Adrian Kaether
· 06.05.2021
Trotz kleiner Akkus kommen Light-E-Bikes auf erstaunliche Reichhöhen. Doch für wen macht so ein Minimal-Assist-Bike überhaupt Sinn? Wir haben nachgefragt.
Kleiner Akku, kleine Reichhöhe. Oder? Unter Minimal-Assist-Bikes sucht man selbst Akkus von 500 Wattstunden vergeblich. Als Test-Redakteur Christian Schleker mit drei Minimal Assist E-Bikes trotz kleiner Batterien die größte Reichhöhe aller Testbikes der aktuellen Ausgabe einfuhr, staunten wir deswegen nicht schlecht.
Das Orbea Rise, Specialized Levo SL und Rotwild R.X 375 hatten wir zum Vergleichstest angefordert. Die technische Speerspitze der neuen Minimal-Assist-Kategorie bei E-Mountainbikes sollte sich aber nicht nur im Test gegeneinander beweisen, sondern auch eine noch wichtigere Frage klären: Geht das Versprechen der Light-E-Bikes wirklich auf? Bieten sie E-Mountainbikern ein leichtfüßiges Handling ohne schwerwiegende Einbußen bei der Reichhöhe?
Von Anfang an war klar: Der Fahrer und die Motorleistung spielen eine ganz entscheidende Rolle. Schwere E-Mountainbiker, die gerne mit minimalem, eigenem Einsatz steile Rampen hinaufschießen, sind nicht die Zielgruppe der leichten Trailflitzer. Wer selbst sportlich tritt und nicht zu schwer ist, kratzt aber auch mit einem kleinen Akku an den 2000 Höhenmetern.
Vor allem die geringere Leistung der Minimal-Assist-Antriebe in unserem Test und damit die gesteigerte Effizienz sind der Grund für die unerwartet gute Reichhöhe. Piloten des Levo SL (35 Nm, bis zu 240 Watt) dürfen dafür ruhig auf Vollgas schalten. Wer dagegen Bikes wie das Rotwild R.X 375 mit Shimanos normalen EP8-Antrieb (85 Nm, bis zu 500 Watt) auf volle Leistung konfiguriert und nur die Beine fallen lässt, kommt weit früher zum Stehen.
Entscheidend für den Erfolg der Minimal-Assist-Konzepte ist also die Frage: Sind E-Mountainbiker überhaupt bereit, auf die maximale Unterstützung gängiger Antriebskonzepte zu verzichten? Eine Online-Umfrage sollte Klarheit bringen. Und wieder ergab sich ein überraschendes Ergebnis. 19 Prozent von über 500 Lesern, die an der Umfrage teilgenommen haben, könnten ersatzlos auf den Turbo an ihrem E-Bike verzichten. 46 Prozent geben immerhin an, auf den Turbo verzichten zu können, wenn das E-MTB dafür an anderer Stelle deutlich besser wird. Zum Beispiel beim Thema Handling und Gewicht. Gerade einmal ein gutes Drittel der Leser (34 Prozent) nutzt den Turbo-Modus „regelmäßig und gerne“.
Dass Leistung nicht alles ist, zeigt sich auch bei den weiteren Umfrageparametern. So ist zum Beispiel der mittlere Unterstützungsmodus – wenig überraschend – der am meisten genutzte (46 Prozent). Ganze 41 Prozent der Leser nutzen ihr E-MTB aber sogar vorwiegend im Eco-Modus. Dass nur 11 Prozent der Leser angeben, bei zukünftigen Generationen von E-MTBs auf mehr Leistung zu hoffen, überrascht daher kaum. Deutlich beliebter sind Leichtbau und Effizienz mit einer Zustimmung von immerhin 22 Prozent. Klassische Antriebskonzepte sind aber dennoch mit weitem Abstand am beliebtesten (68 Prozent).
Vollständig ablösen werden Minimal-Assist-Bikes klassische E-MTBs unserer Umfrage nach also wohl kaum. Doch Minimal-Assist-Bikes sind auch mehr als nur ein Nischenprodukt für Handling-Freaks. Immerhin 20-30 Prozent der Umfrageteilnehmer, so unsere Schätzung, könnten in ihrem Touren-Alltag tatsächlich auf spaßige Minimal-Assist-Bikes setzen, ohne sich anderweitig groß einzuschränken.
Das bestätigt auch die Frage nach dem Nutzverhalten der Akkus, bei der zehn Prozent der Leser angeben, den Akku nie leer zu fahren, während 72 Prozent nur auf besonderen Touren oder im Urlaub an die Kapazitätsgrenzen ihrer Energiespeicher stoßen. Modulare Lösungen wie bei Specializeds Levo SL oder dem Orbea Rise mit Range Extender oder kleine Wechselakkus wie beim Rotwild R.X 375 könnten bei solchen Touren Abhilfe schaffen.
Ob Minimal-Assist-Bikes in Zukunft einen nennenswerten Marktanteil ergattern können, wird aber nicht zuletzt der Preis entscheiden. Wir jedenfalls sind gespannt, wie sich die neue E-MTB-Kategorie weiter entwickelt.
Übrigens: Mit dem Trek E-Caliber diversifiziert sich auch die Minimal-Assist-Kategorie schon wieder weiter. Wie sich das neue Race-Fully mit Fazua-Antrieb im Test schlägt oder ob Trail-Bikes mit kleinem Motor doch die bessere Wahl sind, lesen Sie in EMTB 2/21 – jetzt im Handel.