Florentin Vesenbeckh
· 28.09.2023
Sram steigt in den Markt der Motoren- und E-Antriebshersteller ein - dieses Gerücht tauchte in den letzten Jahren regelmäßig auf. In der Weltcup-Saison 2023 war das Gasgas-Sram-Racing-Team um den deutschen Racer Johannes Fischbach bereits mit Prototypen des Sram-Systems unterwegs. Doch was genau dahinter steckt, blieb bis heute für die Öffentlichkeit ein Geheimnis. Jetzt können wir alle Details zum Sram Eagle Powertrain offen legen.
Vorweg: Sram hat keinen eigenen Motor neu entwickelt, sondern greift hier auf die Hardware von Brose zurück. Das Neue am Eagle Powertrain ist das Komplettsystem und vor allem die Vernetzung und Kombination mit der Eagle-Transmission-Schaltung. Wie bei Shimanos EP801 und der neuen Shimano XT Di2 koppelt nun also auch Sram den Motor mit der Schaltung. Das Resultat und Highlight des Sram-Antriebs: automatische Schaltfunktionen. Ähnliche Features gibt es auch bei der kombinierten Motor-Getriebeeinheit MGU von Pinion und Shimanos neuen Di2-Gruppen.
Beim Motor bedient sich Sram an bewährter Hardware vom Berliner Motorenspezialisten Brose. Basis ist der Drive SMag, den Sram mit einer eigenen Software betreibt. Auch wenn dieser Motor schon einige Jahre auf dem Buckel hat, gehört er noch zu den kräftigsten und vor allem leisesten klassischen E-MTB-Motoren am Markt. Nicht zuletzt im sehr beliebten Specialized Turbo Levo hat er eine große Fan-Gemeinde.
Mit gut drei Kilo gehört er zwar nicht zu den allerleichtesten E-Antrieben, landet aber nur minimal über dem Niveau von Boschs Performance CX. Obendrein hat er mit 90 Newtonmetern mehr Drehmoment als die Konkurrenz von Bosch, Shimano und Yamaha (jeweils 85 Nm). Weiterer Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Der Brose ist auch im Downhill leise, keinerlei Klappern stört die Abfahrt.
Besonderheit: Der Sram-Motor hat nur zwei Unterstützungsstufen, die “Range” und “Rally” getauft wurden. Die Idee dahinter ist eine möglichst simple Bedienlogik. Damit jeder mit nur zwei Stufen zurecht kommt, können die Modi in zwei Parametern feineingestellt werden. Das passiert via App, wo zu jeder Stufe die zwei Parameter maximale Leistung und Unterstützung (wie stark muss ich treten, um volle Leistung zu bekommen) über einen Schieberegler justiert werden können.
So kann man einen stromsparenden Modus für Flachpassagen oder An- und Abfahrt zum Trail kreieren. Und einen starken Modus für steile Anstiege und Uphill-Challanges. Warum dieser Minimalismus? So reicht ein Knopf aus, um zwischen den beiden Modi hin und her zu schalten. Und eine simple Bedienlogik mit einem cleanen Cockpit war den Entwicklern besonders wichtig - doch dazu später mehr.
Der Sram-Antrieb funktioniert ausschließlich mit den eigens entwickelten Batterien. Zwei Varianten stehen zur Auswahl: 630 Wattstunden für eine klassische und komfortable Klapp-Entnahme, oder 720 Wattstunden zur festen Integration oder als Slide-In-Lösung. Die kleinere Variante fällt mit 3,1 Kilo gemessen an der Kapazität sehr leicht aus. Der große 720er wiegt 4,1 Kilo. Beide Batterien setzen auf moderne 21700er-Zellen.
