EMTB Redaktion
· 29.01.2023
E-Bikes boomen und sind aus den Mobilitätskonzepten der Zukunft nicht mehr wegzudenken. Das sehen auch die Autohersteller und investieren kräftig ins Zweirad. Ist diese Entwicklung eine Gefahr oder Chance für die Radbranche? 5 Köpfe, 5 Meinungen.
Der Boom der E-Bikes lockt auch die Automobilindustrie aus der Deckung. Das Fahrrad gilt als eines der wichtigsten Verkehrsmittel der zukünftigen (urbanen) Mobilität – klar, dass die Autohersteller da eine Rolle mitspielen wollen. Aber ist es eine Gefahr für die Radbranche, wenn beispielsweise der Autobauer Porsche den E-Bike-Motorenhersteller Fazua aufkauft und fortan eigene E-Bikes entwickeln will? Wir haben fünf Profis der Bike-Industrie nach ihrer Meinung gefragt.
„Die Radbranche ist traditionell eher in der Sport- und Hobbyecke angesiedelt und muss sich nun rasend schnell auf Mobilität umstellen. Die Kunden erwarten gerade bei E-Bikes eine hohe Nutzbarkeit – Werkstatttermine in zwei Monaten sind da inakzeptabel. Und die Autobranche verortet das E-Bike nicht mehr unter Accessoires wie früher, sondern geht das Thema strategisch an – das ist eine Gefahr für die Radbranche. Die hat zwar tolle Produkte, darf sich darauf aber nicht ausruhen. Sonst macht sie den Fehler deutscher Autobauer: Die haben Tesla unterschätzt, und im September 2022 war deren Modell Y das meistverkaufte Auto Europas.“
„Kooperationen zwischen Auto- und Radhersteller gibt es seit zwei Jahrzehnten. Der Ursprung des Zusammenschlusses von Porsche und Fazua kam beispielsweise über das Storck-Porsche-Projekt ,Cyklærʻ zustande. Aus meiner Sicht ist es schlüssig, dass die Autobranche das E-Bike für sich entdeckt, da es sich zum wichtigsten Fortbewegungsmittel der Mobilität und insbesondere Mikromobilität entwickelt. Ich gehe davon aus, dass die Entwicklungen nur der Anfang sind, denn aktuell entstehen immer intensivere Strukturen und Partnerschaften. Experten der Fahrradbranche spielen bei der Kooperation eine entscheidende Rolle.“
„Die Sache läuft so herum: Die Automobilriesen benötigen das Spezialwissen der Bike-Hersteller. Denn die Entwicklung von E-Motoren und Akkus ist keine Raketenwissenschaft. Und die am Markt bereits etablierten E-Motoren-Hersteller machen ihren Job derart gut, dass es tiefes Spezialwissen aus der Bike-Branche benötigt, um hier noch Vorteile herauszuarbeiten. Was den Service anbelangt, habe ich auch meine Zweifel. Wie sollen Autoverkäufer ohne Expertise und Herzblut hochwertige Bikes verkaufen? Meine Prognose: Auch zukünftig werden innovative Bike-Firmen den Markt bestimmen.“
„Ich sehe mehr Chancen als Gefahren, denn die Radbranche kann einiges lernen. Zum Beispiel in Sachen Digitalisierung (Stichwort ,vernetztes Fahrradʻ) und beim Lieferketten-Management. Hier ist ein IT-technischer Ansatz notwendig, der die Lieferanten weltweit vernetzt. Überhaupt gilt der elektronische Datenaustausch (EDI) als Treiber neuer Geschäftsmodelle – die Radbranche ist hier noch am Anfang, weshalb zum Beispiel die Lieferzeiten zu lang sind. Lernen kann die Radbranche auch vom Plattformaufbau der Autohersteller. Durch eine Reduktion der ausufernden Modellvielfalt auf das Wesentliche spart man Zeit und Kosten.“
„Das Fahrrad spielt in heutigen Mobilitätskonzepten eine zentrale Rolle, und die großen Autokonzerne müssen sich zu Mobilitätsanbietern entwickeln. Deswegen wundert es nicht, dass deren Interesse an der Fahrradbranche groß ist. Ich glaube aber, dass das dem Thema Fahrrad eher guttut. Denn Radfahren hat viel mit Infrastruktur zu tun. Und da kann die Automobilbranche einiges bewegen, insbesondere, wenn man das global betrachtet. Was den Wettbewerb mit neuen Playern angeht, fühlen wir uns mit unserer Technikkompetenz und Zielgruppenkenntnis sehr gut aufgestellt, um im Markt auch zukünftig eine tragende Rolle zu spielen.“