Die letzten Winter waren lang und nasskalt. Wieso auch dann noch Fahrrad fahren? Unter vielen Gründen der wichtigste: weil es Spaß machen kann, wenn man es richtig angeht. Natürlich sparen Sie auch Geld, wenn Sie das Auto stehen oder die U-Bahn links liegen lassen, und bei Winterstaus auch Zeit. Und Sie leben garantiert gesünder: Schon zwei mal fünf Kilometer Arbeitsstrecke pro Tag oder eine kleine sportliche Runde jeden dritten Tag stärken die Immunabwehr garantiert besser als jedes Promi-empfohlene Wellness-Joghurt.
Doch wer sich und sein Bike fürs schlechte Wetter gut rüstet, der wird sowieso bald lieber mit dem Bike als mit Auto oder ÖPNV unterwegs sein. Dafür spricht morgens das gute Gefühl, an der kalten Luft richtig wach zu werden, und abends das Wissen, sich trotz Kälte bewegt zu haben und sich fit zu fühlen – auch wenn es draußen wieder mal trüb ist. Und gelassen an von Schnee gestoppten Blechkarawanen vorbeizuziehen hat auch etwas …
Eine einfache, aber äußerst sinnvolle Einrichtung für Winterfahrer: das Außenthermometer am Fenster der guten Stube. Man muss es aber interpretieren können, denn kritisch wird’s nicht erst ab null Grad: Zeigt das Thermometer vor dem Fenster etwa vier Grad Celsius Außentemperatur, kann es an manchen Stellen auf dem Arbeitsweg schon glatt sein – etwa auf Brücken. Darauf gilt es sich einzustellen. Aber nicht nur mental müssen wir uns auf die Temperaturen, mehr Nässe von oben und unten und auf langsameres Fahren einstellen, auch unser E-Bike oder Fahrrad sollte an Veränderungen angepasst sein.
Ganz wichtig: Winterräder brauchen Schutzbleche. Ohne bringt schon Nieselregen auf kurzen Strecken einen nassen Po und Rücken, nasse Füße und Beine. Beide Radschützer sollten bis deutlich unter die Höhe der Radachsen reichen, damit Sie von unten weitgehend trocken bleiben. Wer einen verstellbaren Vorbau am Rad hat, kann ihn für die Wintermonate etwas höher stellen: Eine entspannte Sitzposition trägt zum gelassenen Fahrstil und besserer Radbeherrschung in kniffligen Situationen bei.
Wer sich bei schlechtem Wetter oder rutschigen Straßen unsicher fühlt, kann auch den Sattel etwas senken, sodass er oder sie schneller festen Boden unter den Füßen hat und schnell nicht nur mit der Fußspitze, sondern mit der ganzen Fußsohle Halt findet. Apropos Füße: Leichte Wanderschuhe oder Radschuhe mit griffigen Sohlen sind für die kalten Tage sinnvoll – schließlich will man auf dem Boden wie dem Pedal guten Grip haben. Dem Thema Reifen haben wir in diesem Beitrag einen eigenen Abschnitt gewidmet.
Die klassischen Plattform-Pedale sind bequem und meist auch bei Regen ausreichend rutschsicher. Schnee oder Matsch unter den Schuhen kann die Kunststoff- oder Gummioberfläche aber zur Rutschbahn machen. Hier helfen Bärentatzen-Pedale oder Plattform-Pedale mit Pins (ähnlich den Spikes im Reifen). Absolut “unrutschbar” sind Systempedale: Sie funktionieren wie Skibindungen. Das Gegenstück zur “Bindung” an den Pedalen ist der Cleat in der Sohle des dafür präparierten Fahrradschuhs. Mit einem Klick steigt man in das Pedal ein, mit einem Dreh der Ferse zur Seite ist man wieder befreit. Garantiert.
Allerdings sollte man diese Pedalart nur nutzen, wenn man sich vor dem Winter bereits daran gewöhnt hat – zum Beispiel als MTBler, der ohnehin diese Klickpedale nutzt. Ohne Eingewöhnungszeit ist die Umstellung tricky, man läuft Gefahr, in brenzligen Situationen zu vergessen, dass man den Fuß drehen muss, um vom Pedal zu kommen. Und natürlich braucht man wie beim Skifahren auch spezielle Schuhe dafür. Mittlerweile gibt es aber eine riesige Auswahl an Modellen, die auch wie Alltagsschuhe aussehen. Als gute Lösung haben sich Systempedale und Schuhe mit dem Shimano-SPD-System erwiesen, die sehr einfach zu nutzen sind.
