Traum-Bikes 2023Evil Wreckoning LS - rasanter Downhiller im Test

Max Fuchs

 · 30.05.2023

Bei aller Begeisterung über das ausgewogene Gesamtpaket: Rasante Downhills bleiben die Paradedisziplin des Evil Wreckoning.
Foto: Max Fuchs
Brachial und gleichzeitig filigran – das Evil Wreckoning aus Amerika ist ein Augenschmaus und deshalb ein echtes Traumbike. Ob das US-Enduro auch so gut fährt, wie es aussieht, zeigt dieser Test.

Viele Amis sind größenwahnsinnig. Monströse Pickups, Super-Size-Menus und schier endlose Highways – wir alle kennen die Klischees. Das Enduro des US-Labels Evil passt da gut ins Bild. Denn, als wäre ein modernes Enduro nicht schon Bike genug, ist das Evil Wreckoning für angstbefreite Adrenalin-Junkies sogar mit Doppelbrückengabeln kompatibel.



Evil Wreckoning: Biken ohne Limit

Die Leserinnen und Leser beschränken sich bei ihren Wünschen auf das “Standard”-Wreckoning – was aber nicht heißen soll, dass man damit weniger todesmutig gen Tal stürzen kann. Der Fakten-Check zeigt: Beim Evil Wreckoning dürfte nur noch das eigene Fahrkönnen über die Grenzen des Machbaren entscheiden. Der Vollcarbon-Rahmen mit 161 Millimetern am Heck wird durch eine 170er-Gabel ergänzt und auf 29er-Laufräder gestellt. Dem bulligen Chassis erteilt Evil selbstverständlich die uneingeschränkte Bikepark-Freigabe. So steht das Wreckoning in unserem Testlabor.

Lässt man den Blick am fili­granen Oberrohr entlangschweifen, fällt der Blick schließlich auf das Markenzeichen des US-Labels: der Delta-Hinterbau. Hat man einmal die komplizierte Hebelage durchschaut, erkennt man einen abgestützten Eingelenker. Dass die Konstruktion von Fahrwerksroutinier Dave Weagle stammt, maximiert die Erwartungen an deren Funktion. So viel vorab: Wir wurden nicht enttäuscht. Im Labor macht sich die wuchtige Konstruktion erst mal beim Gewicht bemerkbar. 3065 Gramm (Größe L) sind für einen 3999 Euro teuren Rahmen nicht gerade rekordverdächtig. Komplett aufgebaut schafft es das pedalierbare Downhill-Bike, wie Evil das Wreckoning selbst nennt, auf 14,9 Kilo. Tatsächlich ein durchschnittlicher Wert in dieser Preisklasse.

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Erstklassiges Handling beim Evil-Enduro

Aber nun zu den Fahreigenschaften. Wie bereits angesprochen, waren unsere Ansprüche an Dave Weagles Fahrwerkskünste nicht zu hoch gegriffen. Extrem sensibel zu Beginn des Federwegs, viel Gegenhalt in der Mitte und angenehm progressiv gegen Ende – so versprechen es die US-Amerikaner. Und so war es auch. Selbst feinste Unebenheiten saugt der Stahlfederdämpfer gierig in sich auf, was eine irre Traktion generiert. Der Gegenhalt, zum Abdrücken an Sprüngen oder Pushen in Anliegern, war ebenfalls deutlich spürbar. Doch erst, wenn dicke Brocken oder Steinfelder auf das Fahrwerk einprügeln, läuft der Hinterbau zur Höchstform auf. Nie entsteht das Gefühl, als hätte man den Federweg voll ausgereizt. Das Delta-System funktioniert so gut, dass selbst die Rockshox ZEB-Federgabel aus der hochwertigen Ultimate-Baureihe im Grenzbereich nicht mehr mithalten kann. Zudem kapitulieren eher die Maxxis-Reifen mit einfacher EXO-Karkasse und geringem Pannenschutz, ehe man das Evil Wreckoning an seine Grenzen bringt. EXO+ am Vorderrad, Double Down am Hinterrad – das wäre die konsequentere Bereifung gewesen.

Die Industry-Nine-Nabe erzeugt nicht nur ordentlich Lärm, sondern kommt auch im breiten Super-Boost-Standard.Foto: Max FuchsDie Industry-Nine-Nabe erzeugt nicht nur ordentlich Lärm, sondern kommt auch im breiten Super-Boost-Standard.

Das Wreckoning zeigt sich laufruhig und wendig

Doch wer aufgrund des Fahrwerks das Evil als reines Vollgas-Enduro abstempelt, hat weit gefehlt. Denn sobald die Geschwindigkeit sinkt und die Kurvenradien schrumpfen, erinnert das Wreckoning mehr an einen flinken Rallye-Wagen als an ein amerikanisches Muscle-Car. So schlägt Evil mit seinem Enduro die Brücke zwischen Laufruhe und Wendigkeit. Ohne Spacer unter dem Vorbau zaubert man mit viel Druck auf der Front präzise Richtungswechsel auf den Trail. Auch die sehr kurzen Kettenstreben und der nicht allzu flache Lenkwinkel zahlen auf das ausgewogene Handling ein. Bergauf konnte das Bike bei unseren Testern ebenfalls Eindruck schinden. Denn das Heck erzeugt nicht nur Grip en masse, sondern bleibt dabei auch noch auffällig ruhig. Wegen der kurzen Kettenstreben steigt die Front an steilen Rampen allerdings etwas früh. Der moderate Reach erzeugt eine angenehm aufrechte Sitzposition, was lange Tage im Sattel erleichtert.

