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Zwei zum Preis von einem! Das ist die harte Realität, wenn man den Sieger unseres Tests der Günstig-Fullys mit diesen drei heißen Ami-Schlitten von Evil, Pivot und Santa Cruz vergleicht. Und wer sich für zwei Budget-Bikes entscheiden würde, dem bliebe sogar locker genügend Geld für eine Woche Bike-Urlaub übrig. Zum Beispiel im Enduro-Mekka Finale Ligure. Doch genau solche Trails, wie sie im Hinterland des italienischen Küstenstädtchens zu finden sind, machen die edlen E-Enduros aus den USA so begehrenswert.
Garstige Steilstufen, schnelle Kurvenwechsel und Highspeed-Passagen – hier spielen die Kandidaten von Evil, Pivot und Santa Cruz mit rund 170 Millimetern Federweg ihre Stärken voll aus. Die Frage, ob das den doppelten Preis rechtfertigt, ist freilich eher theoretischer Natur. Jeder Biker denkt hier anders. Denn ab einem gewissen Preispunkt ist der Wert eines E-Bikes kaum mehr in faktischem Für und Wider aufzuwiegen. Womit wir bei der entscheidenden Frage dieses Tests sind: Was macht die drei Ami-Enduros, abgesehen vom kultigen Marken-Image, so besonders?
Der Antrieb ist es schon mal nicht. Alle drei Kandidaten verbauen Shimanos EP8. Der ist verhältnismäßig leicht und kompakt, was ihn für spaßige Trail-Könner und deren Konstrukteure prädestiniert. Außerdem ist er für Hersteller unkompliziert zu beziehen, auch in kleineren Stückzahlen. Ebenfalls wenig atemberaubend: Santa Cruz und Evil bleiben mit dem kleinen 630er-Shimano-Akku hinter der durchschnittlichen Reichweite moderner E-MTBs zurück, das schafft Pivot mit seiner 750er-Batterie besser.
Eine gehörige Portion Glamour versprühen dafür die Rahmen unserer Prüflinge. Alle drei setzen auf eine hochwertige Carbon-Konstruktion an Hauptrahmen und Hinterbau. Das macht sich im verhältnismäßig geringen Gewicht der Räder bemerkbar. 22,2 bis 23 Kilo sind gute Werte für E-MTBs dieses Kalibers. Auch die Verarbeitung ist in vielen Punkten richtig gut. So sind zum Beispiel die Geschwindigkeitssensoren inklusive ihrer Kabelanbindung im Ausfallende besonders schick und sicher integriert.
Noch spannender wird es bei der Federung. Alle drei Amis setzen auf eine aufwändige, mehrfach umgelenkte Ansteuerung des Dämpfers. Will man beim Blick auf die Wippen und Hebel verstehen, was beim Einfedern genau passiert, besteht akute Hirnknotengefahr. Auf den Websites der Hersteller werden die besonderen Kinematiken angepriesen und erklärt. Aber was kommt davon auf dem Trail an? Tatsächlich liefern alle drei E-Bikes eine herausragende Federungs-Performance im Gelände. Und neben der Geometrie ist diese ein absolut entscheidender Faktor für das Fahrverhalten. Das Delta-System am Evil Epocalypse besitzt enormes, sattes Schluckvermögen, typisch Stahlfederdämpfer. Erstaunlich ist, wie spritzig, lebendig und zugleich antriebsneutral es dabei bleibt. Ähnliches gilt für die zwei Systeme mit virtuellem Drehpunkt. Sie schaffen es besonders gut, sensibles und schluckfreudiges Arbeiten mit einem definierten Gegenhalt im mittleren Federweg zu kombinieren und bleiben auch unter Brems- und Antriebseinflüssen aktiv. Das VPP-System an Santa Cruz’ Bullit haben wir dabei noch definierter, aber auch straffer und sportlicher empfunden.
Aber zurück zur Ausstattung. Sofern man in dieser Preisklasse davon sprechen kann, verdient sich das Pivot Shuttle LT den Preis-Leistungs-Sieg im Trio. Volle XTR-Ausstattung, Fox-Factory-Fahrwerk, Carbon-Lenker und sehr leichte Alu-Laufräder: Abgesehen von Elektro-Spielereien an Schaltung, Sattelstütze oder Fahrwerk ist hier eigentlich alles geboten, was der Markt zu bieten hat. Ähnlich sieht es bei Santa Cruz aus, wo noch edle Carbon-Felgen mit lebenslanger Garantie hinzukommen. Doch das Bullit belastet den Geldbeutel mit 13700 Euro noch empfindlicher. Den gleichen Preis wie Pivot, nämlich 12000 Euro, ruft Evil auf. Schaltung und Bremsen aus dem XT-Regal wirken da etwas blass. Auch die Reifen mit dünner EXO-Karkasse stehen einem hochwertigen E-Enduro nicht gut zu Gesicht.
