Glücksbringer MountainbikeWarum Flow glücklich macht und wie Biker ihn erreichen können

Jan Timmermann

 · 13.05.2025

Ist Flow das gleiche wie Glück? Für Mountainbiker scheint es kaum einen bedeutsameren Gemütszustand zu geben.
Foto: Max Fuchs
Flow ist bei Bikern längst zum geflügelten Wort geworden. Es ist ein Zustand, den Radfahrer, Trailbuilder und Guides unbedingt erreichen wollen. Doch warum überhaupt macht uns Flow so happy? Wir nehmen das Konzept auseinander und geben Tipps, wie Mountainbiker in den Flow kommen können.

Fast jeder Mountainbiker dürfte bereits einmal von “Flow” gehört haben. Der Begriff stammt vom ungarischen Glücksforscher Mihály Csikszentmihály, welcher den Begriff 1975 erstmals für ein Phänomen gebrauchte, welches er bei seinen Untersuchungen mit Schachspielern, Tänzern, Chirurgen und Bergsteigern beobachtet hatte. In weiteren Studien stieß Csikszentmihály auch in anderen Formen des Sports und der Arbeitswelt auf Schilderungen von Flow-Momenten und kam schließlich zu der These Flow sei das Geheimnis des Glücks. Wer auf einem Bike bereits das Vergnügen hatte und Flow aus eigener Erfahrung kennt, wird ihm vermutlich zustimmen. Flow lässt sich als stark positives Erlebnis definieren, das beim ausführen einer körperlichen oder geistigen Tätigkeit auftreten kann. Der Erlebende hat in seinen Handlungen das Gefühl von Leichtigkeit und geht in seinem Tun auf. Hört sich gut an? Um zu verstehen, wie Mountainbiker in den Flow kommen können, müssen wir weiter ausführen, was hinter diesem magischen Wort wirklich steckt.

Sogenannte Flowtrails finden sich in fast jedem Bikepark. Mit der richtigen Technik können hier Biker unterschiedlichster Könnensstufen in den Flow kommen.Foto: Max FuchsSogenannte Flowtrails finden sich in fast jedem Bikepark. Mit der richtigen Technik können hier Biker unterschiedlichster Könnensstufen in den Flow kommen.
In Flow-Momenten stehe ich hochkonzentriert auf dem Bike, mit dem ich in diesen Augenblicken zu einer Einheit verschmelze. Es gibt nur noch den Trail und mich. Jeder andere Gedanke ist ausgeblendet. So fahre ich flüssig ohne Unsicherheiten, springe Sprünge, ohne zu zweifeln und empfinde keinerlei Mühe. Alles funktioniert wie von alleine. Im Flow spüre ich keine körperliche Anstrengung, mache mir keine Sorgen über Risiken und kann nicht einschätzen, wie lange ich für die Strecke brauche. Dieser Rausch kann süchtig machen. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur

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Merkmale des Flows

Csikszentmihály erkannte im Flow einen optimalen Leistungszustand, zu dessen Erreichen es keinen Königsweg, nur einen individuellen Zugang gäbe. Allerdings war er der Meinung neun universalgültige Merkmale des Flows ausgemacht zu haben:

  1. Balance zwischen Herausforderung und Können: Flow tritt nur in einer als optimal empfundenen Beanspruchung auf. Man spricht vom sogenannten “Flow-Kanal” zwischen Angst und Langeweile, Über- und Unterforderung. Die Herausforderung der Situation wird unter den Umständen der eigenen Fähigkeiten als kontrollierbar wahrgenommen. Das eigene Können verschafft Sicherheit im Handeln
  2. Verschmelzung von Körper und Geist: Der Geist des Empfindenden trennt die laufende Tätigkeit und den ausführenden Körper nicht länger scharf ab. Umweltfaktoren und Selbst verschmelzen zu einer Einheit. Die vermittelnde Größe zwischen Stimulus und Reaktion geht verloren. Reflektion und Bewusstsein werden eliminiert.
  3. Klare Zielsetzung: Der Erlebende handelt klar prozessorientiert und richtet seine Handlungsziele auf die Ausführungsqualität
  4. Eindeutiges Feedback: Interne sowie externe Anforderungen und Rückmeldungen der Handlung gelangen klar und ohne Interpretation zum Empfindenden.
  5. Konzentration: Der Fokus ist ausschließlich auf die bevorstehende Aufgabe und deren Ausführung gerichtet. Die optimale Konzentration blendet Störfaktoren aus und wird nicht erzwungen, sondern selbstständig hervorgerufen.
  6. Kontrolle: Der Empfindende hat zu jeder Zeit das Gefühl der vollständigen Kontrolle über das verschmolzene System aus Körper, Geist und Umwelt.
  7. Subjektive Zeitwahrnehmung: Die Wahrnehmung der Zeit ist nicht länger bewusst, sie kann als Faktor nicht mehr eingeschätzt werden.
  8. Abgelegte Befangenheit: Mentale Einschränkungen, wie Unsicherheit, Angst und negative Gedanken werden aus dem Bewusstsein verdrängt
  9. Autotelisches Erlebnis: Die Handlung wird um ihrer selbst willen ausgeführt, nicht aufgrund potentieller Belohnungen.
Flow ist längst zu einem Art magischen Wort geworden. In der Arbeit, beim Sex und im Sport streben Menschen nach diesem Zustand.Foto: UnsplashFlow ist längst zu einem Art magischen Wort geworden. In der Arbeit, beim Sex und im Sport streben Menschen nach diesem Zustand.