Zusätzlich hat Sram einen Range-Extender entwickelt. 250 Wattstunden können damit on top im Rahmendreieck untergebracht werden. Die kompakte Batterie passt allerdings nicht, wie bei einigen Konkurrenzprodukten üblich, in einen normalen Flaschenhalter. Eine separate, robuste und laut Sram komplett klapperfreie Halterung wird an den Flaschenhalterschrauben befestigt. Hier lässt sich auch eine Adapterplatte für einen Flaschenhalter einklicken, um unkompliziert zwischen Trinkflaschen- und Range-Extender-Betrieb zu wechseln. Der Zusatz-Akku wird über ein Kabel mit dem Ladeport des Powertrain-Systems gekoppelt.
Ist der Zusatz-Akku angeschlossen, gibt es eine Besonderheit im Betrieb. Denn mit der kleinen Batterie steht nicht die volle Motorleistung zur Verfügung. Sobald der Antrieb im schwächeren Range-Modus läuft, wird der Range Extender entladen. Wechselt man in den Rally-Modus, wird der Haupt-Akku angezapft. Die Logik dahinter: Mit angestecktem Range Extender wird auf dem Weg zum Trail-Spot oder auf Transfer-Etappen nur der Zusatz-Akku genutzt.
Dann steht für die eigentliche Action die volle Power und der volle Haupt-Akku zur Verfügung. Den Heimweg überbrückt dann die restliche Energie aus dem Zusatz-Akku. Bei dieser Logik spürt man den sportlichen Race-Gedanken, der die Entwicklung des Systems bestimmt hat. Auf längeren Touren hat man mit dieser Logik aber auch keine Probleme, denn hier ist man in der Regel genug im “Energiesparmodus” unterwegs, um die zusätzlichen 250 Wh auszunutzen.
Kabellose Funkübertragung ist bei Sram das große Thema. Klar, dass auch die Drücker, mit dem das Powertrain-System gesteuert wird, auf die AXS-Funktechnologie setzen. Mehr noch: Statt eine neue Remote für die Motorsteuerung zu entwickeln, kommen die Pods zum Einsatz, die Sram bei der Einführung der Eagle Transmission vorgestellt hat. Zwei Knöpfe links, zwei Knöpfe rechts: Damit kann der komplette Antrieb mit Schaltung und Motor gesteuert werden. Zusätzlich ist damit sogar eine AXS-Teleskopstütze von Sram unter Kontrolle.
Wie von anderen AXS-Komponenten gewohnt, können auch beim Eagle Powertrain die Belegungen der Knöpfe via App angepasst werden. Standardmäßig sind folgende Funktionen vorgesehen:
Rechts schaltet man die Gänge der Kassette wie gewohnt hoch und runter. Ein langer Druck auf den oberen Taster aktiviert bzw. deaktiviert die Automatik-Schaltung. Unten kann man über einen längeren Druck die Trittfrequenz, an der sich die Automatik orientiert, einstellen.
Der linke Pod ist unten für die Teleskopstütze vorgesehen. Das passt freilich nur, wenn eine teure Reverb AXS von Rockshox verbaut ist. Auf dem oberen Taster wird zwischen den beiden U-Stufen Range und Rally gewechselt. Hält man ihn gedrückt, wird die Schiebehilfe aktiviert. Diese Funktion kann als einzige nicht auf andere Knöpfe gelegt werden, da dies gesetzlich nicht zugelassen ist. Übrigens: Der Modus “Off”, also ausgeschaltete Motorunterstützung, kann nicht über die Pods angewählt werden. Dafür muss man den oberen Knopf auf dem Display kurz drücken.
Ähnlich minimalistisch ist der Ansatz beim Display. Im modernen Stil ist der Screen im Oberrohr eingelassen und damit gut geschützt und optisch schlank integriert. Das AXS Bridge Display sitzt dabei auf dem Oberrohr auf, da die AXS-Antenne nur “oberirdisch” Signale empfängt. Im Gegensatz zu den Systemen von Bosch (Systemcontroller) oder Fazua (LED Hub) ist bei Sram ein schickes Farbdisplay implementiert. Die Anmutung erinnert an das sehr gelungene TCU Mastermind von Specialized.
