Aaron Gwins legendärer Downhill Worldcup-Sieg ohne Kette wird den meisten sicherlich noch im Gedächtnis geblieben sein und beflügelt seither die Optimierung der Hinterbaufunktion eines Fullys. Gwin war 2015 in Leogang selbst mit einem frühen Kettenriss siegreich. Manche behaupten sogar, dass die bereits beim Start gerissene Kette der Garant für eine optimale Hinterbaufunktion ohne störende Antriebseinflüsse und damit letztendlich der Schlüssel für den Sieg war. Um den je nach Hinterbausystem mehr oder weniger starken Pedalrückschlag zu umgehen und so die Federung völlig offen und frei von Antriebseinflüssen zu machen, gibt es mittlerweile verschiedene Lösungsansätze. Mit der nagelneuen Sidekick-Nabe von E-Thirteen kommt ein weiterer hinzu.
Die bekannteste und im DH- sowie im Enduro-Worldcup verbreitetste Lösung zur Reduzierung des Pedalrückschlages ist sicherlich der Ochain-Spider, den wir in BIKE bereits ausführlich testen konnten. Auch der vermehrte Einsatz von Highpivot-Bikes geht in eine ähnliche Richtung. So verbessert der hohe Drehpunkt zwar in erster Linie die Raderhebungskurve, ermöglicht durch die Umlenkung der Kette aber auch die Eliminierung oder Reduzierung des Pedalrückschlages.
Um zu Verstehen was die neue Sidekick-Nabe von E-Thirteen macht, müssen wir einen kurzen Exkurs in die Kinematik nehmen. Was ist Pedalrückschlag und wie macht er sich beim Fahren bemerkbar? Um zu verhindern, dass sich ein Fully-Hinterbau unter Kettenzug beim Beschleunigen komplett einfedert, werden die Drehpunkte so gewählt, dass ein gewisser Antisquat zur Verfügung steht. Der Antisquat bewirkt, dass der Hinterbau unter Kettenzug ausfedern will und so ein Wippen oder Wegsacken verhindert. Viel Antisquat bedeutet jedoch auch immer viel Pedalrückschlag. Denn der Zug auf der Kette wirkt in beide Richtungen. Federt das Hinterrad durch ein Hindernis ein, entsteht bei Fullys mit hohem Antisquat ein stärkerer Zug an der Kette nach hinten, der die Kurbel zurückdrehen will. Man spricht von Pedalrückschlag.
Da sich die Kettenstreben beim Einfedern etwas längen (bzw. sich der Abstand zwischen Tretlager und Hinterradnabe vergrößert) und das Kettenblatt über die Kette mit der Kassette verbunden ist, entsteht eine Wechselwirkung zwischen Antrieb und Federung. Unter Zug auf der Kette kann der Hinterbau also bei Fullys mit hohem Pedalrückschlag schlechter Einfedern. Selbst beim Bergabrollen mit stehender Kurbel will die Kette bei jeder Federbewegung die Kurbel gegen das Fahrergewicht zurückdrehen. Der Hinterbau kann nicht frei Einfedern, während der Fahrer stetig Schläge durch die sich zurückdrehende Kurbel in die Beine bekommt.
Innerhalb des Freilaufs liegt die eigentliche Besonderheit der Sidekick-Nabe. Über einen zusätzlichen Mechanismus kann der Freiheitsgrad des Freilaufs auf zusätzliche 12, 15 und 18 Grad eingestellt werden. Dreht man die Kassette zurück bis zum Einrasten der Sperrklinken, steht einem in Antriebsrichtung nun der gewählte Freiheitsgrad zur Verfügung.
Die Sidekick-Nabe oder den Nabensatz kann man sowohl einzeln als auch in Komplettlaufrädern bekommen. Bei den Komplettlaufrädern hat der Kunde oder die Kundin die Wahl zwischen den All Mountain-Laufrädern Sylvan oder den Enduro und DH-Laufrädern Flux. Beide Laufradsätze gibt es sowohl in einer Alu als auch Carbon-Version. Preislich sieht es wie folgt aus:
Der von uns gefahrene Sylvan AM Laufradsatz mit Carbon-Felgen bringt 1854 Gramm (787 g vorne, 1067 g hinten) auf die Waage.
Über die zusätzlichen Freiheitsgrade der E-Thriteen Sidekick-Nabe wird der Pedalrückschlag beim Einfedern komplett eliminiert. Der Hinterbau kann ungehindert Einfedern, während der Fahrer weniger Schläge über die Kurbel abbekommt.
Beim normalen Trail-Einsatz spürt man erstmal wenig. Solange Zug auf der Kette ist, läuft alles wie gewohnt. Sobald der Trail abkippt und der Schwerkraft freien Lauf lässt, kommt der Vorteil der neuen E-Thirteen MTB-Nabe zum Tragen. Sobald man aufhört zu treten und nur noch in den Pedalen steht, kann die Nabe ihre zusätzlichen Freiheitsgrade ausschöpfen. Jede Fahrbahnunebenheit lässt den Hinterbau frei Einfedern, ohne dass die Kette die Kurbel nach hinten ziehen kann (Pedalrückschlag).
Der Hinterbau fühlt sich in der Tat geschmeidiger und etwas schluckfreudiger an. Zusätzlich begeistert die sehr leise Geräuschkulisse. Das Kettenschlagen scheint hörbar reduziert. Auch beim Anbremsen konnten wir eine Verbesserung der Hinterbautraktion feststellen. Enge Kurven auf dem Vorderrad durchrollen und anschließend das Hinterrad aufsetzen funktioniert geschmeidiger, ohne Traktionsverlust.
Der große Nachteil besteht jedoch in traillastigen Abschnitten, wo häufige Antritte gefragt sind. Mit dem größten Freiheitsgrad von 18 Grad tritt man gefühlt erstmal komplett ins Leere. Backwheelhops oder auch schnelle Antritte verpuffen irgendwie. Eine sehr ungewohnte Funktion. Zusätzlich knallt man durch den zusätzlichen Freiheitsgrad mit mehr Schwung in den Freilauf. Je nach Hinterbausystem und Vorliebe lässt sich der Freiheitsgrad auf 12 Grad reduzieren.