7 Tipps: Wie Biker in den Flow kommen

Wie und wann Biker Flow erleben kann höchst unterschiedlich sein. Ausgehend von dem, was man inzwischen über das Flow-Phänomen weiß, lassen sich jedoch ein paar allgemeine Tipps ableiten, wie Mountainbiker schneller in den Flow kommen.

  1. Die richtige Strecke: Da Flow am wahrscheinlichsten am Schnittpunkt von Über- und Unterforderung auftritt, muss die Strecke zum eigenen Können passen. Auf einem verblockten Wanderweg können Trial-Techniker vielleicht in den Flow kommen, für die meisten ist Stolperbiken jedoch nicht der Weg zum Flow. Auch auf einer langweiligen Piste sind Flow-Erlebnisse unwahrscheinlich. Nicht ohne Grund hat fast jeder Bikepark inzwischen einen sogenannten Flow-Trail, den Anfänger ohne Angst bewältigen können, auf dem aber auch Biker mit fortgeschrittener Fahrtechnik ihren Spaß haben können.
  2. Die richtige Geschwindigkeit: Wie schwer oder leicht das befahren einer Strecke ist, hängt stets auch von der Geschwindigkeit ab. Je einfacher der Trail, desto mehr Speed braucht es vermutlich für den Flow-Moment. Mit der Geschwindigkeit können Biker spielen: einfach einmal versuchen einen simplen, gut bekannten Trail möglichst schnell zu fahren ohne über die eigenen Limits hinauszugehen.
  3. Die richtige Technik: Für Biker mit einer guten Fahrtechnik weitet sich der Flow-Kanal. Für Profis ist es wahrscheinlicher auf verschiedenen Strecken in den optimalen Zustand zu kommen. Fahrtechnik-Training (zum Beispiel auf einem Pumptrack) kann Biker dem Flow näher bringen.
  4. Das richtige Material: Natürlich müssen Bike und Ausrüstung zum Trail passen. Mit der XC-Rennfeile auf der Enduro-Strecke? Flow gibt’s so nur für Könner. Ein leises Bike schafft zudem weniger Ablenkung und erleichtert die Verschmelzung von Bewusstsein und Tätigkeit.
  5. Die richtige Anstrengung: Auch bergauf können sich Biker in den Flow fahren - und hier ist nicht nur die Rede von sogenannten Uphill-Flowtrails für E-Biker. Einfach mal probieren eine möglichst lange Steigung gleichmäßig hinauf zu kurbeln. Die Steigung sollte fordernd aber nicht überfordernd sein. Auch hier: Je fitter der Biker, desto größer der Flow-Kanal.
  6. Das richtige Mindset: Wer gestresst ist und sich auf Tour mit negativen Gedanken umtreibt, hat es schwer in den Flow zu kommen. Anstatt einfach nur die Runde durchzuhetzen lieber mal innehalten, Luft holen, konzentrieren und erst dann in den Trail einfahren. Manchem hilft Musik bei der Beruhigung des Gedankenstroms.
  7. Auch mal nur für sich fahren: Biken mit Freunden macht Spaß. Doch in einer Gruppe hat jeder andere Fähigkeiten und Unterschiede in Geschwindigkeit, Fitness und Fahrtechnik können dazu führen, dass niemand so richtig in den Flow kommt. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass intrinsische Motivation häufiger zu Flow-Erlebnissen führt. Extrinsische Motivatoren, wie die Bestzeit auf dem Bike-Computer und die gesammelten Kilometer deshalb immer mal wieder bewusst zu Hause lassen.
Downhill-Weltmeisterin Vali Höll voll im Fokus: Konzentration ohne Anstrengung ist eine der wichtigsten Faktoren um in den Flow-Moment zu kommen.Foto: Red Bull Content PoolDownhill-Weltmeisterin Vali Höll voll im Fokus: Konzentration ohne Anstrengung ist eine der wichtigsten Faktoren um in den Flow-Moment zu kommen.

Macht Flow wirklich glücklich?

Viele Biker aber auch Forscher sind der Meinung, dass Flow der einfachste Weg zu Glücksgefühlen sei. Manche setzen Flow und Glück gar gleich. Zweifelsohne gibt es einen Zusammenhang der Konstrukte, der nicht immer ganz trennscharf zu erkennen ist. Glück wird definiert als Abwesenheit von negativen Faktoren, wie Unwohlsein und Angst, als vollkommene Befriedigung, Verschmelzung mit dem Kosmos und veränderte Selbstwahrnehmung. Damit gleichen sich die Definitionen von Glück und Flow auffällig stark. Unmittelbar nach einem Flow-Erlebnis sind Menschen in der Regel glücklich.

Tatsächlich aber ist der Empfindende im Augenblick des Flows in einer Art Tunnel, in welcher er sein Gemüt überhaupt nicht wahrnehmen kann. Im Flow ist die Aufmerksamkeit ausschließlich prozessorientiert, Glücksgefühle können erst zeitversetzt auftreten. Um im Flow zu sein, muss der Erlebende nicht einmal zwingend glücklich sein. Ein beliebtes Beispiel ist hier der Fließbandarbeiter, welcher im Flow-Zustand zwar maximal effizient, nicht unbedingt aber positiv berührt ist. Flow ist also nicht gleich Glück. Flow lässt sich aber als ein “individuelles Mittel zum Zweck Glück” bezeichnen - ein Mittel, das wir Mountainbiker unter Beachtung der richtigen Tipps täglich selbst in der Hand haben können.

Flow ist nicht gleich Glück. Beide Phänomene liegen jedoch nahe beieinander.Foto: Sabine GreberFlow ist nicht gleich Glück. Beide Phänomene liegen jedoch nahe beieinander.

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