Die Anzeige ist gestochen scharf und gut ablesbar, wenn sie auch im AXS Bridge Display eher klein ausfällt. Auf eine Vielzahl an Anzeigeoptionen verzichtet Sram allerdings und verweist dafür auf “Second-Screen-Lösungen” mit GPS-Computern, Smartwatches oder dem Smartphone. All diese Geräte können via ANT+ gekoppelt werden und die Daten des Antriebssystems anzeigen.
Aber zurück zum eigentlichen Display. Angezeigt werden der gewählte Modus (Range grün, Rally rot), die Auto-Shift-Einstellung (ON gelb, OFF grau) und der Akku-Stand in Prozent. Weitere Datenfelder gibt es nicht, die angezeigten Daten lassen sich auch nicht per App konfigurieren. Auf klassische Daten wie Uhrzeit, Geschwindigkeit, Fahrzeit oder Strecke muss man also verzichten. Sram hat sich bewusst gegen mehrere Datenseiten entschieden, da dafür ein zusätzlicher Button zum Wechseln nötig gewesen wäre.
Das Display selbst hat zudem zwei Buttons. Ein langer (!) Druck auf den Hauptknopf schaltet das System an und aus. Wer im Betrieb nur kurz drückt, kommt in den Off-Modus zum Fahren ohne Unterstützung oder für Service-Arbeiten. Unter dem Screen sitzt der AXS-Button. Mit einem kurzen Druck kann hier zwischen den U-Stufen hin und her geschalten werden. Gedrückt halten aktiviert den Pairing-Modus, um das System mit der AXS-App zu verbinden.
Komplett wird der Sram Eagle Powertrain erst mit der neuen Sram Eagle Transmission Schaltung. Denn die eigentliche Besonderheit des Sram-Systems ist die Kommunikation und Vernetzung von Schaltung und Motor. Das ermöglicht zwei Funktionen, die mit herkömmlichen Schaltungen und Motoren schlicht unmöglich sind: Auto-Shift und Coast-Shift.
Und genau hier soll die neue Eagle Transmission den entscheidenden Unterschied machen. Denn bei dem neuentwickelten System steht das Schalten unter Last im Mittelpunkt. Durch definierte Gangwechsel fallen die Wechsel von einem zum nächsten Ritzel tatsächlich besonders geschmeidig aus - selbst bei maximalem Motorschub. Das erlaubt dem Algorithmus, zu jeder Zeit den passenden Gang einzulegen. Auch im harten E-MTB-Einsatz und mitten in Steilstufen.
Auto-Shift ist eine vollautomatische Schaltung. Heißt: Das System erledigt die Gangwechsel komplett eigenständig. So kann das Bike theoretisch komplett ohne Schalthebel gefahren werden. Ein komplexer Algorithmus überwacht dafür ständig Parameter wie die gefahrene Geschwindigkeit, den eingelegten Gang und die Motor-Power. Die Schaltautomatik versucht, die Trittfrequenz des Fahrers in einem bestimmten Bereich zu halten.
Da hier die Vorlieben sehr unterschiedlich sind, kann man die Kadenz einstellen. Top: Das funktioniert sehr intuitiv über die Pods. Es braucht keine App und eine Justage kann ganz entspannt während der Fahrt erfolgen. Standardmäßig steht die Kadenz auf “Mid”. Von diesem Mittelwert kann sie auf bis zu -3 verlangsamt, oder bis zu +3 beschleunigt werden. So stehen sieben Stufen zur Wahl. Konkrete Werte für die dazugehörigen Trittfrequenzen gibt Sram nicht an. Es handelt sich dabei eher um eine Bandbreite, als um eine exakte Trittfrequenz.