Bei schwierigem Wetter und schlechter Sicht zählt zunächst eines: vorausschauender fahren als üblich! Ragt da vorne ein Laubhaufen auf den ohnehin schmutzigen Radweg? Lieber mal die Geschwindigkeit zurücknehmen. Liegt in meiner nächsten Abzweigung Matsch in der Kurve? Frühzeitig bremsen, denn auf dem matschigen Abschnitt kann das sehr glatt werden. Fährt ein Fahrzeug vor Ihnen, halten Sie einen deutlich größeren Abstand ein als bei trockenem Sommerwetter – man nimmt es später wahr, wenn gebremst wird, und kann auf rutschigem Terrain nur schlecht verzögern.
Apropos Dämmerung: Natürlich ist gutes Licht im Winter absolut Trumpf. E-Bikes haben ohnehin fast immer Bike-Akkubetriebenes Licht an Bord, aber auch für den Nabendynamo gibt es heute dank LED-Beleuchtung Frontstrahler, die den Weg ausleuchten wie ein guter Autoscheinwerfer. Wer möglichst einfach nachrüsten will, findet auch Stecklichter mit eingebautem Akku, per USB-Anschluss zu laden sowie mit hohem Sicherheitsfaktor. Das Wichtigste dabei ist nicht die absolute Lux- oder Lumen-Zahl der Leuchten, sondern die Homogenität und Breite des Lichtkegels.
Das Rücklicht hat sich auch gewandelt: Mittlerweile werden beim fest montierten wie beim Steckrücklicht Modelle mit – seit einiger Zeit erlaubtem – Bremslicht angeboten. In der dunklen Jahreszeit ein absolutes Sicherheitsplus! Wichtig: Kontrollieren Sie bei Stecklichtern unbedingt, ob das Licht in seiner jeweiligen Position am Rad auch gut von der Seite sichtbar ist. Wer etwa sein Rücklicht an der linken Hinterbaustrebe auf Reifenhöhe befestigt, kann nicht erwarten, dass das Licht auch von rechts gesehen wird. In der Dämmerung muss man damit rechnen, unbeleuchtete Fahrzeuge erst spät wahrzunehmen und selbst erst spät gesehen zu werden.
Mehrere Hersteller bieten für den Winter Reifen mit Spikes an, also kleinen Metallköpfen in der Lauffläche. Bis zu 402 dieser Grip-Garantien sorgen dann auf Asphalt für ein Reifen-Surren, vor dem sich selbst dick bestollte MTBs verstecken müssen. Wer in einer Region mit viel Schnee und Eis lebt und das ganze Jahr über Rad fahren will, der ist mit diesen Reifen gut bedient: Wenn selbst Autos auf Glatteis nicht mehr weiterkommen, rollt man locker und sicher an ihnen vorbei. Tatsächlich ein Erlebnis, das man sich einmal gönnen sollte. Mit die größten Probleme bei echtem Winterwetter sind überfrierender Regen, Neuschnee und festgefahrene, verharschte Schneedecken – und da bringen uns Spikes weiter.
Nachteile: Diese Reifen sind schwerer als normale Pneus. Heißt: Stop and Go und Beschleunigen ist etwas anstrengender, und auch wenn man mal die Reisegeschwindigkeit erreicht hat, ist es wegen des höheren Rollwiderstands der Lauffläche etwas schwerer, dranzubleiben. Es bleibt abzuwägen: Ist mein Radel-Gebiet so winterlastig, dass es sich lohnt, im Dezember Pneus mit diesen Stacheln aufzuziehen, oder ärgere ich mich wahrscheinlich Ende März nächsten Jahres, weil ich vier Monate mit mehr Power pedalieren musste, ohne dass die Reifen jemals ihr Winter-Können zeigen konnten?
Übrigens: Wer diese Entscheidung für ein E-Bike fällt, kann die zusätzlich benötigte Kraft weitgehend außer Acht lassen: Der Motor nimmt ihm oder ihr die Mehrleistung ab – vielleicht gegen eine kleine Einbuße an Reichweite … Achtung: Spike-Reifen fallen meist breiter aus. Auch hier auf die Durchläufe in Hinterbau und Gabel achten!
