Wald der Träume

Henri Lesewitz

 · 29.11.2020

Wald der TräumeFoto: Henri Lesewitz
Wald der Träume

Im Privatwald von Titelaspirant Georg Egger fand die Cross-Country-DM '20 doch noch statt. Die Strecke hatte sein Papa einst in den Wald gebaut. Eine Zeitreise.

Was für eine verrückte Geschichte! Vor zehn Jahren nahm sich der damals fünfzehnjährige Georg Egger aus den beschaulichen bayerischen Örtchen Obergessertshausen vor, Cross-Country-Profi zu werden. Sein großes Ziel war die Olympiade 2020 in Tokio. Die Wand über seinem Kinderzimmerbett zierte ein Poster von Manuel Fumic. "Für Georg", hatte der Superstar der deutschen Cross-Country-Szene mit Edding drauf geschrieben.

Nach seinem Sieg bei der Landkreismeisterschaft in Deisenhausen, an der Georg damals eher aus Spaß teilgenommen hatte, war die Flamme der Mountainbike-Leidenschaft bei ihm aufgelodert. Die Mutter war kurz zuvor an Krebs verstorben. Ein Schock, der die Eggers noch enger zusammenschweißte – Papa Herbert, Sohn Georg und Bruder Andreas. Das Mountainbiken wurde zum alles bestimmenden Familien-Thema, die Fahrten zu den Rennen wie Abenteuer-Trips zelebriert.

Herbert gab seinen Job als Landwirt für einen Halbtagesjob in einem Planungsbüro auf, um Zeit für seine Söhne zu haben. Er verkaufte alle Kühe und zimmerte einen Hindernis-Parcours in den Stall. Er baute den Party-Keller zum Fitness-Studio um, kaufe ein Wohnmobil für die Fahrten zu den Rennen und schuf zusammen mit Georg und Andreas im familieneigenen Wald einen Cross-Country-Rennkurs, um optimale Trainingsbedingungen zu schaffen. Schließlich galt es, einen großen Traum Realität werden zu lassen: Die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio.

  Rutschpartie: Georg Egger auf dem Rennkurs im Familienwald bei der deutschen Meisterschaft 2020.Foto: Max Fuchs
Rutschpartie: Georg Egger auf dem Rennkurs im Familienwald bei der deutschen Meisterschaft 2020.
  Georg Egger (25) fährt 2020 bereits die siebte Saison im Trikot des Lexware Mountainbike Teams, das die besten deutschen MTB-Talente in seinen Reihen hat.Foto: Andreas Dobslaff
Georg Egger (25) fährt 2020 bereits die siebte Saison im Trikot des Lexware Mountainbike Teams, das die besten deutschen MTB-Talente in seinen Reihen hat.
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Das BIKE Junior Team als Sprungbrett

Und jetzt das! Olympia wurde wegen der Corona-Krise auf 2021 verschoben. Aus sportlicher Sicht Glück für Georg, der zwar inzwischen zur nationalen Cross-Country-Elite zählt, aber die Nominierung noch nicht geschafft hat. Zwei Fahrer darf der Verband für das Rennen der Herren nominieren. Die A-Norm, die eine Top-Ten-Platzierung im Worldcup oder bei der WM erfordert, haben bisher aber nur Manuel Fumic und Maximilian Brandl in der Tasche. Georg hat mehrmals die B-Norm geschafft. Hätte Olympia dieses Jahr planmäßig stattgefunden, hätte es schlecht ausgesehen für ihn. So aber besteht theoretisch noch Hoffnung.

Dass die im Frühjahr wegen Corona abgesagte deutsche Meisterschaft nun kurz vor der Winterpause doch noch stattfand und zwar ausgerechnet auf jener Rennstrecke im Familienwald der Eggers am Rande von Obergessertshausen, auf der die Karriere von Georg einst begann, ist eine so romantische wie großartige Geschichte.

Unser Reporter hatte Georg, der damals gerade ins BIKE Junior-Team aufgenommen worden war, vor genau zehn Jahren besucht. Angesichts der aktuellen Situation und der Ereignisse sind die Fotos inzwischen interessante Zeitdokumente. Da sie noch nie im Internet veröffentlich worden, wollen wir sie an dieser Stelle zeigen. Auch als Motivation für alle Nachwuchsfahrer, dass selbst kühne Träume durchaus wahr werden können.

