Peter Nilges
· 13.04.2023
4799 Euro! Mit dem Silverton SL konstruiert Syncros einen einzigartigen aber unverschämt teuren MTB-Laufradsatz. Felgen, Nabengehäuse und sogar Speichen werden einteilig aus Carbon laminiert. Was bringt der ganze Aufwand? Und ist die fast halb so teure Stahlspeichenkonkurrenz aus dem eigenen Haus vielleicht doch das bessere Laufrad fürs Mountainbike?
Wenn es um entscheidende Sekunden bei Cross Country- und Marathon-Rennen geht, führt kein Weg an Laufrädern mit Carbon-Felgen vorbei. Und selbst für den Einsatz in rauem Gelände sind gut konstruierte Carbon-Laufräder den meisten Alu-Pendants überlegen, was nicht zuletzt unsere Tests in BIKE 7/20 bewiesen haben. Im Downhill- und Enduro-Einsatz greifen viele Profis dennoch zu Aluminium. Die Gründe dafür sind bessere Notlaufeigenschaften im Falle einer wirklich extremen Überlast und die geringere, fehlerverzeihende Steifigkeit.
Für den zahlenden Kunden spielt selbstverständlich auch der Preis eine entscheidende Rolle. Weil die Fertigung von Carbon-Felgen viel Knowhow und Handarbeit erfordert, sind die Preise für die Highend-Teile dementsprechend hoch. So starten die günstigsten Carbon-Laufräder bei rund 1200 Euro. Nach oben hin gibt es beim Tuning-Teil Nummer Eins allerdings kaum Grenzen. Unglaubliche 4799 Euro kosten die Silverton-SL-Laufräder von Syncros, bei denen Felgen, Speichen und Nabengehäuse aus einem einteiligen Carbon-Verbund gefertigt werden. Um zu überprüfen, was diese absoluten Highend-Räder leisten, haben wir sie gegen das konventionell mit Stahlspeichen aufgebaute Silverton-1.0-s-Laufrad für 2599 Euro, ebenfalls mit Carbon-Felge, getestet.
Aufbau: Carbon-Felgen mit geschlossenem Felgenboden und jeweils 20 einfach gekreuzten Carbon-Speichen. Carbon-Nabengehäuse mit Alu-Hülse und DT-Swiss-240s-Innereien.
Besonderheiten: Die Carbon-Felgen besitzen keine Speichenlöcher und sind somit ohne Felgenband tubeless-tauglich. Nabengehäuse, Felge und Speichen werden einteilig laminiert und sind untrennbar miteinander verbunden. Es kann sich keine Speiche lockern, wodurch das Speichengerüst Service-frei bleibt. Im Falle eines Defekts können Einzelteile allerdings auch nicht getauscht werden.
Aufbau: Carbon-Felgen mit jeweils 28 DT-Swiss-Aerolite-Stahl-Messerspeichen, dreifach gekreuzt mit DT-Swiss-240s-Naben
Besonderheiten: Die Syncros Silverton 1.0 s kommen ebenfalls mit Carbon-Felgen, die über die gleichen Maße verfügen, wie die in der sündteuren SL-Variante. Der Carbon-Aufbau der Felgen unterscheidet sich jedoch durch die klassische Einspeichung. Alle Einzelteile können bei einem Defekt getauscht werden.
Der Einsatz von Carbon ist dort sinnvoll, wo Stabilität und geringes Gewicht zählen. Da beide Laufradsätze über eine augenscheinlich identische Carbon-Felge verfügen, gingen wir auf die Suche nach spürbaren Unterschieden.
