Trails sind zum Teilen da – so lautet ein beliebtes Motto unter Mountainbikern. Doch was, wenn es sich um lediglich geduldete Strecken oder Wege handelt, auf denen bei zunehmender Nutzung Konflikte mit anderen Nutzergruppen drohen?
Auf Plattformen wie Strava oder Trailforks lassen sich Trails problemlos anlegen – egal, ob legal oder nicht. Durch die digitale Veröffentlichung werden sie für andere Biker sichtbar und können leicht nachgefahren werden. Besonders gezeitete Abschnitte locken sogenannte KOM-Jäger (King of the Mountain) an: Sie versuchen, die Bestzeit auf einem Segment zu schlagen, um sich in der Rangliste ganz nach oben zu fahren. Die Erfolge werden geteilt – und motivieren andere dazu, ebenfalls auf Zeit zu jagen.
„Die Städter kommen, zerstören unsere Trails und stellen sie dann bei Trailforks online – das zieht noch mehr Leute an“, beklagt ein Hobby-Trailbauer aus der Region Augsburg, der anonym bleiben möchte. Das Problem: Sensible, inoffizielle Trails geraten durch hohe Nutzung ins Visier von Kritikern – und Behörden sehen sich zum Handeln gezwungen.
Gefühlt werden Mountainbiker so in eine Art Reservat zurückgedrängt. - Maxi Dickerhoff.
In Kanada sollen Behörden Plattformen wie Trailforks gezielt genutzt haben, um illegale Strecken ausfindig zu machen und zu sperren.
Heiko Mittelstädt von der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) sieht das Thema differenziert: „Wenn man weiß, dass es mit einem Trail oder dessen Nutzung Konflikte mit dem Naturschutz oder Eigentümer gibt, sollte man das in seiner Abwägung berücksichtigen, ob man diesen überhaupt befährt.“ Beim Aufzeichnen von legalen Wegen sieht er jedoch kein Problem: „Wanderwege werden auch veröffentlicht – warum sollen wir Biker schweigen?“ Mittelstädt sieht in den digitalen Daten sogar Potenzial: „Man erkennt beliebte Routen – das kann helfen, offizielle MTB-Strecken zu planen.“ Legale Trails sind ein hohes Gut, doch oft auch eine langwierige und kostspielige Angelegenheit.
Maxi Dickerhoff von der Trail-Plattform Supertrails sieht Trail-Legalisierung nicht ausschließlich positiv: „Gefühlt werden Mountainbiker so in eine Art Reservat zurückgedrängt“, sagt Dickerhoff.
Die Innsbruckerin Kathrin Baumann sieht andere Länder als Vorbild: „Es werden massig Bikes verkauft, doch es gibt kaum Strecken. Warum nicht wie in der Schweiz vorgehen? Hier sind in vielen Kantonen ‚Shared Trails‘, die von Bikern und Wanderern benutzt werden können“, sagt Baumann
Ich verstehe beide Seiten: Für Trailbauer ist es bitter, wenn ihre mühsam gebauten Strecken durch hohe Nutzung leiden. Andererseits sorgt ein breites Angebot an Trails für Entzerrung – je mehr Optionen, desto besser. Bei Supertrails zeichnen wir ausschließlich legale oder nicht ausdrücklich verbotene Trails auf. Die Legalisierung sehe ich nicht nur positiv – sie kann dazu führen, dass Mountainbiker in reservatähnliche Zonen gedrängt werden. - Maxi Dickerhoff, Supertrails
Wenn der Weg für Biker geeignet und kein Verbot ersichtlich ist, spricht nichts gegen eine digitale Aufzeichnung. Bei sensiblen Trails sollte man selbst einschätzen, ob eine Aufzeichnung sinnvoll ist. - Sonja Schreiter, DIMB
Die Locals sind sich dessen meist bewusst und achten darauf, nichts digital aufzuzeichnen – das übernehmen häufig auswärtige Biker, die auf den fremden Trails unterwegs sind. - Kathrin Baumann, Innsbrucker Bikerin
Bei nicht-offiziellen Trails heißt die Devise: No Strava! Auch nicht privat mitlaufen lassen. Denn auch wenn du es nicht öffentlich teilst, werden die Daten hochgeladen und sind auf der sogenannten „Heatmap“ sichtbar – für jeden einsehbar. Deshalb: No Strava!