  Stillleben mit Selbstporträt: 2010 war das Regal im Kinderzimmer von Georg noch spärlich mit Trophäen gefüllt. Was sich schon in den folgenden Monaten rasant änderte. Die Bierflasche war übrigens nie zum Durstlöschen gedacht, sondern eine Hommage an Homer Simpson aus der TV-Kultserie "Die Simpsons", der sich bekanntlich gerne an Bier der Marke Duff labt.Foto: Henri Lesewitz
Stillleben mit Selbstporträt: 2010 war das Regal im Kinderzimmer von Georg noch spärlich mit Trophäen gefüllt. Was sich schon in den folgenden Monaten rasant änderte. Die Bierflasche war übrigens nie zum Durstlöschen gedacht, sondern eine Hommage an Homer Simpson aus der TV-Kultserie "Die Simpsons", der sich bekanntlich gerne an Bier der Marke Duff labt.
  Die Eggers beim Lagerfeuer im Garten hinter ihrem Haus. Der Mountainbike-Sport schweißte die Drei nach dem Tod der Mutter noch enger zusammen. Papa Herbert war Freund, Team-Betreuer und Trainer in einer Person.Foto: Henri Lesewitz
Die Eggers beim Lagerfeuer im Garten hinter ihrem Haus. Der Mountainbike-Sport schweißte die Drei nach dem Tod der Mutter noch enger zusammen. Papa Herbert war Freund, Team-Betreuer und Trainer in einer Person.
  Georg und sein jüngerer Bruder Andreas, der heute ebenfalls erfolgreich in der Elite-Klasse fährt. Hier gucken sie aus dem Kuhstall des familieneigenen Bauernhofs heraus. Um für die Jungs da zu sein und genügend Zeit zum Unterstützen der Rennkarriere zu haben, hatte Papa Herbert kurz zuvor seinen Job als Landwirt an den sprichwörtlichen Nagel gehangen.Foto: Henri Lesewitz
Georg und sein jüngerer Bruder Andreas, der heute ebenfalls erfolgreich in der Elite-Klasse fährt. Hier gucken sie aus dem Kuhstall des familieneigenen Bauernhofs heraus. Um für die Jungs da zu sein und genügend Zeit zum Unterstützen der Rennkarriere zu haben, hatte Papa Herbert kurz zuvor seinen Job als Landwirt an den sprichwörtlichen Nagel gehangen.
  Der Wald oberhalb von Obergessertshausen ist schon lange in Familienbesitz der Eggers. Der optimale Ort für eine astreine Cross-Country-Rennstrecke, dachte Papa Herbert und modellierte mit seinen Jungs einen anspruchsvollen Kurs in den Wald. Die DM 2020 war nicht das erste Rennen, dass auf der inzwischen legendären Strecke ausgetragen wurde. Der "Egger-Wald" ist heute in der ganzen Szene bekannt. Sogar die Nationalmannschaft war schon zum Trainieren hier.Foto: Henri Lesewitz
Der Wald oberhalb von Obergessertshausen ist schon lange in Familienbesitz der Eggers. Der optimale Ort für eine astreine Cross-Country-Rennstrecke, dachte Papa Herbert und modellierte mit seinen Jungs einen anspruchsvollen Kurs in den Wald. Die DM 2020 war nicht das erste Rennen, dass auf der inzwischen legendären Strecke ausgetragen wurde. Der "Egger-Wald" ist heute in der ganzen Szene bekannt. Sogar die Nationalmannschaft war schon zum Trainieren hier.
  Die Wurzel-Trails und Steilabfahrten im Wald boten schon damals ideale Bedingungen für Fahrtechnik-Training.Foto: Henri Lesewitz
Die Wurzel-Trails und Steilabfahrten im Wald boten schon damals ideale Bedingungen für Fahrtechnik-Training.
  Die einst 30 Kühe hatte Papa Herbert mit der Aufgabe seines Landwirt-Jobs verkauft. Den leeren Stall nutzten Andreas und Georg, um auf einem liebevoll gestalteten Euro-Paletten-Parcours die Geschicklichkeit zu schulen.Foto: Henri Lesewitz
Die einst 30 Kühe hatte Papa Herbert mit der Aufgabe seines Landwirt-Jobs verkauft. Den leeren Stall nutzten Andreas und Georg, um auf einem liebevoll gestalteten Euro-Paletten-Parcours die Geschicklichkeit zu schulen.
  Früher Party-Keller, nun Fitness-Raum: Andreas stählt die Haltemuskulatur. Der Spruch auf der Gymnastik-Matte passt perfekt: Sport is fun!Foto: Henri Lesewitz