Auto-Shift lässt sich mit einem langen Druck auf den oberen Taster am rechten Pod aktivieren und deaktivieren. Auch wenn die Automatik aktiv ist, kann manuell geschalten werden. Dann überlagert der manuelle Schaltbefehl für eine kurze Zeit die Automatik. So kann man zum Beispiel vorausschauend auf vorausliegende Steilstufen reagieren oder die Kadenz manuell nachjustieren.
Das zweite Feature macht das Schalten im Rollen möglich. Dafür kann das Kettenblatt vom Motor angetrieben werden, ohne dass sich die Kurbeln drehen. So kann man in der Abfahrt einen schwereren Gang einlegen ohne in technischen Streckenabschnitten hektisch Kurbelumdrehungen rein quetschen zu müssen. Auch beim Abbremsen vor Kurven kann das echten Mehrwert bieten.
Besonders hilfreich wird diese Funktion, wenn Auto-Shift aktiviert ist. Denn dann erledigt das System diese Vorgänge ganz alleine. Das hat allerdings Grenzen. Denn einerseits braucht das System etwas Zeit, um zu reagieren. Und andererseits sind Gangwechsel nur möglich, solange sich das Hinterrad dreht. Je langsamer es sich dreht, desto länger brauchen die Schaltvorgänge. Das ist bei einer Kettenschaltung allerdings immer so.
Die Geschwindigkeit des Bikes ist ein entscheidender Faktor für den Algorithmus hinter der Schaltautomatik. Um diese möglichst exakt und fehlerfrei zu ermitteln, setzt Sram nicht auf einen, sondern auf sechs Magneten an der Bremsscheibe. Die Platte, in der die Signalgeber eingelassen sind, ist zudem besonders robust und fehlerresistent. Gibt´s allerdings nicht für Centerlock, sondern ausschließlich im 6-Loch-Design.
Ein moderner E-Antrieb ohne App ist kaum mehr denkbar. Das gilt beim Sram Powertrain umso mehr, da die AXS-Komponenten ohnehin schon über die Sram-App eingestellt werden können. Erfreulicherweise kann man viele Einstellungen am neuen Antriebssystem auch ohne Smartphone vornehmen, aber nicht alle. Die Anpassung der zwei Unterstützungsstufen und auch die individuelle Belegung der Pods benötigen die AXS-App.
Das Einstellen der U-Stufen ist bei diesem Antrieb noch wichtiger als bei den meisten anderen E-Systemen. Denn mit nur zwei Stufen stehen nur wenige Motorstärken zur Wahl. Selbst der schwächere Range-Modus schiebt in der Werkseinstellung bereits sehr kräftig und taugt so kaum für die stromsparende Reichweitenjagd. Über die App können zwei Parameter eingestellt werden: Maximale Leistung und prozentuale Stärke der Unterstützung, also wie stark der Fahrer für den vollen Schub treten muss. Außerdem sind über die App natürlich Firmware-Updates möglich.
Eins vorweg: Zum Launch des Sram Eagle Powertrain wurde noch kein Bike mit dem neuen System vorgestellt. Dennoch gibt es Anzeichen und Infos über anrollende Mountainbikes, die deutlich über den Gerüchtestatus hinausgehen.
Für den Test des Systems stellte uns Sram ein Propain mit der Aufschrift “Ekano CF” zur Verfügung, das einen ziemlich ausentwickelten Eindruck machte. In den Presseunterlagen zum Launch haben wir zudem ein Bike mit den dicken Lettern TRANSITION erspäht. Auch dieses Gefährt schaut nicht mehr nach Prototyp aus. Aus dem Rennsport wissen wir, dass anscheinend Gasgas und Nukeproof schon länger intensiv an Bikes fürs Sram-System herumtüfteln. Alle diese Bikes machen einen absolut abfahrtsorientierten Eindruck.
Die Ergonomie des Sram-Systems ist absolut gelungen, die Bedienung simpel und intuitiv. Die Taster liegen gut in der Hand und die Bedienlogik sitzt schnell. Auch die Automatik-Schaltung kann intuitiv ein- und ausgeschaltet und die gewünschte Kadenz feineingestellt werden. Selbst während der Fahrt, ganz ohne nervige App-Fummelei. So muss technischer Fortschritt aussehen, denn nicht jeder möchte vor der Fahrt erstmal das Handy zücken müssen.