Fehlkonstruktion: Die Stellschraube für die Highspeed-Druckstufe versteckt sich hinter der Hinterbaukonstruktion und ist kaum erreichbar.Foto: Max FuchsFehlkonstruktion: Die Stellschraube für die Highspeed-Druckstufe versteckt sich hinter der Hinterbaukonstruktion und ist kaum erreichbar.

Motto des Evil Wreckoning: Go big!

Doch bei aller Begeisterung über das ausgewogene Gesamtpaket: Rasante Downhill bleiben die Paradedisziplin des Evil Wreckoning. Das erstklassige Handling und sein ausgereiftes Fahrwerk verleihen dem US-Enduro so viel Sicherheit, dass die amerikanische Go-Big-Mentalität sogar auf unsere Testfahrer abfärbte.

Fazit zum Evil Wreckoning von Max Fuchs, BIKE-Testredakteur:

Evil zeigt mit seinem Wreckoning: Extreme Geometrien und massive Federwege sind nicht immer der Schlüssel zu einem stimmigen Enduro. Denn Dank moderater Maße bleibt das Bike auch abseits verblockter Vollgaspassagen noch gut beherrschbar und bringt viel Fahrspaß. Das erstklassige Fahrwerk erzeugt aber dennoch genügend Fahrsicherheit in extremen Situationen.
Max Fuchs, BIKE-TestredakteurFoto: Thomas WeschtaMax Fuchs, BIKE-Testredakteur

Technische Daten und Noten zum Evil Wreckoning LS

Herstellerangaben

  • Preis: 7999 Euro
  • Erhältlich im Fachhandel
  • Rahmenmaterial; Carbon
  • Rahmengröße; S / M / L / XL (getestete Größe L, 46 cm)

Messwerte

  • Gewicht o. Pedale: 14,92 kg
  • Rahmengewicht: 3065 g
  • Gewicht Laufräder: 4989 g
  • Beschleunigung Laufräder: 4040 kg x cm²
  • Lenkerbreite: 800 mm
  • Rahmensteifigkeit (absolut): 37 N/mm

Ausstattung

  • Laufräder: Industry Nine Enduro S
  • Reifen: Maxxis Minion DHF / DHR; 3C MaxxTerra Exo Protection TR; 29x2,50 / 29 x 2,40
  • Gabel: Rockshox ZEB Ultimate
  • Dämpfer: Rockshox Super Deluxe Ultimate
  • Federweg vorne / hinten: 170 / 161 mm
  • Bremsen: Sram Code RSC / 200 / 180 mm
  • Schaltung: Sram X01 Eagle 1 x 12
  • Übersetzung / Bandbreite: 32; 10–52 / 520 %
  • Teleskopstütze / Hub / Ø: Bike Yoke Revive / 185 mm / 30,9 mm

Bewertung

  • Fahrverhalten bergauf: 17 von 20
  • Effizienz Fahrwerk:. 15 von 20
  • Rollwiderstand: 8,5 von 10
  • Gewicht: 3 von 15
  • Trägheit Laufräder: 4 von 10
  • Flaschenhalter: 2,5 von 5
  • Fahrverhalten bergab: 38 von 40
  • Federung vorne: 25 von 25
  • Federung hinten: 23,75 von 25
  • Versenkbarkeit Sattel: 10 von 10
  • Bremsen: 13,5 von 15
  • Reifen-Grip: 12,75 von 15
  • Fahrstabilität: 2 von 10

GESAMT BERGAUF: 50 VON 80

GESAMT BERGAB: 125 VON 140

Sonstiges: 23,5 von 30

Wartungsfreundlichkeit: gut

BIKE-Testurteil*: sehr gut 198,5 von 250 Punkten

Evil Wreckoning LS - GeometriedatenFoto: BIKE-TestabteilungEvil Wreckoning LS - GeometriedatenEvil Wreckoning LS - CharakteristikFoto: BIKE-TestabteilungEvil Wreckoning LS - CharakteristikEvil Wreckoning LS - Federkennlinien: Der Hinterbau arbeitet auf höchstem Niveau. Die Gabel spricht minimal schlechter an.Foto: BIKE-TestabteilungEvil Wreckoning LS - Federkennlinien: Der Hinterbau arbeitet auf höchstem Niveau. Die Gabel spricht minimal schlechter an.

Das ist Evil

2008 hörte man den Namen Evil zum ersten Mal in der Bike-Industrie. Für Aufregung in der Szene sorgte damals, dass Suspension-Mastermind Dave Weagle hinter dem US-Hersteller aus Bellingham steckte. Evil verpflichtete direkt den damaligen Downhill-Hoffnungsträger Stevie Smith sowie Freeride-Superstar Thomas Vanderham als Team-Fahrer. Heute ist Freerider und Redbull-Rampage-Star Kurt Sorge das Aushängeschild von Evil. Kein Wunder also, dass sich die Marke besonders bei der Gravity-Fraktion großer Beliebtheit erfreut.

Evil-Bikes-Produktion in USAFoto: HerstellerEvil-Bikes-Produktion in USA

¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.

²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte (BIKE-Labormessung) und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder.

Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.).

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