Florentin Vesenbeckh
· 06.10.2023
Sein Geld verdient der deutsche Fahrradhersteller Conway eher mit Massenware aus dem City- und Trekking-Sektor statt mit Highend-Mountainbikes. Das ist kein Geheimnis. Der neueste Spross, das schlanke Conway Ryvon, sticht aus dem Portfolio allerdings heraus. Selbst für ein Light-E-MTB fällt das Modell besonders sportlich und in gewissen Bereichen sogar radikal aus. Sportliche Trail-Piloten könnten an dem Konzept, das die Niedersachsen um den Performance Line SX-Motor von Bosch spannen, Gefallen finden.
Beim Antrieb fällt die Wahl der Niedersachsen bei ihrem ersten Light-E-MTB auf den neuen Bosch Performance SX, der auch Light-Bikes den berühmten Uphill-Flow und ein gewisses Power-Feeling einhaucht. Denn im Vergleich zu anderen Motoren seiner Gewichtsklasse hat er eine hohe Maximalleistung. Zumindest bei hoher Trittfrequenz, wie unser ausführlicher Test in Labor und Praxis zeigt. Für die Energiezufuhr sorgt der neue Compact Tube 400, wie an den allermeisten Bikes mit Bosch SX.
Eher außergewöhnlich ist der Verzicht auf eine Ladebuchse im Rahmen. Dadurch lässt sich am Ryvon kein Range-Extender montieren, und die Batterie muss zum Laden zwingend entnommen werden. Die Idee dahinter ist eine konsequente Auslegung auf Leichtbau und Trail-Stärke. Weniger Elektronikteile und kein Loch im Rahmen für den Ladestecker – das spart Gewicht und erleichtert die Konstruktion eines robusten Chassis.
Das Conway Ryvon hat mit der ASTM-Kategorie 4 eine Bikepark-Freigabe und bietet 140 Kilo max. Systemgewicht, also Reserven für schwerere Fahrer. Für längere Touren oder Trail-Ausflüge baut Conway voll auf einen Zweit-Akku. Der Compact Tube 400 liefert für gut 2000 Gramm 400 Wattstunden und hat damit eine höhere Energiedichte als der Range-Extender aus dem Bosch-Portfolio (ca. 1,6 kg, 250 Wh). Außerdem fährt man mit dem Conway-Konzept keine leeren (aber trotzdem schweren) Zellen im E-Bike herum, was beim Anklicken eines Range-Extenders meist der Fall ist. Und man behält Platz für eine Trinkflasche am Bike. Damit Akku-Wechsel und Entnahme zum Laden geschmeidig ablaufen, hat Conway eine eigene Entriegelung für die Batterie und sogar einen Parkplatz für das Cover entwickelt.
Unser Test-Bike, das Ryvon LT 10.0, schafft es mit diesem Leichtbaukonzept auf 18,9 Kilo in Größe L. Und das mit 170 Millimetern Federweg und absolut enduro-tauglicher Ausstattung. Bissige Stopper mit fetten Bremsscheiben sind ebenso an Bord wie ein Hinterreifen mit ordentlicher Double-Down-Karkasse und Srams Eagle Transmission. Das ist ein richtig starkes Gewicht, das selbst Light-Enduros mit kleinerem Akku und schwächerem Antrieb nur selten unterbieten. Auch wenn mancher vielleicht lieber die klassische Lösung mit Range-Extender gesehen hätte: Durchdacht und stimmig ist die Auslegung des Ryvon allemal.
Das Conway Ryvon LT nimmt moderne Enduromaße an. Der Radstand ist mit 1285 mm in Größe L lang, der Lenkwinkel von 63 Grad selbst für ein Enduro flach. Sonst sucht man vergeblich nach Extremmaßen. Gemäßigte Kettenstreben (444 mm) und ein ebenso ausgewogener Reach (469 mm in Größe L) versprechen ein ausgewogenes Handling, das weder unhandlich, noch zu fordernd ausfällt. Das Ryvon gibt´s in vier Größen von S bis XL. Besonderheit: Parameter wie die Lenker- und Sattelbreite, Kurbellänge und Griffdicke variieren je nach Rahmengröße und sollen damit besser zu den Körperproportionen des Fahrers passen.
