Gut Ding will Weile haben. Das wusste schon Goethe. Aber auch Liteville-Chef Jo Klieber lebt dieses Motto. Denn seit 2005 tüftelt er das legendäre 301 Ausbaustufe um Ausbaustufe zur Perfektion. 2022 durften wir der 15. Version des Kult-Fullys auf den Zahn fühlen. Testergebnis: Super. Unsere Leserschaft begeistern die Bikes aus Tacherting ebenso, weshalb Liteville in unseren Leserumfragen regelmäßig unter die beliebtesten Hersteller gewählt wird. Kein Wunder also, dass unter den Traum-Bikes unserer Community auch der Name Liteville auftaucht. Da bereits seit 2022 Gerüchte über ein neues Liteville-Modell namens 303 kursierten, haben wir auf Leserwunsch den Neuling zu uns in die Redaktion bestellt.
“Das ist quasi eine komplett eigenständige, abfahrtslastigere Version des 301.” - mit diesen Worten drückt uns Liteville-Mitarbeiter Andi den neuesten Sprössling, das Liteville 303, in die Hand. Noch mal zur Erinnerung: Das Liteville 301 galt bislang immer als leichtes und Touren-taugliches Enduro. Von der extremen Downhill-Ausrichtung der moderneren Konkurrenz wollte Liteville sich bislang distanzieren. Das soll sich nun ändern. 164 Millimeter Federweg am Heck, 160 an der Front. Der Lenkwinkel misst 66 Grad. Das klingt zunächst nicht allzu extrem. Allerdings stammt unser Bike noch aus der Vorserie. Final soll das 303 mit einer Fox-38er-Gabel mit 170 Millimetern Federweg und einem 64,5 Grad flachen Lenkwinkel ausgeliefert werden – so wie es für ein modernes Enduro eben standesgemäß ist. Zudem sitzt am Serienmodell auch eine Montagevorrichtung für das hauseigene Lenkassistenzsystem K.I.S. (Keep it Stable) auf dem Oberrohr. Auch neu: die Hinterbaukinematik. Der Dämpfer wird zwar nach wie vor über die Wippe am Oberrohr angelenkt, die Dämpferaufnahme sitzt jedoch deutlich weiter unten am Sitzrohr als beim 301. Ansonsten bleibt das Enduro der Firmenphilosophie treu.
Die schlichte Rahmenkonstruktion aus massiven Alu-Rohren verspricht eine lange Lebensdauer. Auch die Liebe zum Detail kommt, wie immer bei Liteville, nicht zu kurz: Alle Leitungen am Lenker verlaufen durch das Steuerrohr ins Rahmeninnere. In der hinteren Steckachse verbirgt sich ein Mini-Tool. Die integrierte Eightpins-Sattelstütze lässt sich bis auf die Sitzrohrkante versenken und dank variabler Kettenstrebenlänge fasst der Hinterbau wahlweise ein 29- oder 27,5-Zoll-Hinterrad.
Unser Test-Bike tritt mit einem Laufradgrößen-Mix an. Gepaart mit den sehr kurzen Kettenstreben jagt das Liteville 303 wieselflink über verwinkelte Trails und lässt sich entspannt aufs Hinterrad ziehen. Jedes Zucken am Lenker verwandelt der nicht zu flache Lenkwinkel in akkurate Richtungswechsel. Diese Eigenschaft sucht man bei vielen Enduros vergebens. Um auch mit dem flacheren Serienmodell eine ähnliche Präzision zu erzielen, raten wir dazu, eine 160er-Gabel, wie an unserem Test-Bike, zu spezifizieren. Wer sich dagegen von dem Neuling einen rasanten Abfahrer erhofft, sollte lieber zur 170er-Gabel greifen. Denn bei hohen Geschwindigkeiten erinnern die Fahreigenschaften des 303 dann doch eher an die eines All Mountains Bikes.
Von einer abfahrtslastigeren Version des 301, wie angepriesen, hatten wir uns etwas mehr Laufruhe und Souveränität erhofft. Auch das Fahrwerk entfaltet nur bei harten Schlagabfolgen sein Potenzial. Einzelne Schläge oder feine Unebenheiten verdaut das Heck dagegen nicht so souverän. Das konnten die bisherigen Liteville-Modelle auf ähnlichem Niveau. Erst, als wir den zunächst verbauten X2-Dämpfer von Fox gegen das Rockshox-Pendant tauschten, konnte uns das Fahrwerk zufrieden stimmen. Bergauf klettert das Liteville Enduro willig. Durch den moderaten Reach und den steilen Lenkwinkel sitzt man kompakt. Der 50er-Vorbau verteilt dabei den Schwerpunkt großzügig über dem Vorderrad. So attestierte unsere Testcrew dem Liteville 303, trotz des kurzen Hecks, bergauf ein ausgezeichnetes Handling. Das Fahrwerk bleibt dabei angenehm ruhig, spricht aber wie schon bergauf nicht allzu fein auf Unebenheiten an.
Ob das 303 im finalen Trimm, mit Option auf die 170er-Gabel und den K.I.S.-Lenkassistenten, die Fußstapfen des Liteville 301 noch einmal eine Nummer vergrößern kann, muss wohl ein weiterer Test zeigen. Doch wie eingangs erwähnt: Gut Ding will Weile haben. Und Jo Klieber und sein Team werden bestimmt auch das 303 zur Perfektion optimieren.
Schade, dass wir für den ersten Test des Liteville 303 nur ein Modell aus der Vorserie bekommen konnten. Denn in unserer Testkonfiguration war bergab noch kein großer Vorteil gegenüber dem moderateren Enduro 301 zu spüren. Dafür zeichnet sich das Bike dank gelungenem Handling und effizientem Fahrwerk durch seine Allround-Qualitäten aus. Liteville-Fans werden das 303 für seine Zuverlässigkeit und die durchdachten Detaillösungen zu schätzen wissen.
GESAMT BERGAUF: 55,75 VON 90
GESAMT BERGAB: 108 VON 130
Sonstiges: 26,75 von 30
Wartungsfreundlichkeit: mittel
Liteville ist eine Eigenmarke des Komponentenherstellers Syntace und wurde 2004 in das Unternehmen integriert. Warum? Liteville-Chef Jo Klieber sagt dazu: “Wir hatten es damals satt, andere Fahrradhersteller zu beknien, für uns ihre Rahmen nach unseren Wünschen abzuändern.” Daraufhin entschied er sich, seine Bikes selbst zu bauen. Die ersten Modelle waren ein Erfolg, weshalb er beschloss, unter dem Namen Liteville mehr davon zu produzieren. Die Bikes zeichnen sich seitdem durch Innovationen, Liebe zum Detail und ihre lange Haltbarkeit aus.
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte (BIKE-Labormessung) und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder.
Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.).