Nach dem positiven Ersteindruck konzentrieren wir uns auf die spannende Auto-Shift-Funktion. Die automatische Schaltung reagiert im gemütlichen Fahrbetrieb langsamer, als versierte Biker üblicherweise manuell schalten würden. So trifft die Trittfrequenz nicht immer den absoluten Sweetspot. Gut: Mit einem Klick kann man nachhelfen und selbst schalten, die Automatik hält sich auch an diese Fahrerwünsche. Wer sich auf das neue Fahrgefühl einlässt, kommt aber wunderbar ohne eigene Schaltbefehle aus.
Ein längerer Test wird zeigen, ob man sich an diese neue Schaltlogik gewöhnt - oder ob man froh ist, wieder selbst Herr der Lage zu sein. Bisher konnten wir das System nur zu einzelnen Test-Runs entführen. Beeindruckend ist die Funktion des Algorithmus im Gelände. Hier reagiert das Powertrain-Gehirn teils schneller, als bei gemütlichem Tritt. Selbst richtig fiese Anstiege sind möglich, ohne einmal den Schalthebel zu berühren.
Wenn es steil wird und der Motor unter Volllast läuft, schlägt die Stunde der neuen Eagle Transmission: Das Powertrain-System wechselt gnadenlos die Gänge, auch wenn Motor und Fahrer Vollgas geben. Und das geschieht extrem geschmeidig, teils fast unbemerkt. Die Schaltung sollte dafür jedoch optimal eingestellt sein, sonst ist Ärger vorprogrammiert.
Im Automatik-Modus muss man sich darauf einlassen, dass die Trittfrequenz nicht immer exakt so liegt, wie man sie im manuellen Betrieb wählen würde. Gerade in stufigen Anstiegen kann es zu ungünstigen Situationen kommen: Beschleunigt man vor einem Absatz energisch, erkennt die Automatik eine Geschwindigkeitsänderung und schaltet teils in einen schwereren Gang. Wenn es blöd läuft, ist der schwerere Gang genau dann eingelegt, wenn das Hinterrad an der Stufe hängt und der Schwung verpufft ist.
Hier hilft allerdings der besonders drehmomentstarke Motor, der das Bike auch mit einem etwas zu dicken Gang über die Stufe hievt. Bei unseren Testfahrten fühlten sich diese Situationen zwar unharmonisch an - doch im Uphill steckengeblieben sind wir deswegen nie.
Außerdem hat das System logische Grenzen. Denn anders als der Fahrer kann es nicht vorausschauen. Es reagiert immer nur auf die akute Fahrsituation. Geht es nur kurz bergab, um dann wieder steil bergauf zu ziehen, schaltet Auto-Shift unnötig zwei Gänge schwerer, um dann – bei deutlich zu niedrigerer Kadenz – im Anstieg wieder vier Gänge leichter zu schalten. Gangwechsel, die man im manuellen Betrieb nie machen würde.
Deutlichen Mehrwert bietet das System in der Abfahrt. Über das automatische Coast-Shift hält Powertrain immer die passende Übersetzung parat. Beim Herausbeschleunigen aus Kurven oder Beschleunigen vor Sprüngen muss man sich nicht um den Gang kümmern. Das funktioniert jetzt schon wirklich gut. Ein dickes Plus.
Schauen wir nochmal auf den klassischen Betrieb fernab der Schaltautomatik. In der Charakteristik des Sram-Motors konnten wir keine Unterschiede zu anderen Brose-Motoren, zum Beispiel im Specialized Turbo Levo, feststellen. Insbesondere bei geringem Motorschub ist das Antriebsgeräusch recht leise, deutlich unter Shimano- und Bosch-Niveau. Doch bei voller Power wird auch der riemenbetriebene Motor lauter. Angenehm: Bergab ist absolut nichts zu hören! Unser Testbike von Propain glitt flüsterleise über Wurzelteppiche. Mit einem aktuellen Bosch- und Shimano-Antrieb undenkbar.
