Peter Nilges
· 29.08.2022
Mit Canyon und Radon stehen sich zwei Versender gegenüber. Der Preisvorteil von 800 Euro geht in diesem Duell an Radon. Dafür spendiert Canyon seinem Neuron einen Rahmen und Laufräder aus Carbon, eine komplette Shimano-XT-Schaltung und ein hochwertiges Performance-Elite-Fahrwerk von Fox.
Mit einer derart guten Ausstattung und dem entsprechend geringen Gewicht startet das Canyon Neuron CF 9.0 mit einem soliden Punktevorsprung in den Test. Die preisbewussten Kandidaten unserer Lesertester liebäugeln aber schon vor der ersten Pedalumdrehung mit dem Radon Skeen Trail 10. Denn auch hier setzen die Entwickelnden zumindest beim Hauptrahmen auf Carbon. Zusammen mit der hochwertigsten Ausbaustufe von Rockshox’ Pike-Gabel und den hochwertigen Alu-Laufrädern schnüren die Bonner ein äußerst attraktives Preis-Leistungs-Paket. An der Waage trennen die beiden Kandidaten 540 Gramm. Später stellt sich heraus, dass fast ein halbes Kilo des Mehrgewichts auf den Rahmen des Radon zurückfällt. Dass Canyon Carbon-Laufräder und leichtere Reifen verbaut, spart dagegen nur 76 Gramm.
Bei der Geometrie zeigt sich das Radon Skeen Trail etwas moderner: Der flache Lenkwinkel verspricht Spurtreue. Der steilere Sitzwinkel und die tiefe Front spannen unsere Tester etwas gestreckter und vortriebsorientiert über das Bike – und das, obwohl der Rahmen des Skeen Trail eine Nummer kleiner ausfällt. Sportliche Piloten lieben das. Bei Canyon fühlt sich die Sitzposition komfortabler an. Schön aufrecht überstehen auch untrainierte Biker lange Tage im Sattel. Das gelungene Fahrwerk trägt auch seinen Teil dazu bei. Bergauf bleibt der Hinterbau auch ohne Plattform extrem ruhig. Das Ansprechverhalten des Koblenzer MTB überzeugt ebenfalls auf ganzer Linie. Schnelle Schlagabfolgen parieren Gabel und Dämpfer anstandslos. Große Querwurzeln oder Felspassagen steckt besonders der Hinterbau – mit einem Zentimeter mehr Federweg – besser weg als das Radon. Radon baut zwar die laufruhigere Geometrie, der Hinterbau gibt den Federweg im Grenzbereich aber nur widerwillig frei. So kommt das Skeen bei viel Tempo an seine Grenzen. Bewegt man das Bike dagegen auf den zahmen Flowtrails der Testrunde, rücken die Fahrwerkeigenschaften in den Hintergrund, und das Radon besticht dank kurzer Kettenstreben mit ausgeprägtem Spieltrieb.
Bergauf bemängeln unsere Leser das leichte Nicken des Hinterbaus beim Radon Skeen. Im Vergleich zu anderen Bikes dieser Kategorie wissen wir aber: Das Radon bewegt sich noch im grünen Bereich. Wer das Heck via Plattform komplett beruhigen möchte, erreicht den Hebel am tief liegenden Dämpfer aber nur schwer. Viel mehr stört jedoch das gehemmte Ansprechverhalten am Heck unter Kettenzug. Mit etwas mehr SAG als gewohnt können wir aber auch in dieser Hinsicht die Tester zufriedenstimmen. Lob erntet das Radon für die Wahl der Reifen. Schwalbes Nobby Nic mit Soft-Compound vorne und Speedgrip am Heck bieten ein höheres Grip-Niveau als die leicht laufenden Speedgrip-Reifen am Canyon.
Bei beiden Herstellern bekommt man viel Bike für sein Geld. Urteilt man nur nach harten Fakten, baut Canyon den besseren Allrounder: Das Neuron klettert so gut, wie es bergab fährt, und das geringe Gewicht eröffnet einen großen Aktionsradius. Wer seine Ansprüche bei der Performance etwas herunterschraubt, schafft den gleichen Spagat auch mit dem Radon und spart dabei noch Geld.
1) Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig.
2) Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung
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