Die Kontaktstelle zur Straße ist im Herbst und Winter noch wichtiger als sonst. Grundsätzlich ist für den Grip auf Asphalt zwar die Gummimischung ausschlaggebend, weshalb auch profillose Reifen bei Nässe genauso viel Halt bieten können wie grob profilierte. Doch der Schlick macht den Unterschied: Schmutz, Blätter und Matsch auf der Straße schaffen erschwerte Bedingungen, und da sind etwas profilierte Reifen im Vorteil. Auch mehr Auflagenbreite des Pneus sorgt für höhere (Rutsch-)Sicherheit. Wer viel fährt, für den lohnt es sich, einen gröberen und wenn möglich etwas breiteren Reifen für den Winter montieren zu lassen.
Aber Achtung: Passt der Wunschreifen auch in Gabel und Hinterbau sowie unter die Schutzbleche? Im Zweifelsfall den Händler checken lassen! Alternative: Im Winter mit etwas weniger Luftdruck fahren. Auch das vergrößert die Aufstandsfläche der Reifen, sie haben mehr Kontakt zur Straße und daher mehr Grip. Aber auch hier gibt es etwas zu beachten: Wer nicht mit Schlauchlos-Reifen fährt, riskiert bei zu geringem Reifendruck Durchschläge, die den Schlauch aufschlitzen können (Snakebite). Der richtige Druck ist abhängig vom Fahrergewicht und der Reifengröße. An den Reifenflanken sind minimaler und maximaler Druck aufgeprägt. Und auch hier weiß der Händler am besten, wie man im speziellen Fall auf Nummer sicher geht.
Kopfsteinpflaster ist ohnehin nicht Radlers Liebling. Bei Regen oder Matsch potenziert sich die Abneigung nochmals, dann ist der holprige Untergrund besonders schlecht zu beherrschen. Das gilt nicht nur fürs Bremsen, sondern auch für Richtungswechsel und Schräglage – die sollte hier wesentlich geringer sein als gewohnt. Dasselbe gilt für das Queren von Straßenbahnschienen. Je schmaler der Reifen, auf dem Sie unterwegs sind, desto eher rutscht er auf dem glatten Metall weg oder verfängt sich in der Schiene. Kreuzen Sie Schienen grundsätzlich im möglichst rechten Winkel, damit das Vorderrad nicht einfädeln kann. Grundsätzlich gilt im Winter: defensiver fahren als üblich!
Ganz klarer Fall: In der weißen Pracht geht mit profillosen Reifen dann doch gar nix mehr. Je grober das Profil, desto besser kommt man auch im Schnee zurecht. Dabei gilt natürlich: langsamer fahren, vor allem Kurven sehr ruhig angehen. Schräglage war gestern, auf Schnee führt sie schnell zum Abgang. MTB-Bereifung oder die kleinen Gravel-Stollen haben hier große Vorteile gegenüber klassischen Tourenreifen. So oder so: Vermeiden Sie abrupte Lenkbewegungen! Das Fahrrad schiebt sonst zunächst erst einmal in der bisherigen Richtung weiter, das Vorderrad wird aber dann irgendwann plötzlich wegrutschen. Auf Schnee lohnt sich das bereits angesprochene Tieferstellen des Sattels auf jeden Fall, da die Füße im Bedarfsfall schnell auf dem Boden sind.
Wenn man sich an die besondere Fahrweise erst einmal gewöhnt hat, kann man durchaus richtig Spaß haben und auf gering befahrenen Straßen auch mal die Sau rauslassen. Etwa durch gezieltes Bremsen des Hinterrads das Bike per “Powerslide” in die eine oder andere Richtung lenken. Nicht groß ist der Schritt vom Schnee zum Eis: Vor allem auf kleinen Straßen in Wohnvierteln, in denen sich Schneeräumfahrzeuge selten sehen lassen, wird’s brenzlig: Autos fahren den Schnee fest. So entstehen sehr harte, verharschte Oberflächen und schließlich Eis; erschwerend kommt hinzu, dass dabei tiefe, oft schmale Fahrspuren entstehen, die dem Biker zu wenig Möglichkeit zum Ausbalancieren geben.
