Stefan Frey
· 23.12.2022
Der taiwanesische Schaltungshersteller hat mit der Sunrace MZ 12-Speed seine erste Zwölffach-MTB-Schaltung auf den Markt gebracht. Ob die preiswerte Schaltgruppe mit den Großen am Markt mithalten kann, zeigt unser erster Test.
Alternativen auf dem Mountainbike-Schaltungsmarkt sind so selten wie kalifornische Schweinswale, und so richtig hat noch kein Hersteller die Vorherrschaft von Shimano und Sram bei MTB-Schaltungen ins Wanken bringen können. Könnte Sunrace so ein Kandidat sein? Seit gesprengte Lieferketten den Nachschub an Komponenten ins Stocken brachten, sieht man zumindest die preiswerten Kassetten der Taiwanesen immer häufiger in freier Wildbahn. Jetzt hat Sunrace sein Sortiment erweitert und liefert mit der MZ 12-Speed einen kompletten Zwölffach-Antrieb für Bikes samt passender Kurbel.
Weil sich die Sunrace MTB-Schaltgruppe mit 1922 Gramm auf ähnlichem Niveau wie die Shimano SLX und die Sram NX Eagle bewegt, liegt ein Vergleich mit den beiden Einsteiger-Gruppen nahe. Wobei vor allem die Kurbel der Suncrace MZ 12-Speed mit 722 Gramm einen großen Teil zum Gesamtgewicht beiträgt und deutlich über den Modellen der Konkurrenz liegt.
Das Schaltwerk verfügt, ähnlich wie die Konkurrenz, über einen zuschaltbaren Reibungsdämpfer. Eine Anzeige an der Rückseite des Schaltwerkskäfigs hilft beim Setup. Je nach Größe des letzten Zahnkranzes lässt sich so die Umschlingung recht einfach einstellen.
Für einen besseren Vergleich mit den konkurrierenden MTB-Schaltungen von Shimano und Sram haben wir sowohl die Preise als auch die Gewichte von Shimano SLX und Sram NX Eagle recherchiert. Mit diesen beiden Schaltgruppen muss sich der Sunrace-Antrieb mit 12 Gängen messen lassen. Aktuell ist vor allem die Shimano SLX im Nachrüst-Kit als absolutes Schnäppchen zu haben. Da können die anderen Schaltungen nur schwer mithalten. Für Sunrace und Sram spricht allerdings die Kompatibilität mit Shimanos HG-Freilauf.
Die Kassette wiegt mit ihren 11–51 Zähnen 505 Gramm und wird auf einem Shimano-HG-Freilauf montiert, was vor allem für Elffach-Umsteiger interessant sein dürfte. Die können nämlich den bestehenden Laufradsatz einfach weiterfahren, ohne auf einen neuen Freilauf-Standard umrüsten zu müssen. Neben der schwarzen von uns getesteten Version gibt es auch noch eine silberne Variante. Die fünf kleinsten Ritzel werden – ähnlich wie bei Shimano – einzeln auf den Freilauf gesteckt und können so im Verschleißfall ausgetauscht werden.
Die Schaltlogik am etwas billig wirkenden Hebel der Sunrace MZ 12-Speed ähnelt dem von Shimano-Schaltungen: Hoch wandert die Kette maximal drei Gänge auf Daumendruck. Runter geht’s per Zug mit dem Zeigefinger oder Druck mit dem Daumen am weit hinten gelegenen und recht schmal geratenen Hebel. Optisch erinnert der Hebel etwas an die Ohren von Goofy und er fühlt sich auch nicht besonders ergonomisch an. Der kleine, rundliche Hebel steht extrem nah an der Griffklemme und ist mit dem Daumen nur schwer zu erreichen, sein Druckpunkt ist zudem recht undefiniert. Hier bieten Sram und Shimano ein deutlich ergonomischeres und präziseres Schaltgefühl.
Um den Zug zu wechseln, schaltet man, wie bei der Konkurrenz, in den schwersten Gang. Anschließend öffnet man den Hebel über einen kleinen Stöpsel, den man beim Schrauben sorgfältig verwahren sollte. Ansonsten geht das winzige Teil schnell verloren und der Schalthebel lässt sich nicht mehr schließen.
Die aus Alu geschmiedete Kurbel wirkt etwas altbacken und erinnert optisch an ältere Truvativ-Modelle. Auch beim Gewicht kann sie nicht mit den Kurbeln von Shimano und Sram mithalten. Wobei hier besonders die SLX-Kurbel mit einem Gewichtsvorteil von satten 72 Gramm punktet. Obendrein ist die Kurbel der Sunrace MZ 12-Speed nur mit 30 oder 32 Zähnen und nur in 175 mm Länge erhältlich.
Abgesehen von einer leicht verzögerten Schaltreaktion und dem wenig definierten Schaltgefühl an den kleinen Hebeln, klettert die Kette erstaunlich flüssig über die Ritzel, auch unter Last. Lediglich aufs größte Ritzel lässt sich die Kette etwas bitten, hier endet die Begrenzung des Schaltanschlags zu früh. Die Schalthilfen an der Sunrace-Kassette scheinen allerdings recht zuverlässig zu funktionieren. Im schwersten Gang fehlt der Sunrace im Vergleich zu Shimano zwar ein Zahn. Das lässt sich in der Praxis allerdings verschmerzen. Die NX-Eagle-Kassette bietet nach oben raus lediglich 50 statt 51 Zähne.
Bei der Einstellung scheint die Sunrace MZ 12-Speed etwas weniger sensibel zu sein, als andere Zwölffach-Antriebe. Eine ruckelfreier Lauf war im Test schnell gefunden. Die Anzeige für die Umschlingung am Schaltwerk ist obendrein ein simples aber effektives Feature für die Abstimmung. Auch nach mehreren Testfahrten wurden wir mit der Position und Bedienung des hinteren Schalthebels nicht richtig warm.
Ob sich die Sunrace-Schaltung als Alternative zu den Marktführern etabliert, dürfte auch am Preis liegen. Ein Upgrade-Kit (ohne Kurbel) der bewährten SLX bekommt man aktuell bereits ab 177,50 Euro. Die NX von Sram wandert ab zirka 247,50 Euro über die Ladentheke. Sofern die Sunrace MZ 12-Speed nicht bereits bei ihrer Einführung mit ordentlichen Rabatten angeboten wird, dürfte es die Schaltung aus Taiwan schwer haben. Gerade der Schalthebel ist ein Manko, über das man nicht einfach so hinwegsehen kann. Ist er doch maßgeblich für die Schaltperformance mitverantwortlich. Einzelne Teile wie die leichte Kassette oder das ordentlich funktionierende Schaltwerk könnten es aber durchaus als Nachrüstteil an das ein oder andere Bike schaffen. Über den Einstiegssektor hinaus dürfte man die MZ 12-Speed dennoch wohl erst mal nicht sehen.