Völlig blank, also ohne Reifen, Bremsscheiben und Kassette liegen die Testlaufräder auf unserem penibelsten Messinstrument im Testlabor. Der „Laufradpendler“ wurde ursprünglich für die Optimierung von Golfschlägern entwickelt, leistet für unsere bike-spezifischen Anforderungen aber mindestens ebenso hilfreiche wie verlässliche Dienste. So lässt sich die tatsächliche Trägheit des darauf fixierten Gegenstandes binnen Sekunden entschlüsseln. Einmal auslenken und tick, tick, tick, drei Pendelbewegungen später steht fest, wie leicht sich das Laufrad beschleunigen lässt. Neben dem Gewicht spielt bei der rotatorischen Beschleunigung eines Laufrads vor allem die Verteilung der Masse eine große Rolle. Je weiter diese vom Drehpunkt, also der Nabe, entfernt ist, desto mehr Energie ist nötig, um das Laufrad in Schwung zu setzen. Carbon-Felgen beeinflussen die Trägheit daher nicht nur aufgrund ihres niedrigen Gewichts positiv, sondern vor allem auch durch die weit von der Nabe entfernte Lage im Laufrad.
Unser Laufradpendler reagiert bereits auf die geringe Masse eines Felgenbandes, das ebenfalls weit außen sitzt. Subjektive Fahreindrücke lassen sich so perfekt mit Zahlen untermauern und objektivieren. Ein Grund, warum wir dieses Messinstrument auch bei allen Komplettbike-Tests, dann aber mitsamt Reifen, Kassette und Bremsscheiben, einsetzen.
In unserem Highend-Duell zeigt der Pendler für den Silverton-SL-Laufradsatz 753 kg x cm², für das konventionell eingespeichte Pendant 807 kg x cm² an. Nur 7,2 Prozent Unterschied, obwohl der SL-Satz immerhin 81 Gramm leichter ist. Weil beide Laufradsätze allerdings mit einer gleich dimensionierten Carbon-Felge ausgestattet sind, hat die Gewichtsersparnis durch die Carbon-Speichen nur einen geringen Einfluss. Komplett, also mit den 2,4er-Maxxis-Recon-Race-Reifen, mit Bremsscheiben und Kassette zeigt unser Messinstrument 3072 kg x cm² für den SL-Laufradsatz an. Die Laufräder selbst tragen also gerade mal ein Viertel zur Gesamtbeschleunigung bei. Der Löwenanteil entfällt auf die Reifen, die mit ihrem vergleichsweise hohen Gewicht auch noch maximal weit außen sitzen. In der Praxis, könnte man also vermuten, sollte keinerlei Unterschied zu spüren sein. Doch der subjektive Fahreindruck fällt bei allen Testern zugunsten der teuren, minimal schnelleren SL-Laufräder aus. Durch die Kombination aus der geringeren Trägheit und der deutlich höheren Steifigkeit bescheinigten alle Tester dem SL-Satz den spritzigeren, direkten Antritt.
Das Gewicht der Reifen wirkt sich auf die Trägheit und das Handling eines Bikes viel stärker aus als der Laufradsatz. Nur wer wirklich alle Register ziehen will, sollte auch in leichte Laufräder investieren.
Wären wir beim Mountainbiken ausschließlich auf glattem Asphalt unterwegs, wäre eine extrem hohe Steifigkeit sicherlich von Vorteil. In der Realität holpern wir aber über Wurzeln, Steine und sonstige Hindernisse, die Schläge an den Fahrer weiterreichen. Das führt auf Dauer zu Ermüdung, weshalb sich eine geringere Steifigkeit auch mit mehr Komfort bemerkbar macht.
Eine hohe Laufradsteifigkeit verbessert die Lenkpräzision und sorgt für einen knackigen Antritt. Wäre da nicht die Sache mit dem Komfort. Steifer muss nicht zwangsläufig besser bedeuten.
Bei der Messung greift eine seitliche Last an der Felge an und lenkt diese durch den Einsatz eines Zehn-Kilo-Gewichts aus. Vorder- und Hinterrad werden separat voneinander gemessen und in beide Richtungen nach rechts und links belastet. Die Messung gibt Aufschluss über die Lenkpräzision eines Laufrads und das Verhalten bei jeglicher Seitenlast wie im Wiegetritt oder in Kurvenfahrt. Während das Syncros Silverton 1.0 s mit 47,5 N/mm am Vorderrad und 39,5 N/mm am Hinterrad eine recht ordentliche Steifigkeit erreicht, spielt der Silverton-SL-Laufradsatz die Vorzüge der extrem zugfesten Carbon-Speichen und des einteiligen Aufbaus voll aus. Mit 78 bzw. 67 N/mm liegt die Steifigkeit am Vorderrad um 64 Prozent und am Hinterrad sogar um 70 Prozent höher. Damit sind die SL-Laufräder von Syncros beispielsweise mehr als doppelt so steif wie der Laufradsatz von 9th Wave mit PiRope-Textilspeichen.
