Liteville 303 MK1 Race im TestDeutsche Ingenieursarbeit für die Abfahrt

Jan Timmermann

 · 26.10.2023

Liteville hat ein neues Bike im Stall: Das Liteville 303 Mk1 Enduro aus Aluminium.
Foto: Max Fuchs
Mit der klassischen MK1-Kennung soll das neue Liteville 303 die guten Gene des Kult-Bikes Liteville 301 geerbt haben und bergab selbst das Super-Enduro Liteville 601 in den Schatten stellen. Ob das klappt, zeigt unser BIKE Test.

In der wankelmütigen Bike-Branche stand bislang kaum eine Firma so für Beständigkeit wie Liteville. In 18 Jahren wurde das Modell 301 in kleingliedrigen Entwicklungsschritten insgesamt 15 Mal überarbeitet. Liteville-Fans durften sich fast jährlich auf eine weiter optimierte MK-Version freuen. Das auch weiterhin erhältliche Liteville 301 war stets ein konstantes Sinnbild für achtsame deutsche Ingenieursarbeit, geformt aus voluminösen Alu-Rohren.

Mit Modell-Plakette auf dem Oberrohr und schicken Schweißnähten mutet das Liteville 303 wunderbar technisch an.Foto: Max FuchsMit Modell-Plakette auf dem Oberrohr und schicken Schweißnähten mutet das Liteville 303 wunderbar technisch an.

Alles neu bei Liteville

2023 weht ein neuer Wind im Hause Liteville. Syntace-Mastermind Jo Klieber ist zwar weiter an der Marke beteiligt, die Firma wurde jedoch von der österreichischen Pierer Industrie AG übernommen. Zweiradenthusiasten ist der neue Mehrheitseigner vor allem wegen der zum Unternehmens-Portfolio gehörenden Motorräder von KTM und Husqvarna bekannt. Zu spüren ist die Veränderung auch bei den Produkten: Liteville experimentiert nicht nur mit Carbon-Rahmen aus europäischer Produktion, sondern präsentierte dieses Jahr seit langem wieder ein Bike mit dem Namenszusatz “MK1”: Das Liteville 303 soll eine eigenständige, abfahrtslastigere Version des kultigen 301 sein.

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Optisch hebt sich das Liteville 303 mit tief geschwungenem Oberrohr und neuer Dämpferanlenkung klar vom klassischen 301 ab.Foto: Max FuchsOptisch hebt sich das Liteville 303 mit tief geschwungenem Oberrohr und neuer Dämpferanlenkung klar vom klassischen 301 ab.

Länger und flacher soll das Liteville 303 die Abfahrtsperformance auf ein neues Level heben

Bereits im Frühjahr konnten wir eine Vorserienversion des neuen Liteville-Enduros testen. Unser Fazit des damals auf Mullet-Bereifung rollenden Liteville 303 mit 160-Millimeter-Gabel: Die Allround-Qualitäten des 301-Bruders sind geblieben, der Quantensprung im Downhill bleibt aber aus. Zwar kann auch am Serienmodell eine 160er-Gabel verbaut und über eine Verstellung der Kettenstrebenlänge ein kleines Hinterrad gefahren werden, unser Test-Bike kommt jedoch durchgängig mit 29-Zoll-Laufrädern sowie 170 Millimetern Hub an der Front. Dass diese Konfiguration Auswirkungen auf die Geometrie haben würde, war klar. Als wir nun gut ein halbes Jahr später wieder ein 303 in unsere Testlabor schieben, staunten wir trotzdem nicht schlecht. Es scheint, als wäre das Vorserien-Bike – typisch Liteville – nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Ziel gewesen: Die Geo ist jetzt deutlich länger und flacher gezeichnet.

Mit einem 63,9 Grad flachen Lenkwinkel und 170 Millimetern Federweg an der Front macht das Liteville 303 bereits optisch klar, dass es für radikale Abfahrten konstruiert wurde.Foto: Max FuchsMit einem 63,9 Grad flachen Lenkwinkel und 170 Millimetern Federweg an der Front macht das Liteville 303 bereits optisch klar, dass es für radikale Abfahrten konstruiert wurde.

Das Liteville 303 MK1 im Test: So fährt sich das Alu-Enduro

Trotz ausladender Kettenstreben geht das Bike besser durch enge Kurven als viele andere Enduros. Wer aufs Hinterrad will, braucht dann aber doch viel Schmackes in den Armen. Mit der hohen Front und dem tief gezogenen Oberrohr fühlen sich 303-Fahrer im Stehen herrlich gut ins Bike integriert. Rennfahrer würden vermutlich das Cockpit absenken, um mehr Druck auf dem Vorderrad zu generieren. Was jedoch vom hoch bauenden Steuersatzdeckel – durch den die Leitungen geführt werden – verhindert wird.

