Laurin Lehner
· 20.11.2021
Das Torque:ON muss täglich als Shuttlebike ins Office herhalten – und natürlich jagen wir es bei jeder Gelegenheit über die Trails, z. B. in Freiburg.
„Der E-Freerider Torque:ON wartet seit letztem Winter in unserem Testkeller auf seinen Duellgegner: das Commençal Meta Power. Leider werden wir immer wieder von dem Direktversender aus Andorra vertröstet. Also fuhren wir uns mit dem Torque ON schon mal warm – mittlerweile hat es 1900 Kilometer auf der Uhr. Und das Commençal? Es ist noch immer nicht da. WTF!
Das Torque:ON muss täglich als Shuttlebike ins Office herhalten – und natürlich jagen wir es bei jeder Gelegenheit über die Trails, z. B. in Freiburg. Unser Zwischen-Resümee: Mehr E-Bike braucht man nicht. Zwei Dinge, die wir am Torque schätzen und zwei, die gegen den E-Freerider sprechen:
Das Gute zuerst: 1. Das Torque besitzt ein freeridig-quirliges Handling und lässt sich als eins von ganz wenigen E-MTBs super aufs Hinterrad ziehen (430er-Kettenstreben). 2. Das Fahrwerk bügelt noch so grobe Abfahrten weg und besteht selbst auf Downhill-Strecken. Super! Jetzt zur Kritik:
Das gefällt uns nicht so gut: 1. Der Shimano EP8 surrt für unseren Geschmack zu laut. Das killt den Vibe im Uphill. 2. Der Akku ist mit seinen 500 Wattstunden zu schwach auf der Brust und ließ uns auf längeren Trailrides oft bangen. Denn ist der Akku leer, tritt sich der E-Freerider zäh wie Kautschuk.
Der Vorwurf meines Kumpels Dennis trifft mich direkt in meine Testerseele. Nach einem Trailride im Schwarzwald diskutieren wir darüber, was E-Bikes können müssen. Die Gemüter erhitzen sich, die Meinungen gehen auseinander, dann lässt Dennis sein Totschlag-Argument auf mich niedersausen: „Ob Dir ein Bike gefällt, machst Du doch eh nur davon abhängig, ob Du es gut aufs Hinterrad ziehen kannst.“ Das hat gesessen. Doch irgendwie hat er auch Recht. Ich liebe Manuals. Den Vorteil von geländerlangen Kettenstreben kenne ich, finde sie aber zu teuer erkauft. Ja, steile, technische Uphills fallen mit langen Kettenstreben und steilem Sitzwinkel einfacher. Länge läuft, egal, ob runter oder hoch. Manchen Testern gefällt das. Sie strafen kurze Kettenstreben ab, weil sie im Uphill schneller steigen. Dass sich Kurven mit langen Hinterbauten so fahren, als würde man mit dem Langholzlaster in die Innenstadt abbiegen, vergessen sie gerne. Mein Credo: lieber ein kurzes Heck, und der Pilot feilt für Uphills an der passenden Fahrtechnik.
Jetzt aber zu dem Test-Bike: Die Manual-Maschine Canyon Torque ON besitzt superkurze 430er-Kettenstreben. Es wurde für Freeride-Missionen konzipiert. Mit 24 Kilo Gewicht liegt es bei der potenten Ausstattung im Rahmen. Im 9.0 steckt das teure Fox-Factory-Fahrwerk und presst massig Hub aus Front und Heck (180/175 mm). Die Geometrie ist flach, tief und die Laufräder klein. Beim Akku wurden für einen tieferen Schwerpunkt und eine Gewichtsersparnis (ca. 600 g) Abstriche gemacht. Der 504-WH-Akku will am liebsten im Eco-Modus gefahren werden, der werksmäßig bereits ausreichend schiebt. Die „Turbo“-Fraktion kommt mit dem kleinen Akku nicht allzu weit (Kosten für einen Extra-Akku: 700 €). Der bewährte Shimano EP8 hat über den gesamten Einsatz nicht gemuckt, doch das nervöse, laute Surren nervte im Uphill. Das gelingt einigen Modellen mit Brose-Motor deutlich besser.
Neben den Manual-Eigenschaften gelingen dem Torque zwei Dinge besser als vielen anderen E-Mountainbikes:
1. Das Fox-Factory-Fahrwerk verwöhnt den Piloten mit Komfort und gerät selbst in groben Highspeed-Passagen kaum aus der Ruhe. So zählt das Torque ON zusammen mit dem YT Decoy zu den besten E-Abfahrern, die ich bis jetzt gefahren bin.
2. Die Ausstattung hielt stand. Bremsen, Vario-Stütze, Antrieb. Und das trotz gefahrenen 3398 Kilometern und all die Pendlerei ins Office bei Schnee und Matsch.
Am meisten überzeugt haben mich die robusten Laufräder DT Swiss H 1700, die ich trotz Kurvengeknalle und Gemosche nicht in die Knie zwingen konnte. Kurzum: Ja, das Torque ON ist potent und stabil genug für Park-Laps. Aber natürlich zerrt die Schwerkraft bei Sprüngen mehr an dem 24-Kilo-Bike als an einem leichten Bio-Bike. Mit etwas Eingewöhnung kommt es einem Parkrad aber beachtlich nahe. Auf zahmen Trails wirkt das Torque ON zu großkalibrig, besitzt mit einer aktiven Fahrweise dennoch genug Spieltrieb.