Wie bereits beim Thema Beschleunigung erwähnt, zeichnet die Syncros Silverton SL-Laufräder ein sehr direktes Fahrgefühl aus. Egal, ob beim Sprint oder lediglich beim Pushen auf dem Pumptrack, die edlen Carbon-Teile wandeln gefühlt jedes noch so kleine Muskelzucken verlustfrei in Vortrieb um. Im direkten Vergleich dazu fahren sich die konventionellen Silverton-Laufräder spürbar schwerfälliger und träger.
Auf ruppigen Abfahrten hingegen wendet sich das Blatt. Auch hier sticht die SL-Version durch Direktheit und viel Feedback vom Untergrund heraus. Und das, obwohl die Reifen bereits einen Teil der Schläge, die auf die Felgen einprasseln, herausfiltern. Dennoch reichen die steifen SL-Räder spürbar mehr Erschütterungen an den Fahrer weiter. Die weicheren Laufräder fahren sich dadurch insgesamt fehlerverzeihender und damit gutmütiger. Selbst in rauen Passagen bergauf entsteht mit den 1.0-s-Laufrädern das Gefühl, mit minimal weniger Reifendruck unterwegs zu sein. Auf langen Ausfahrten fiele unsere Wahl daher klar zugunsten der preiswerteren Laufräder aus, weil sie den Fahrer weniger ermüden.
Auch das Scott-Sram-MTB-Racing-Team um Nino Schurter kann auf beide Laufradsätze zurückgreifen und wechselt häufig hin und her. “Unsere Team-Fahrer haben freie Wahl bei den Laufrädern und entscheiden je nach Strecke”, erklärt René Krattinger, Produkt-Manager bei Scott. Es gibt also nicht das perfekte Laufrad für jeden Einsatz, zumindest, wenn es im Kampf um Medaillen und um Sekunden geht.
Je nach MTB-Disziplin können sich die Anforderungen in Sachen Laufradsteifigkeit übrigens deutlich voneinander unterscheiden. So setzen im Downhill-Worldcup beispielsweise viele Fahrer auf besonders weich eingespeichte Laufräder, die sich besser durch Steinfelder und Wurzelteppiche “hindurchschlängeln” können und möglichst viele Erschütterungen absorbieren.
Nicht nur die Anschaffungskosten sind beim Syncros Silverton-SL-Laufradsatz wesentlich höher. Auch im Schadensfall wird es teuer.
Die einteilige Konstruktion der Silverton-SL-Laufräder ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits lässt sich die extrem hohe Steifigkeit in Verbindung mit dem niedrigen Gewicht nur durch den kompromisslosen Aufbau realisieren, andererseits können die einzelnen Komponenten wie Speichen oder Felgenring im Schadensfall nicht getauscht werden. Auch eine Reparatur ist nur bedingt vom Experten möglich. Für Erstbesitzer bietet Syncros daher ein Crash-Replacement an, mit 50 Prozent Nachlass im ersten Jahr. Beim Silverton 1.0 s hingegen können alle Teile wie gewohnt kostengünstig ersetzt werden.
Die sündhaft teuren Silverton-SL-Laufräder vermitteln ein super direktes Sportwagen-Feeling und stechen durch famose Beschleunigung und extreme Steifigkeit heraus. Auf langen Strecken und rauen Abfahrten wirkt das ungefilterte Feedback dagegen ermüdend. Hier haben die konventionell aufgebauten Silverton 1.0 s die Nase vorn, genauso wie im Schadensfall, falls eine einzelne Komponente getauscht werden muss. Der hohe Preis der SL-Version steht somit in keinem Verhältnis zum Performance-Zuwachs.