Aufgrund des Steuersatzdeckels und Spacers, durch den die Leitungen geführt werden, sind der Einstellbarkeit der Cockpit-Höhe am Liteville Enduro Grenzen gesetzt.Foto: Max FuchsAufgrund des Steuersatzdeckels und Spacers, durch den die Leitungen geführt werden, sind der Einstellbarkeit der Cockpit-Höhe am Liteville Enduro Grenzen gesetzt.

An kniffligen Steilstücken sorgt dafür nicht nur der weit absenkbare Sattel, sondern auch die starke Bremsanlage für ein hohes Sicherheitsgefühl. In der Falllinie schafft die exzellent arbeitende Rockshox ZEB alle Hindernisse souverän aus dem Weg, und das Bike hält zusammen mit dem flachen Lenkwinkel unaufgeregt die Spur. Leider kann der Hinterbau hier nicht ganz mithalten, liegt etwas weniger satt und lässt an Sprüngen oder Geländewellen Gegenhalt vermissen.

Der kleine rote SAG-Indikator in der Wippe des Liteville 303 vereinfacht das Fahrwerks-Setup.Foto: Max FuchsDer kleine rote SAG-Indikator in der Wippe des Liteville 303 vereinfacht das Fahrwerks-Setup.

Gleichzeitig teilt das steife Heck immer wieder Schläge aus. Auch mit den Einstelloptionen des Ultimate-Fahrwerks lässt sich die Dysbalance im Fahrwerk nicht ganz kaschieren. Es scheint, als fahre beim Liteville 303 ein Enduro voraus, während ein All Mountain Bike am Hinterbau folgt. Eine zahmere 160er-Gabel könnte tatsächlich besser zu den Fahreigenschaften des 303 passen. Auch der mäßige Pannenschutz der Reifen würde dann ein stimmigeres Bild ergeben. Obwohl Liteville dem MTB nur einen schmalen Kettenstreben- und keinen Unterrohrschutz gönnt, bleibt das Bike in jeder Situation angenehm ruhig.

Sollbruchstelle: Ein harmloser Sturz ließ den Lenkanschlagsbegrenzer des Liteville 303 brechen. Dieser erfüllte seinen Zweck, und die innen liegenden Leitungen blieben ganz.Foto: Max FuchsSollbruchstelle: Ein harmloser Sturz ließ den Lenkanschlagsbegrenzer des Liteville 303 brechen. Dieser erfüllte seinen Zweck, und die innen liegenden Leitungen blieben ganz.

Ein Enduro für die MTB-Tour: Das Liteville 303 MK1

Wer auf ausschweifenden Touren oder einer Trail-Transalp gerne viele Höhenmeter tritt, findet im 303 einen fähigen Begleiter. Für ein Enduro klettert das Bike außergewöhnlich gut. Dank absolut akzeptablem Gewicht und einer aufrechten Sitzposition lässt es sich entspannt Richtung Gipfel kurbeln. Im Sitzen wippt der Hinterbau nur minimal. Im Wiegetritt pumpt das Heck zwar stärker, lässt sich mit dem Plattformhebel aber einfach beruhigen. An steilen Rampen hilft das kleine Kettenblatt mit 30 Zähnen. Aufgrund ungünstiger Radien bei der Zugverlegung verlangt die Schaltung hohe Handkräfte – hier schlummert noch Optimierungspotenzial für ein zukünftiges MK2.

Linksseitig über dem Tretlager des Liteville Bikes laufen die Leitungen für Bremse und Schaltung kurz extern. Letztere muss jedoch kurz nach der Klemmung wieder die Seite wechseln.Foto: Max FuchsLinksseitig über dem Tretlager des Liteville Bikes laufen die Leitungen für Bremse und Schaltung kurz extern. Letztere muss jedoch kurz nach der Klemmung wieder die Seite wechseln.