Übrigens: Auf dem Rennrad finde ich Strava super, da kann ich meine Leistung gut sichtbar vergleichen. Für Mountainbike-Sessions auf kurvigen Trails macht Strava eh keinen Sinn, zumindest wenn du dich mit anderen batteln willst. Denn Strava zeichnet viel zu ungenau auf. Daher erkennt Strava Shortcutter auch so gut wie nicht. - Christian “Texi” Textor, Enduro Worldcupper, Team YT MOB
Hier verrät die Psychologin, warum viele Biker ihre Zeiten auf Strava gerne online publizieren.
BIKE: Frau Strunz, warum wollen wir unsere Heldentaten unbedingt mit anderen in den sozialen Netzwerken teilen?
Elisabeth Strunz: Das hat viele Gründe – praktische, wie das Erfassen von Trainingsdaten oder das Dokumentieren der Leistungssteigerung. Soziale Gründe sind beispielsweise die Identifikation und Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder der Wettbewerb. Häufig spielen dabei Anerkennung und Lob aus dieser Gruppe als extrinsische Motivationsfaktoren eine wichtige Rolle.
Warum ist das so wichtig für uns Menschen?
Das beginnt schon im Kleinkindalter – wir wollen Papa oder Mama gefallen. Das Erhalten von Anerkennung und Lob prägt, wie wir uns selbst sehen und wie es um unseren Selbstwert bestellt ist. Zudem aktivieren Lob, Likes oder Kommentare neuronale Netzwerke. Dopamin wird ausgeschüttet – es ist Teil unseres Belohnungssystems und spielt bei der Steuerung unserer Motivation, aber auch beim Suchtverhalten, eine zentrale Rolle.
Der Dopamin-Kick fühlt sich gut an und treibt uns an, immer wieder unsere Zeiten oder Routen zu posten. Zudem gewinnen wir dadurch gesellschaftlich an Status und steigen im sozialen Gefüge auf.
Zudem passiert beim Posten im Grunde dasselbe wie beim Glücksspiel: Je unsicherer das Ergebnis ist – also wie die Community auf unsere Posts reagiert –, desto höher ist die Motivation, es erneut zu versuchen.
Jetzt wissen viele aber, dass solche Strava-Trackings sehr wahrscheinlich andere Biker anziehen – und damit Aufmerksamkeit auf nicht offizielle Strecken lenken, die dadurch im dümmsten Fall gesperrt werden. Warum teilen viele Biker trotzdem ihre Trackings?
Ich bin mir nicht sicher, ob sich die meisten Biker darüber im Klaren sind. Oder ihr persönliches Bedürfnis, sich mitzuteilen, den KOM mit ihrer Community zu teilen und die für sie damit verbundenen positiven Konsequenzen zu erleben, ist einfach größer. Wenn’s keiner weiß, dass man der Schnellste auf der Passage ist, macht’s weniger Spaß.
Viele stecken viel Zeit in ihr Insta-Profil. Warum posten manche Menschen gerne viel, andere weniger?
Unser individuelles Bedürfnis, uns nach außen darzustellen, ist unterschiedlich ausgeprägt. Im Grunde kreieren wir ein Bild von uns selbst für die Außenwelt. Man ist sein eigener Marketing-Manager und kann sich so darstellen, wie man sich selbst am besten gefällt.
Eine gewisse Eitelkeit hat wohl jeder – auch wenn manche bewusst ungefilterte oder weniger „perfekte“ Bilder posten, möchte sich kaum jemand auf eine Weise zeigen, mit der er oder sie sich nicht wohlfühlt. Manche Menschen brauchen die (positive) Resonanz von außen mehr als andere und erfüllen sich damit möglicherweise ihr Bedürfnis nach zum Beispiel Anerkennung und „gesehen werden“, um sich gut in ihrer Haut zu fühlen.