Viele Amis sind größenwahnsinnig. Monströse Pickups, Super-Size-Menus und schier endlose Highways – wir alle kennen die Klischees. Das Enduro des US-Labels Evil passt da gut ins Bild. Denn, als wäre ein modernes Enduro nicht schon Bike genug, ist das Evil Wreckoning für angstbefreite Adrenalin-Junkies sogar mit Doppelbrückengabeln kompatibel.
Die Leserinnen und Leser beschränken sich bei ihren Wünschen auf das “Standard”-Wreckoning – was aber nicht heißen soll, dass man damit weniger todesmutig gen Tal stürzen kann. Der Fakten-Check zeigt: Beim Evil Wreckoning dürfte nur noch das eigene Fahrkönnen über die Grenzen des Machbaren entscheiden. Der Vollcarbon-Rahmen mit 161 Millimetern am Heck wird durch eine 170er-Gabel ergänzt und auf 29er-Laufräder gestellt. Dem bulligen Chassis erteilt Evil selbstverständlich die uneingeschränkte Bikepark-Freigabe. So steht das Wreckoning in unserem Testlabor.
Lässt man den Blick am filigranen Oberrohr entlangschweifen, fällt der Blick schließlich auf das Markenzeichen des US-Labels: der Delta-Hinterbau. Hat man einmal die komplizierte Hebelage durchschaut, erkennt man einen abgestützten Eingelenker. Dass die Konstruktion von Fahrwerksroutinier Dave Weagle stammt, maximiert die Erwartungen an deren Funktion. So viel vorab: Wir wurden nicht enttäuscht. Im Labor macht sich die wuchtige Konstruktion erst mal beim Gewicht bemerkbar. 3065 Gramm (Größe L) sind für einen 3999 Euro teuren Rahmen nicht gerade rekordverdächtig. Komplett aufgebaut schafft es das pedalierbare Downhill-Bike, wie Evil das Wreckoning selbst nennt, auf 14,9 Kilo. Tatsächlich ein durchschnittlicher Wert in dieser Preisklasse.
Aber nun zu den Fahreigenschaften. Wie bereits angesprochen, waren unsere Ansprüche an Dave Weagles Fahrwerkskünste nicht zu hoch gegriffen. Extrem sensibel zu Beginn des Federwegs, viel Gegenhalt in der Mitte und angenehm progressiv gegen Ende – so versprechen es die US-Amerikaner. Und so war es auch. Selbst feinste Unebenheiten saugt der Stahlfederdämpfer gierig in sich auf, was eine irre Traktion generiert. Der Gegenhalt, zum Abdrücken an Sprüngen oder Pushen in Anliegern, war ebenfalls deutlich spürbar. Doch erst, wenn dicke Brocken oder Steinfelder auf das Fahrwerk einprügeln, läuft der Hinterbau zur Höchstform auf. Nie entsteht das Gefühl, als hätte man den Federweg voll ausgereizt. Das Delta-System funktioniert so gut, dass selbst die Rockshox ZEB-Federgabel aus der hochwertigen Ultimate-Baureihe im Grenzbereich nicht mehr mithalten kann. Zudem kapitulieren eher die Maxxis-Reifen mit einfacher EXO-Karkasse und geringem Pannenschutz, ehe man das Evil Wreckoning an seine Grenzen bringt. EXO+ am Vorderrad, Double Down am Hinterrad – das wäre die konsequentere Bereifung gewesen.
Doch wer aufgrund des Fahrwerks das Evil als reines Vollgas-Enduro abstempelt, hat weit gefehlt. Denn sobald die Geschwindigkeit sinkt und die Kurvenradien schrumpfen, erinnert das Wreckoning mehr an einen flinken Rallye-Wagen als an ein amerikanisches Muscle-Car. So schlägt Evil mit seinem Enduro die Brücke zwischen Laufruhe und Wendigkeit. Ohne Spacer unter dem Vorbau zaubert man mit viel Druck auf der Front präzise Richtungswechsel auf den Trail. Auch die sehr kurzen Kettenstreben und der nicht allzu flache Lenkwinkel zahlen auf das ausgewogene Handling ein. Bergauf konnte das Bike bei unseren Testern ebenfalls Eindruck schinden. Denn das Heck erzeugt nicht nur Grip en masse, sondern bleibt dabei auch noch auffällig ruhig. Wegen der kurzen Kettenstreben steigt die Front an steilen Rampen allerdings etwas früh. Der moderate Reach erzeugt eine angenehm aufrechte Sitzposition, was lange Tage im Sattel erleichtert.
Doch bei aller Begeisterung über das ausgewogene Gesamtpaket: Rasante Downhill bleiben die Paradedisziplin des Evil Wreckoning. Das erstklassige Handling und sein ausgereiftes Fahrwerk verleihen dem US-Enduro so viel Sicherheit, dass die amerikanische Go-Big-Mentalität sogar auf unsere Testfahrer abfärbte.
Evil zeigt mit seinem Wreckoning: Extreme Geometrien und massive Federwege sind nicht immer der Schlüssel zu einem stimmigen Enduro. Denn Dank moderater Maße bleibt das Bike auch abseits verblockter Vollgaspassagen noch gut beherrschbar und bringt viel Fahrspaß. Das erstklassige Fahrwerk erzeugt aber dennoch genügend Fahrsicherheit in extremen Situationen.
GESAMT BERGAUF: 50 VON 80
GESAMT BERGAB: 125 VON 140
Sonstiges: 23,5 von 30
Wartungsfreundlichkeit: gut
2008 hörte man den Namen Evil zum ersten Mal in der Bike-Industrie. Für Aufregung in der Szene sorgte damals, dass Suspension-Mastermind Dave Weagle hinter dem US-Hersteller aus Bellingham steckte. Evil verpflichtete direkt den damaligen Downhill-Hoffnungsträger Stevie Smith sowie Freeride-Superstar Thomas Vanderham als Team-Fahrer. Heute ist Freerider und Redbull-Rampage-Star Kurt Sorge das Aushängeschild von Evil. Kein Wunder also, dass sich die Marke besonders bei der Gravity-Fraktion großer Beliebtheit erfreut.
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte (BIKE-Labormessung) und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder.
Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.).