Technische Daten und Noten zum Liteville 303 MK1 Race

Herstellerangaben

  • Kategorie: Ednuro
  • Preis¹: 6499 Euro
  • Erhältlich über: Fachhandel
  • Rahmenmaterial: Aluminium
  • Laufradgröße: 29 Zoll

Messwerte

  • Federweg: 170 mm (vorne) / 157 mm (hinten)
  • Gewicht ohne Pedale: 14,43 kg
  • Rahmengewicht: 3374 g
  • Gewicht Laufräder: 4845 g
  • Beschleunigung Laufräder: 3924,22 kg x cm²
  • Lenkerbreite: 780 mm
  • Rahmensteifigkeit (absolut): 62 N/mm
Die neue Dämpferanlenkung des Liteville 303 lässt nur noch Platz für eine kleine 0,5-Liter-Trinkflasche.Foto: Max FuchsDie neue Dämpferanlenkung des Liteville 303 lässt nur noch Platz für eine kleine 0,5-Liter-Trinkflasche.

Ausstattung

  • Laufräder: Syntace C33i
  • Reifen: Maxxis Assegai / Minion DHR II 3C MaxxTerra Exo Protection TR, 29 x 2,5 / 2,4
  • Gabel: Rockshox ZEB Ultimate
  • Dämpfer: Rockshox Super Deluxe Ultimate
  • Bremsen: Shimano XT 4-Kolben / 200/180 mm
  • Schaltung: Sram X01 Eagle Übersetzung / Bandbreite 30; 10–52 / 520 %
  • Teleskop-Stütze / Hub: Eightpins / 150-258 mm
In der Hinterradachse des Liteville Enduros versteckt sich ein praktisches Tool.Foto: Max FuchsIn der Hinterradachse des Liteville Enduros versteckt sich ein praktisches Tool.

Bewertung

  • Fahrverhalten bergauf: 18 von 20
  • Effizienz Fahrwerk: 17 von 20
  • Rollwiderstand: 8,5 von 10
  • Gewicht: 6 von 15
  • Trägheit Laufräder: 5 von 10
  • Flaschenhalter: 4,5 von 10
  • Fahrverhalten bergab: 34 von 40
  • Federung hinten: 18,75 von 25
  • Federung vorne: 25 von 25
  • Versenkbarkeit Sattel: 10 von 10
  • Bremsen: 12,75 von 15
  • Reifen-Grip: 12 von 15
  • Fahrstabilität: 5 von 10

GESAMT BERGAUF: 59 von 80

GESAMT BERGAB: 117,5 von 140

  • Sonstiges: 27 von 30
  • Wartungsfreundlichkeit: mittel

BIKE-Testurteil²: Sehr gut - 203,5 von 250 Punkten

Über den Umbau auf eine zusätzliche Bohrung lässt sich das Liteville 303 MK1 auch mit einem 27,5 Zoll Hinterrad fahren.Foto: Max FuchsÜber den Umbau auf eine zusätzliche Bohrung lässt sich das Liteville 303 MK1 auch mit einem 27,5 Zoll Hinterrad fahren.Die Geometrie des Liteville 303 MK1 Race in Größe L.Foto: BIKEDie Geometrie des Liteville 303 MK1 Race in Größe L.Die Kennlinie des Liteville 303 MK1 Race: Gabel und Dämpfer geben ihren Hub linear frei. Das Heck kommt deutlich früher ans Limit. (Rot hinten / Blau vorne)Foto: BIKEDie Kennlinie des Liteville 303 MK1 Race: Gabel und Dämpfer geben ihren Hub linear frei. Das Heck kommt deutlich früher ans Limit. (Rot hinten / Blau vorne)Dank vollintegrierter Bauweise lässt die Eightpins- Vario-Stütze bis zu 258 Millimeter Absenkung zu. Verstellen kann man den Hub schnell und werkzeugfrei auf dem Trail.Foto: Max FuchsDank vollintegrierter Bauweise lässt die Eightpins- Vario-Stütze bis zu 258 Millimeter Absenkung zu. Verstellen kann man den Hub schnell und werkzeugfrei auf dem Trail.

Fazit

Mit seinem unkomplizierten Handling und tollen Touren-Eigenschaften knüpft das Liteville 303 an die Stärken des 301 an. Ein Race-Enduro steckt trotz des Namens nicht im Liteville. Dafür ist das Fahrwerk in dieser Konfiguration zu unharmonisch. Für technisch verwinkelte Trails ohne Zeitdruck ist der Neuling eine gute Wahl. Auf der Hatz über heftige Kurse gibt es souveränere Enduros. - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur
BIKE-Testredakteur Jan Timmermann.Foto: Miha MatavzBIKE-Testredakteur Jan Timmermann.

¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.

²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–180 P.), gut (179,75–155 P.), befriedigend (154,75–130 P.), mit Schwächen (129,75–105 P.), ungenügend (104,75–0 P.). Die Gewichtung der Punkte in den einzelnen Bewertungskriterien variiert je nach Bike-Kategorie.

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