Die simple Bedienung des Antriebs haben wir bereits gelobt, doch die zwei Unterstützungsstufen erscheinen uns zu wenig. Auch wenn wir keine Freunde von unzähligen Stufen mit fancy Namen sind: Drei Modi machen mindestens Sinn. Ein Minimal-Modus, der in der Ebene nur leicht anschiebt und das Bike-Gewicht und die dicken Reifen vergessen lässt. Ein mittlerer Modus für spürbaren Schub bei erträglichem Stromverbrauch. Und die Vollgas-Stufe für extreme Steigungen, Uphill-Challenges oder entspanntes Shuttle-Feeling. Im Werkssetup verzichtet Sram auf diese unterste Eco-Stufe: Range kommt hier eher einem mittleren Trail-Modus gleich.
Wer auf das Feintuning per App lieber verzichtet, könnte sogar noch mehr manuell schaltbare Modi bevorzugen. Ebenfalls vermisst haben wir die Option, über den Pod am Lenker auf Off zu schalten. Gerade bei nur zwei U-Stufen kann es auf langen Ausfahrten nützlich sein, Flachstücke zum Stromsparen ohne Motorschub abzukurbeln. Zugegeben: Der Griff zum Display ist in diesen Fällen zu verschmerzen. Zwei Wünsche für die Zukunft: In technischen Uphills würde ein (ggf. per App zuschaltbarer) Nachlauf helfen, das Bike besser über Stufen zu wuchten. Auch die Schiebehilfe empfanden wir noch nicht als optimal: Den oberen Taster des linken Pods gedrückt zu halten, braucht recht viel Kraft und die Schiebehilfe selbst schiebt gerade in steilem Gelände zu zaghaft.
Ob einem die Auto- und Coast-Shift-Features des neuen Eagle Powertrains gefallen, ist nicht zuletzt eine Frage von Fahrerfahrung, Einsatzbereich und Gewöhnung. Gerade wer bislang kaum Erfahrungen mit einer Kettenschaltung hat, wird am Sorglos-Schaltverhalten der Auto-Shift-Funktion gefallen finden. Einfach mal mit dem E-MTB drauflos fahren, sich auch in steileres Gelände trauen und über’s Schalten nicht mehr nachdenken müssen, das klappt richtig gut. Auch auf entspannteren Transfer- oder Bergauf-Passagen nimmt einem das System einen Großteil der Arbeit ab und steigert den Komfort.
Im echten Performance Bereich - Racing, fiese Uphill-Challenges mit stufigen Hindernissen oder plötzlichen Steigungs-Wechseln - ist das System eher nicht zu Hause. Erfahrene Piloten, die gerne in solchem Gelände unterwegs sind, treffen hier oft die besseren Entscheidungen. Denn sie können vorausschauend agieren. Diese, in vielen Fahrsituationen entscheidende Fähigkeit, fehlt der Schaltautomatik komplett. Coast-Shift kann aber auch in diesem sportlichen Anwendungsbereich echte Vorteile bringen. Wer dafür manuell die Gänge einlegen will, muss sich etwas daran gewöhnen, auch im Rollen schalten zu können. Hier den richtigen Gang zu treffen, ist schwerer als man denkt. Der Automatik-Modus funktioniert hier wirklich gut und hält fast immer einen passenden Gang bereit.