Früher Party-Keller, nun Fitness-Raum: Andreas stählt die Haltemuskulatur. Der Spruch auf der Gymnastik-Matte passt perfekt: Sport is fun!
  Der Eingangsbereich lässt keine Fragen zum Hobby der Eggers aufkommen.Foto: Henri Lesewitz
Der Eingangsbereich lässt keine Fragen zum Hobby der Eggers aufkommen.
  Georg im Chemie-Unterricht. Doch eigentlich kann er das Ende des Schultages kaum abwarten. Daheim in Obereggertshausen wartet schließlich die Strecke im Wald.Foto: Henri Lesewitz
Georg im Chemie-Unterricht. Doch eigentlich kann er das Ende des Schultages kaum abwarten. Daheim in Obereggertshausen wartet schließlich die Strecke im Wald.
  Andere in seinem Alter haben Poster von Rappern an den Wänden: Georgs Kinderzimmer ist tapeziert mit Bildern von Radsportlern. Direkt über ihm: Ein signiertes Poster von seinem großen Idol Manuel Fumic. Dass er zehn Jahre später mit Fumic Schulter an Schulter in der ersten Startreihe derdeutschen Elite-Meisterschaft stehen und mit ihm im Privatwald um den Titel kämpfen wird, ist für ihn 2010 nicht mal ein kühner Traum.Foto: Henri Lesewitz
Andere in seinem Alter haben Poster von Rappern an den Wänden: Georgs Kinderzimmer ist tapeziert mit Bildern von Radsportlern. Direkt über ihm: Ein signiertes Poster von seinem großen Idol Manuel Fumic. Dass er zehn Jahre später mit Fumic Schulter an Schulter in der ersten Startreihe derdeutschen Elite-Meisterschaft stehen und mit ihm im Privatwald um den Titel kämpfen wird, ist für ihn 2010 nicht mal ein kühner Traum.
  Das Wohnmobil hatte Papa Herbert extra für die gemeinsamen Rennwochenenden gekauft. Das Fenster rechts neben der Tür ziert ein Poster von Georg. Auf sein erstes Rennen in der U17-Klasse hatte Georg damals den ganzen Winter lang hintrainiert, dann riss wenige Meter nach dem Start die Kette.Foto: Henri Lesewitz
Das Wohnmobil hatte Papa Herbert extra für die gemeinsamen Rennwochenenden gekauft. Das Fenster rechts neben der Tür ziert ein Poster von Georg. Auf sein erstes Rennen in der U17-Klasse hatte Georg damals den ganzen Winter lang hintrainiert, dann riss wenige Meter nach dem Start die Kette.
  Georg im Herbst 2020, zehn Jahre später: Mit großen Hoffnungen auf eine Meisterschaftsmedaille zieht er sich im Pavillon seines Lexware Racing-Teams für das Rennen um.Foto: Henri Lesewitz
Georg im Herbst 2020, zehn Jahre später: Mit großen Hoffnungen auf eine Meisterschaftsmedaille zieht er sich im Pavillon seines Lexware Racing-Teams für das Rennen um.
  Der Traum, deutscher Elite-Meister zu werden, ist geplatzt. Mit leidendem Blick quält sich Georg über den verschlammten Parcours. Der Infekt, wegen dem er in der Woche zuvor auf den EM-Start verzichten musste, steckt ihm noch merklich in den Beinen.Foto: Henri Lesewitz
Der Traum, deutscher Elite-Meister zu werden, ist geplatzt. Mit leidendem Blick quält sich Georg über den verschlammten Parcours. Der Infekt, wegen dem er in der Woche zuvor auf den EM-Start verzichten musste, steckt ihm noch merklich in den Beinen.
  Platz neun ist eine Enttäuschung, aber Georg hat dennoch Grund zur Freude. Im Ziel warten seine Freundin und seine einjährige Tochter Nora. Aus dem einstigen Halbstarken ist ein Familien-Papa geworden. Bruder Andreas wurde bei dem Rennen starker Zwölfter.Foto: Henri Lesewitz
Platz neun ist eine Enttäuschung, aber Georg hat dennoch Grund zur Freude. Im Ziel warten seine Freundin und seine einjährige Tochter Nora. Aus dem einstigen Halbstarken ist ein Familien-Papa geworden. Bruder Andreas wurde bei dem Rennen starker Zwölfter.
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