Bei vorübergehendem Tauwetter, etwa wenn die Sonne nachmittags scheint, entstehen zusätzlich Eisplatten. Hier hilft dann nur noch schieben – außer Sie fahren mit einem Spike-Reifen. Grundsätzlich sind natürlich von Schnee geräumte Straßen den ungeräumten vorzuziehen, wenn man nicht perfekt für den weißen Traum ausgestattet ist. Letztere verwandeln sich außerdem bei Temperaturen knapp über null oder bei Salznutzung schnell in Matschautobahnen und überholende Autos in furchtbare Dreckschleudern – dies ist ein Grund mehr für robuste, wasserdichte Kleidung im Winter!
Wenn Sie einige Punkte beachten, spricht nichts dagegen, auch im Winter unterstützt unterwegs zu sein.
Das leidige Thema “Fahrradwege im Winter”: Selten sind sie frei von Laub, das manchmal auch noch gefährliche Schlaglöcher und querende Wurzelhügel überdeckt. Schnee? Fahrradwege werden oft gar nicht oder erst sehr viel später als Straßen geräumt. Das heißt, sie sind oft nicht oder nur schlecht und mit Sturzgefahr befahrbar. In diesem Fall dürfen Sie mit dem Rad auch auf die geräumte Straße ausweichen. Ob das ein Gewinn ist, gerade an viel befahrenen Straßen, muss man selbst abschätzen. Gerade bei schlechter Witterung und dämmerigem Licht ist es auch ziemlich gefährlich.
Zudem haben Autofahrer oft kein Verständnis für einen Radfahrer, der ihnen an einem Wintertag “ihren” Platz auf der Straße streitig macht, wenn möglicherweise sogar Schneehaufen weit in die Fahrbahn ragen. Dass der Fahrradweg kaum passierbar ist, dürften die meisten Autofahrer gar nicht wahrnehmen. Auch wenn als Überholabstand 1,50 Meter innerorts vorgeschrieben sind: Man kann leider erwarten, dass sich viele nicht daran halten und es zu knappen Überholmanövern kommt. Wichtig immer: eine selbstbewusste, aber defensive Fahrweise. Drängen Sie sich nicht selbst an den Fahrbahnrand, dort ist es durch teilweise wieder festgefrorenen, zur Seite geschobenen Schnee etc. gefährlich für einspurige Fahrzeuge.
Vor allem gut dosierbar muss sie sein, die Bremse, die auf glattem Untergrund maximale Sicherheit bieten soll. Das erfüllt heute am besten die hydraulisch betätigte Scheibenbremse, wie sie an nahezu jedem E-Bike und den meisten aktuellen Fahrrädern ohnehin montiert ist. Ihre Vorteile: Im Gegensatz zur Felgenbremse gleich welcher Art liefert sie auch bei Nässe kräftige, fein dosierbare Verzögerung und lässt sich kaum von Matsch und Regen beeindrucken.
Die Felgenbremse ist dagegen bei Nässe oft sehr wankelmütig. Hinzu kommt, dass – bei mechanischer Betätigung – der Bowdenzug vor allem in den kalten Monaten schnell Rost ansetzt, was ihn schwergängiger und empfindlicher macht. Das Optimum ist im Winter die Scheibenbremse mit Anti-Blockiersystem (ABS), wie sie derzeit leider nur von wenigen Herstellern verbaut wird. Damit bremst man auch auf rutschiger Fahrbahn ohne Blockieren des Reifens – was ohne ABS viel und ein sehr gut dosierbares Bremssystem erfordert.
Apropos Bremsen: Das sollte jetzt möglichst sanfter passieren – und daher auch frühzeitiger – als auf trockener Fahrbahn. Und zwar bei rutschigem Untergrund vor allem mit der Hinterbremse. Denn blockiert das Bike vorne, kann es sehr schnell zum Wegrutschen des Rads kommen. Eine blockiertes Hinterrad (standardmäßig der Bremsgriff rechts am Lenker) ist dagegen einfacher zu beherrschen. Bemerkt man, dass das Hinterrad stoppt, den Bremshebel sofort loslassen und dann nochmals, möglichst weicher dosiert, verzögern. Auch eine Stotterbremse, also mehrmaliges Bremseziehen und Wiederloslassen ist hilfreich. Das ist auch Konzept des ABS – nichts anderes macht das Antiblockiersystem im Auto oder in einigen neueren E-Bikes. Hier erkennt ein Sensor, wenn das Rad blockiert, öffnet kurz das Bremssystem, beißt dann nochmals zu – und das Ganze wiederholt sich, solange wir den Bremshebel ziehen.
Gerade für Pendler empfiehlt es sich, im Winter ganz besonders auf die Pflege der Komponenten zu achten: