher im besten Sinn. Einer, ohne den der beschauliche Ort, 24 Autominuten südlich von Hildesheim gelegen, bis heute ein weißer Fleck auf der deutschen MTB-Landkarte wäre. Ist er aber nicht mehr. Und das, obwohl das nächste nennenswerte Mittelgebirge, der Harz, 30 Kilometer entfernt liegt. Doch dazu später.

Am Förderturm 1 in Bad Salzdetfurth trifft sich auch Deutschlands Cross-Country-Elite regelmäßig.Foto: Matthias RotterAm Förderturm 1 in Bad Salzdetfurth trifft sich auch Deutschlands Cross-Country-Elite regelmäßig.

Jedenfalls sieht man Olaf an, dass die Schulter schmerzt, aber es in seinen Beinen trotzdem schon wieder kribbelt. Doch es hilft ja nix. Den Job, mich höchstpersönlich durch sein Bike-Revier in und um Bad Salzdetfurth zu führen, muss er zähneknirschend an seine MTB-Kumpels Jochen und Günther übergeben. Szenenwechsel. Ein Pfad im Dickicht zwischen Wesseln und Derneburg. Zwei niedersächsische Dorfnester, die wohl bei den wenigsten ein wissendes Aha auslösen. Hin und wieder gestattet das Buschwerk einen Blick in die Ferne. Auf weites, sanft gewelltes Land. Auf wogende Kornfelder. Auf bewaldete Hügel. „Da hinten ist oben, dann geht’s nur noch bergab.“ Gefühlt höre ich diesen Satz heute zum zehnten Mal von Jochen. Eigentlich kein Wunder, denn das bringt die typisch deutsche Mittelgebirgstopografie nun mal mit sich: Nach dem Berg ist vor dem Berg. Keine Abfahrt ohne Gegenanstieg. Das Gute daran: Über fehlende Abwechslung kann man sich in diesem Revier wahrlich nicht beklagen.

Kuriose Sehenswürdigkeiten: Wer rechnet hier mit einer Pyramide am Wegesrand?

Zum Problem wird das Sägezahnprofil nur, wenn man über seine körperlichen Möglichkeiten hinaus agiert. Verdammt, sehe ich wirklich schon so fertig aus? Die beiden drücken aber auch aufs Pedal, als gäbe es ein Strava-Segment zu verteidigen. Tja, hätte ich mal einen Blick in die Biografie dieser zwei Lokomotiven geworfen: Mountainbiker der ersten Stunde, im Schnitt zwanzig Rennen pro Jahr, Deutsche Meisterschaften, Transalp-Finisher, die Erfolgsliste reißt gar nicht ab. „Die Touren in unserem Revier sind härter, als es den Anschein hat“, ruft Günther über die Schulter nach hinten. „Hättest Du nicht erwartet, oder?“ Ich kann darauf kaum antworten, weil meine Atemluft anderweitig im Körper benötigt wird. Zum Glück sorgen die kuriosen Sehenswürdigkeiten von Derneburg für vorübergehende Entschleunigung. Wer erwartet schon ein elf Meter hohes Mausoleum mitten im Wald, das aussieht wie eine ägyptische Pyramide? Für die totale Mystik fehlt nur noch, dass die Mumie des Grafen Ernst zu Münster aus den rostigen Gittern am Eingangsportal winkt. Leider ist das 1839 erbaute Monument heute ziemlich verwittert, weil sich kein Geld zur Restaurierung auftreiben lässt.

Der nächste Trail-Abschnitt endet an einem griechischen Tempel, der wieder nicht so recht ins Bundesland Niedersachsen passen will. Wir folgern, dass der Graf nicht der einzige Machthaber dieser Epoche war, der mit Extravaganzen zu überraschen wusste. Man denke nur an König Ludwig von Bayern. Weiter geht die Trail-Hatz über endlose Wellen, durch epische Alleen und vorbei an einem weiteren Schloss, das vom einstigen Wohlstand des Adels zeugt. Letzte Hürde für heute ist der Sauberg-Höhenweg, ein für die Gegend typischer Kammweg, der früher als natürliche Grenze zwischen den Ländereien diente.

Aber erst gefühlte fünf weitere Höhepunkte und entsprechende Gegenanstiege später senkt sich unsere Rundtour in die finale Abfahrt. An einem verwilderten Hohlweg, bereits wieder in Sichtweite von Bad Salzdetfurth, hält Jochen an und deutet verheißungsvoll nach oben. „Dort über die Kante führte immer die Strecke unseres Cross-Country-Rennens“, erinnert sich der Local. „Das war, bevor wir den neuen Kurs neben dem Bikepark gebaut haben.“ Dann wandert sein ausgestreckter Arm nach links und malt eine virtuelle Serpentine in den Wiesenhang unter uns. „Anschließend volles Karacho durch den Innenhof des Hauses da unten und mitten rein in die Marktstraße.“ Man sieht Jochen die Begeisterung an. „2005 hatte Olaf die Idee zum ersten Race. Aber von seinen verrückten Plänen soll er dir gleich selbst erzählen.“ Zehn Minuten später bremsen wir am Eiscafé, wo der stadtbekannte Local bereits auf uns wartet.

Hübsch und beschaulich, aber wenn hier das Feld eines Radrennens durchfegt, mutiert das Stadtbild von “Badse” zum Hexenkessel.Foto: Matthias RotterHübsch und beschaulich, aber wenn hier das Feld eines Radrennens durchfegt, mutiert das Stadtbild von “Badse” zum Hexenkessel.

Die Bilder auf seinem Smartphone sind beeindruckend. Sie zeigen Bad Salzdetfurth im Ausnahmezustand. Ein buntes Feld Mountainbiker rast durch einen Korridor aus feiernden Zuschauern. Ein Hexenkessel brodelt zwischen den historischen Fachwerkhäusern. Aber wieso gerade hier in diesem beschaulichen Kurort, wo die Zeit in altehrwürdigen Bädern und Sanatorien stehen geblieben scheint?

„Angefangen hat alles mit meiner Wandlung vom Fußballer zum Radfahrer“, erzählt Olaf, der 1993 von der Lausitz nach Niedersachsen übersiedelte. Als Torwart angeheuert vom örtlichen Drittligisten-Verein. Im Rahmen eines Reha-Programms war irgendwann Radfahren angesagt. Mit durchschlagendem Heilungserfolg. Nach Gründung seines ersten Biketeams 2003 reifte die Idee, neuen Schwung in die Stadt zu bringen und ein Rennen zu organisieren. „Ich habe damals beim Zweiten Bürgermeister vorgesprochen, und der gab mir spontan das Go“, erinnert sich Olaf und kann ein Grinsen nicht verkneifen. „Einen konkreten Plan hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Mein Motto lautete schon immer: learning by doing.“

Die Erfolgsgeschichte basiert auf dem unermüdlichen Einsatz der Bike-begeisterten Locals.Foto: Matthias RotterDie Erfolgsgeschichte basiert auf dem unermüdlichen Einsatz der Bike-begeisterten Locals.

Aber zusammen mit Thomas Kasten war der Grundstein gelegt für die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte von „Badse“, wie die Locals ihre Stadt liebevoll nennen. Zahlreiche nationale und internationale Meisterschaften wurden bis heute auf den Strecken ausgefahren. Ein weiterer Meilenstein folgte 2014 mit der Eröffnung des Bikeparks. Das Konzept geht auf. „Der illegale Trail-Bau in unseren Wäldern ist deutlich zurückgegangen“, resümiert Olaf.

Trotz Schulterschmerzen lässt er es sich nicht nehmen, mir sein neuestes Projekt zu zeigen. Zumindest virtuell. Auf einem Campus, so groß wie ein Fußballfeld, soll in naher Zukunft eine perfekte Infrastruktur für Biker entstehen. Angefangen bei einem Stellplatz für Camper bis hin zu Unterkünften. „Investoren sind bereits an Bord“, freut sich der Bike-Maniac. Ich freue mich erst mal noch über die bereits vorhandenen Spaßfaktoren. Dazu treffe ich mich am nächsten Morgen mit Marco Klages und weiteren Fahrern aus dem örtlichen MTB-Verein. Der Plan: eine Runde durch den Park und anschließend hinüber zu den Hometrails der Locals am Tosmarberg. Denn der gebaute Rollercoaster-Flowtrail und auch die neue Cross-Country-Rennstrecke lassen sich hervorragend in größere Touren einbauen.

In Ermangelung eines Lifts schraubt sich die Trasse des Rollercoasters in idealer Neigung hinauf zum Start. Unzählige Serpentinen sorgen für Uphill-Flow vom Feinsten. Quasi das Stilfser Joch von Niedersachsen. Bevor die Jungs zum Tosmar abzweigen, drehen wir einmal die komplette Runde und lassen auf der Abfahrt die Fliehkräfte in den fein modellierten Steilkurven auf uns wirken. Und das ganz ohne Gegenanstiege! Aber klar, die werden natürlich noch kommen.

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