Für das gewisse Etwas sorgt dafür der aggressive Sound des Freilaufs der edlen Industry-Nine-Nabe. Ein Detail, das bei nicht wenigen Bikern für feuchte Hände sorgen dürfte. Genauso auffällig ist auf dem Trail leider das markante Klappern des Epocalypse. Zum bekannten Rappeln des EP8 gesellt sich bei größeren Schlägen auch ein Wummern des Akkus. Besser bekommen das Pivot und Santa Cruz hin. Doch auch diese beiden Boliden sind dank des Getriebes im Shimano-Aggregat keinesfalls flüsterleise. Ein Detail, das gerade in solchen Preisregionen einen faden Beigeschmack hinterlässt.
Die Hinterbaufederung an Mountainbikes ist eine Wissenschaft für sich. Unsere drei Kandidaten setzen auf spezielle, patentierte Systeme, denen besondere Eigenschaften zugesagt werden. Tatsächlich machen die Heckfederungen dieser drei E-MTBS im Gelände einen enormen Unterschied zu vielen herkömmlichen E-Fullys. Die Kinematiken von Pivot (3) und Evil (2) stammen aus der Feder von Suspension-Guru Dave Weagle, übrigens der Gründer von Evil Bikes. Das VPP-System am Santa Cruz (1) ist ebenfalls patentiert. Alle drei Konstruktionen setzen auf ein festes hinteres Rahmendreieck, das ohne Gelenke auskommt. Das DW-Link (Pivot) und das VPP-System haben einen virtuellen Drehpunkt.
Drei exzellente Abfahrer mit ähnlichen Zutaten – aber doch ganz unterschiedlichem Charakter! Die edlen E-Enduros erzielen mit stimmigen Geometrien und starken Fahrwerken Bestwerte in der Trail- und Abfahrtswertung. Das Shuttle LT spricht mit ausgewogenem Fahrverhalten und guter Reichweite den größten Nutzerkreis an und bietet zudem das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Glückwunsch zum Testsieg!
Der große Akku im Pivot beschert dem Shuttle LT die mit Abstand größte Reichweite. Santa Cruz und Evil landen mit den 630er-Shimano-Batterien unter dem Durchschnitt aktueller E-MTBs. Immerhin sind die Akkus dieser beiden E-Bikes schnell zu entnehmen. Top für Bikepark-Tage mit Zweit-Akku. Und auch im Rucksack findet die verhältnismäßig kleine und leichte Batterie noch gut Platz.
Das Santa Cruz Bullit begeistert mit geringstem Gewicht trotz der robustesten Reifen-Kombi. Das Pivot kann trotz deutlich größerem Akku mithalten. Evil landet ganz hinten, obwohl es mit zu leichten Reifen und kleiner Batterie auf Diät gesetzt wurde. Mit 23 Kilo gehört es im Marktvergleich trotzdem zu den leichten E-Enduros.
¹Gemessen im EMTB-Labor in der getesteten Größe, Akku-Gewicht ggf. inkl. fest verschraubtem Cover.
²Satz mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben.
*Das Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.
Das Pivot ist extrem ausgewogen: sattes Fahr werk, sportliche Geometrie, auf Vollgasabfahrten spurtreu, im Trail-Einsatz aber keineswegs träge. Und klettern kann es auch ganz passabel. Dazu hat es eine dem Preis angemessene Ausstattung. Hätte ich 12.000 Euro übrig, wäre das Pivot Shuttle meine Wahl.
Was für ein Fahrerlebnis! Alle drei E-Bikes verbindet ein leichtfüßiges Handling mit extremen Nehmerqualitäten. Nach der Abfahrt stieg kein Tester vom Bike, der nicht begeistert war. Auch wenn die Preise jenseits von Gut und Böse sind: Wenn sich mal eine Gelegenheit bietet, sollte man sich eine Probefahrt nicht entgehen lassen.