Verdammt gut, aber auch verdammt teuer: Das Nomad von Santa Cruz ist seit Jahren eines der beliebtesten Edel-Enduros. Jetzt stellt die kalifornische Highend-Marke seinen Dauerbrenner auf neue Füße. Die markantesten Eckdaten der vierten Generation: 170 Millimeter Federweg und 27,5 Zoll-Laufräder. Vor allem die Laufradgröße kommt ein wenig überraschend, denn viele hatten ein 29er-Nomad erwartet, waren es doch die Jungs von Santa Cruz, die das 29-Zoll-Zeitalter im Downhill-Worldcup eingeläutet haben. Das Nomad soll aber kein Racebike sein, sondern ein potenter Alleskönner für jedermann. Getreu dem Motto: was auf der Rennstrecke schnell ist, bringt nicht zwingend den meisten Fahrspaß für Alltags-Enduro-Biker.
Die Anlenkung des VPP-Hinterbaus (Virtual Pivot Point, d.h. der Hinterbau dreht um einen virtuellen Drehpunkt) hat sich das neue Nomad dann doch beim großen Bruder, dem Downhiller V10, abgeschaut und auch die Geometrie wirkt auf den ersten Blick Race-inspiriert. Im Vergleich zum Vorgänger ist der Hauptrahmen um ziemlich genau eine Größe länger geworden und landet in Large bei einem Reach von 460 Millimetern. Die Geometrie lässt sich mittels Flipchip am Umlenkhebel auf zwei Positionen einstellen. Der Lenkwinkel misst bereits in der steilen Position flache 65 Grad, der Unterschied zur zweiten Einstellung (64,6 Grad) fällt auf den ersten Blick eher gering aus.
In der neuesten Generation überträgt Santa Cruz seine Enduro-Plattform erstmals auch auf die Frauenmarke Juliana. Das Strega hat den gleichen Rahmen (Größen XS bis M) wie das Nomad, kommt aber mit angepassten Federelementen für geringeres Fahrergewicht und ausschließlich in frischem Grün.
Wir konnten das neue Geschoß aus Kalifornien bereits ausgiebig probefahren, Trails in der Provence und dem angrenzenden Hinterland Liguriens boten dazu perfekte Bedingungen. Von schnell und flowig, bis steil und steinig war alles dabei, was ein Enduro können sollte.
Ab dem ersten Meter ist auf dem Nomad Wohlfühlen angesagt. Der Biker steht zentral im Rad und bekommt ein großes Sicherheitsgefühl. Der Hinterbau arbeitet extrem sensibel und spricht fein an, sowohl mit Luft-, als auch Stahlfederdämpfer. Das ist man in diesem Maße eher von reinrassigen Downhill-Bikes gewohnt. Umso mehr überrascht es, dass das Heck beim Antritt angenehm ruhig bleibt und nicht im Federweg versackt. Das führt dazu, dass sich das Nomad auch auf flachen und sanften Trails nicht behäbig fährt, sondern zügig vorwärts sprintet. Auch im Anstieg hinterlässt das langhubige Bike einen effektiven Eindruck.
Allgemein steht das Nomad hoch im Federweg, insbesondere, wenn die Lowspeed-Druckstufe am Rock Shox Super Deluxe RCT-Luftdämpfer relativ weit geschlossen wird. Mit dieser Einstellung sind wir bei unseren Testfahrten am besten zurecht gekommen. Der Wunsch nach einem Stahlfederdämpfer kam dabei in keiner Situation auf. Trotzdem wechselten wir auch auf diese Option, was dem Fahrwerk noch etwas mehr Pop verleiht und insbesondere verspielten Fahrern noch mehr Freude bereiten könnte. Einen echten Vorteil konnten wir auf den ersten Testfahrten durch den schwereren Rock Shox Super Deluxe Coil RCT aber nicht erspüren. In der gefahrenen Einstellung fühlte sich der Hinterbau mit dem Luftdämpfer in ruppigen Passagen sogar nach mehr Federweg an und bot dadurch mehr Reserven.