Motor, Akku, Display – hier bringt der Sram Eagle Powertrain zwar keine Innovation. Aber der Einstieg von Sram in den Antriebsmarkt ist ein Kracher. Besonderheit ist die Vernetzung mit der Schaltung. Und die automatischen Gangwechsel funktionieren tatsächlich herausragend. Wer in schwierigen Situationen mit dem Schalten überfordert ist oder sich mehr Fokus auf andere Herausforderungen wünscht, wird Auto-Shift lieben. Besonders das automatische Schalten im Rollen bringt auf Trails und Abfahrten echten Mehrwert. Auto-Shift hat allerdings logische Grenzen und kann dadurch in mancher Situation auch nerven. Besonders für versierte Biker, die gelernt haben, viel zu Schalten, ist das erstmal ungewohnt. Wirklich schlüssig wird das System erst mit AXS-Teleskopstütze und Eagle-Transmission-Schaltung - also im teuren Preissegment. Nur zwei U-Stufen und die minimalistische Display-Anzeige werden nicht jedem gefallen. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass mit der aktuellen Ausbaustufe des Systems nicht Schluss sein wird. – Florentin Vesenbeckh, EMTB-Testleiter
EMTB: Wer profitiert von der Auto-Shift-Funktion?
Simon Kolmstetter: Auto Shift hilft allen E-Mountainbiker:innen, ihren Fokus zu 100 % auf den Trail zu richten, hiervon profitieren Einsteiger ebenso wie Profi-Racer. Zudem besteht jeder Zeit die Möglichkeit, mit einem Klick selbst das Kommando zu übernehmen.
Zwei Modi für die Motorunterstützung sind im Wettbewerbsvergleich sehr wenig. Warum dieser Minimalismus?
Wir haben uns ganz bewusst für eine reduzierte Auswahl entschieden, um die Bedienung intuitiv zu gestalten. Im sportiven E-MTB-Einsatz genügen uns zwei Modi – Range zum entspannten Cruisen, Rally für maximalen Fahrspaß im Gelände, egal ob technischer Uphill oder Zwischensprint. Der große Vorteil ist, dass ich ohne lästiges Klicken durch ellenlange Menüs mit einem Klick im richtigen Modus bin.
Auch das Display fällt sehr minimalistisch aus, nicht mal die Geschwindigkeit kann ich mir anzeigen lassen. Was spricht gegen eine umfangreichere Anzeige?
Wir sind der Überzeugung, dass hier weniger mehr ist und haben uns zugunsten einer einfachen Bedienbarkeit bewusst für dieses Layout entschieden. Das Display zeigt nur die Informationen, die im sportiven E-MTB Einsatz relevant sind, ohne abzulenken. Wer mehr möchte, kann Powertrain über ANT+ mit seinem Hammerhead oder anderen Bike-Computern koppeln, um sich verschiedene Parameter, wie Geschwindigkeit, Trittfrequenz oder die eigene Leistung in Watt anzeigen zu lassen.
Der Drive SMag von Brose ist schon fünf Jahre auf dem Markt. Warum fiel die Wahl auf diesen vermeintlich alten Motor?
Am Anfang des Powertrain Projekts stand die Entwicklung eines der modernsten E-Bike-Prüfstände der Branche. Wir haben viele Systeme durchleuchtet und auf Herz und Nieren geprüft. Der Brose Drive SMag lieferte das beste Paket aus Leistung, Geräuschkulisse und natürlichem Fahrgefühl. Außerdem ist er sehr standfest und bringt seine maximale Leistung sehr lange am Stück.
Das stimmt, der Brose ist für leisen und geschmeidigen Betrieb beliebt. Riemenrisse und mäßige Zuverlässigkeit sorgten aber auch für negative Schlagzeilen.
Die erwähnten Defekte traten vor allem bei älteren Versionen des Motors auf und waren auch das Ergebnis spezifischer Software. Wir nutzen die neueste Hardware mit überarbeitetem Riemen und unsere eigene Sram Software, um diese Fehler zu vermeiden. Wie robust das System ist, beweisen nicht nur zahlreiche Praxis- und Labortests, sondern auch der Sieg von Yannick Pontal in der letztjährigen EWS-E Serie.