Max Fuchs
· 23.10.2022
Edles Carbon, 130 Millimeter Federweg an Front und Heck – diese Kombi verspricht ungeahnte Wandlungsfähigkeit. Wo sind die Limits des Trailbikes aus dem Versandkarton? Der Dauereinsatz des YT IZZO offenbart die Wahrheit.
Young Talent trägt das junge, wilde Image im Namen. Das Izzo strahlt da eher eine Prise Understatement aus, wie Tommy Lee Jones im schwarzen Alien-Jäger-Anzug. Es ist das Bike mit dem kürzesten Federweg im Portfolio des Forchheimer Versenders. Der Vergleichstest in BIKE 4/21 attestierte dem Izzo dank ordentlich Druck auf dem Vorderrad und hoher Laufruhe eine sportliche Persönlichkeit. Ein vortriebsstarkes Trailbike zum Kilometerschrubben. Trotzdem trägt es dank flachem Lenkwinkel und langem Radstand die Downhill-Gene seiner YT-Geschwister in sich. Was passiert also, wenn ein Redakteur die Ein-Bike-für-alles-Mentalität im Dauertest wörtlich nimmt?
Um auszuloten, wo die Komfortzone des YT Izzo endet, musste es sich im Test ständig Herausforderungen außerhalb seines angedachten Einsatzgebiets stellen: Bei Bikepark-Gaudi und Gondel-Wochenenden sammelte das Trailbike mehr als 100 000 Tiefenmeter. Um es für diesen Abfahrtswahnsinn zu rüsten, wurde der lange 60-Millimeter-Vorbau gegen ein kurzes 40er-Modell getauscht, und die schnell rollenden Reifen mussten gröberen Stollen weichen. Der Twistloc-Hebel zum Blockieren des Dämpfers flog raus, und der Lenker misst nun 780 Millimeter Breite – Details, die YT zum Teil auch beim aktuellsten Ausstattungs-Facelift ab Werk anbietet.
Beim einmonatigen Dauereinsatz auf den zerklüfteten Trails von Madeira zeigte das Trailbike trotz seines knappen Federwegs gute Nehmerqualitäten. Der aktive Hinterbau gibt zwar konstant Feedback vom Untergrund weiter, arbeitet aber zuverlässig.
Deshalb wurde das Izzo auch prompt als Racebike für das Northlake-Enduro-Rennen beim BIKE-Festival in Riva eingesetzt. Das raue Geläuf voller Felsstufen zwang schon so manches federwegsstarke Enduro in die Knie. Und das Izzo? Solide Abfahrtsleistung, keine Defekte – erstaunlich!
Für eine Kanada-Geschäftsreise wechselte das Trailbike anschließend für drei Monate den Besitzer. Auch die hohen Geschwindigkeiten auf den Trails rund um Montreal und im Bikepark Bromont brachten das Bike nicht aus dem Konzept. Dank steifem Rahmen und messerscharfem Handling lässt es sich leicht auf Linie halten. Ein Einschlag beendete allerdings das Leben des Vorderrads – Folge eines Fahrfehlers und nicht Schuld des Izzo.
Zurück in Deutschland dann wenig später das Comeback als kilometerhungriger Sportler: Auf leichte Carbon-Laufräder und schnelle CC-Reifen gestellt, kann das Izzo auch beim Gravel-Ride mit den Kollegen gut dranbleiben. Zwar ist der Hinterbau ohne Lockout sehr lebendig, das steife Chassis setzt Tretbewegungen aber trotzdem willig in Vortrieb um. Auch schwer beladen war das YT auf einer Bikepacking-Tour über hohe Alpengipfel ein zuverlässiger Begleiter.
Egal, ob Portugal, Italien, Kanada, Österreich oder deutsche Hometrails: Das YT Izzo erfuhr während seines harten Testbike-Lebens nur wenig Liebe in Form von Pflege. Zwei-, dreimal abduschen, ab und an ein Tropfen Kettenöl, das war’s. Umso erstaunlicher, dass das Versender-Bike nach wie vor schön leise über die Trails fährt. Kein Knarzen, kein Klappern. Die geräuschfreie Zugverlegung ist vorbildlich. Der Komplett-Check im BIKE-Testlabor offenbarte eine etwas ruckelige, aber noch nicht rau laufende Hinterradnabe und etwas Buchsenspiel an der Teleskopstütze, nichts Dramatisches. Die übrigen Lager und Parts laufen noch sauber. Selbst nach der Dauerbelastung im Grenzbereich wirkt das Izzo, als würde es nur lässig mit den Schultern zucken. Wie Tommy Lee Jones, der gerade mal wieder einen Außerirdischen eliminiert hat.
“Vielseitigkeit ist die Paradedisziplin des Trailbikes von YT. Mittels kleiner Ausstattungsänderungen lässt sich das Izzo leicht an verschiedene Fahrstile anpassen. Im Carbon-Rahmen steckt die DNA eines sportlichen Tourers, im lebendigen Fahrwerk viel Bergabpotenzial. Angesichts der ein oder anderen Zweckentfremdung steht das Izzo nach dem Dauertest außergewöhnlich gut da.”
Vier Wochen auf den schroffen Vulkanhängen Madeiras waren fürs YT Izzo kein Urlaub. Doch das Trailbike meisterte den Härtetest mit Bravour.
Die vielen Tiefenmeter schrubbelten die Bremsbeläge runter. Ein Crash machte das Schaltauge unbrauchbar. Durch Inflation und steigende Preise ist der Wertverlust gering. Inzwischen verlangt YT für die vergleichbare Ausstattung des Core-3-Modells 4299 Euro.