Wer auf Abfahrtsspaß Wert legt, wird das wahrscheinlich kennen: Gibt es eine Geometrieverstellung, wird meist die flache Einstellung gewählt - und nie wieder verlassen. Beim Nomad ging es uns anders. Bereits die steile Position mit höherem Tretlager bringt massig Laufruhe und eine geniale Kurvenlage mit sich. Ob schnelle Richtungswechsel oder weite Kurven – hier fühlt sich das Nomad richtig wohl. Mehr Abfahrtsdrang haben wir uns nicht gewünscht und das ist auch gut so, denn auch mit dem etwas höheren Tretlager bleibt der ein oder andere Stein- oder Wurzelkontakt auf technischen Trails nicht aus. Im Vergleich mit anderen Bikes dieser Klasse ist das Tretlager nicht übertrieben tief. Dennoch haben wir die höhere Geometrieeinstellung als harmonischer wahrgenommen.
Im steilen Gelände kommt allerdings ein anderes Detail zum Tragen, das den Fahrspaß durchaus schmälern kann: Wie bei amerikanischen Herstellern nicht unüblich, setzt Santa Cruz auf eine 180er-Bremsscheibe am Vorderrad. Auch wenn Srams Code-Bremse mit guter Dosierbarkeit und Bremskraft überzeugt: auf längeren Abfahrten ist die kleine Scheibe ganz klar unterdimensioniert. Das nagt in entsprechendem Gelände am Fahrspaß, insbesondere bei höherem Fahrergewicht. An einem Bike mit dermaßen großem Vorwärtsdrang hat die kleine Scheibe auf alle Fälle nichts zu suchen.
Und auch bergauf würde nach unserem Testeindruck ein kleines Detail Verbesserung bringen: Da der Hinterbau schon in der offenen Plattform-Position des Dämpfers sehr antriebsneutral ist, könnte die Druckstufe im geschlossenen Modus noch drastischer arbeiten. Zwar reduziert sie das leichte Wippen, das vor allem im Wiegetritt zu spüren ist, von einem Lockout ist die die Plattform-Position aber weit entfernt. Für lange Anstiege auf Asphalt oder Schotter könnten sich manche Biker ein härteres Heck wünschen.
Wie bisher üblich wird es den Rahmen in zwei verschiedenen Carbon-Ausführungen geben: Die Highend-Variante CC und die etwas günstigere und schwerere C-Version. Das Rahmengewicht soll wenige Gramm über dem des Vorgängers liegen. Der CC-Rahmen wird somit unter 2500 Gramm (Größe L, ohne Dämpfer) bleiben, das Topmodell soll in Large 13,39 Kilo wiegen. Preislich rangieren die Komplettbikes zwischen exorbitanten 10499 Euro für die Top-Ausstattung und 5999 Euro für das Einstiegsmodell aus Carbon. Schön für kleinere Geldbeutel: im Laufe des Jahres soll eine Alu-Version des neuen Nomad folgen, die ab 3999 Euro zu haben sein wird. Die neuen Carbon-Modelle sind bereits ab 15. Juni 2017 verfügbar.
Santa Cruz verbaut am Nomad ausschließlich Rock Shox Fahrwerke. Am Heck steht jeweils der Super Deluxe Air oder Super Deluxe Coil zur Auswahl. Vorne federt die Lyrik (RCT3 bzw. RC, je nach Modell) mit 170 Millimetern Federweg, am Einstiegsmodell eine Yari RC, ebenfalls mit 170 Millimetern Hub. Auch die Schalt- und Bremszentrale wird fast ausschließlich von Sram bedient. Das Nomad gibt´s nur mit Einfach-Antrieb von der NX bis zur XX1 Eagle. Gebremst wird mit Srams neuer Code, am Einstiegsmodell mit der Sram Guide. Die Guide bekommt dabei 200er Bremsscheiben spendiert, während die Modelle mit Code auf 180er-Scheiben an Vorder- und Hinterrad auskommen müssen. Für den nötigen Grip soll die Maxxis-Reifen-Kombi aus Minion DHR II und Minion DHF in 2,4 bzw. 2,5 Zoll sorgen. Wahlweise sind alle Bikes mit den neuen, hauseigenen Carbonfelgen zu haben. An den meisten Modellen ist der massive 800er-Carbonlenker von Santa Cruz verbaut.