10.000 Euro sind eine Stange Geld und nicht gerade der Preisbereich, in dem das Gros der Conway-Bikes über die Ladentheke geht. Dafür strotz die Ausstattung nur so vor allerfeinsten Parts. Das Conway Ryvon LT 10.0 ist nicht nur wertig, sondern auch extrem sinnvoll ausgestattet. Das Fox-Factory-Fahrwerk setzt auf eine 36er-, statt 38er-Gabel. Für einen leichten Enduro-Aufbau eine gute Wahl. Deutlichen Anteil an den spritzigen Fahreigenschaften haben die superleichten Acros-Laufräder mit edlen Carbon-Felgen. Trotz robuster Reifen fallen die Rundlinge besonders leicht aus. Bei den Reifen setzt Conway am Heck auf Pannenschutz mit den robusteren Doubledown-Reifen von Maxxis. Vorne gibt´s einen Assegai mit der sehr griffigen MaxxGrip-Gummimischung.
Für geschmeidige Gangwechsel sorgt Srams Eagle X0 Transmission, die TRP-Stopper EVO DH-R kombinieren kräftigen Biss mit guter Dosierbarkeit. Außerdem liefern die dicken Bremsscheiben (2,3 mm!), an der Front mit 220er-Durchmesser für richtig viel Standfestigkeit. Wir waren uns im Testteam einig: Die Ausstattung ist bis ins Detail stimmig, genau so würden wir auf den Trail starten!
Doch genug der Theorie: Was zählt, ist auf dem Platz. Besser: auf dem Trail. Denn hier sollte ein E-Enduro brillieren. Die Sitzposition fällt ausgewogen aus. Der Schwerpunkt landet eher zentral über dem E-Bike als betont weit vorne. So lastet auch auf Flachpassagen nicht zu viel Druck auf den Händen. Der SX-Motor ist bei gemütlichem Tritt angenehm leise und gibt ein unauffälliges, eher sonores Brummen von sich. Geht es in den Anstieg, kann der kleine Bosch mit hoher Trittfrequenz zu erstaunlich starkem Punch getrieben werden – dann bei deutlich lauterem Antriebsgeräusch. Für Light-Verhältnisse kommt auch in schweren Uphills Fahrspaß auf.
Auch das Chassis macht bergauf eine gute Figur. Das Fahrwerk bleibt aktiv und steht hoch im Hub. So bleibt auch der Fahrer in einer mittigen Position. Das Vorderrad hält lange Bodenkontakt und der Pilot die Kontrolle. Nur in engen Kehren verlangt der lange Radstand und der flache Lenkwinkel eine beherzte Fahrweise, beim gemütlichen Kurbeln neigt die Lenkung etwas zum Abkippen.
Bergab überrascht das Conway Ryvon LT 10.0 mit erstaunlicher Leichtfüßigkeit. Kaum zu glauben, dass man auf einem Enduro mit 170 Millimetern Hub, langem Radstand und robuster Ausstattung sitzt. Das E-Bike lässt sich an Sprüngen spielerisch in die Luft bewegen, entspannt aufs Hinterrad ziehen und beschleunigt sehr direkt. Trailbike-Feeling und massig Fahrspaß! Und das auch auf Trails, auf denen manch anderes E-Enduro nur träge dahinrollt. Zeigt das Gelände Zähne, ändert auch das Ryvon LT seinen Charakter. Mit dem flachen Lenkwinkel und langen Radstand gibt es im derben Geläuf richtig viel Fahrsicherheit. Auch auf schnellen und ruppigen Kursen kann man das Gas stehen lassen.
Im anspruchsvollen Gelände wird das E-MTB aber eher versierten Piloten gefallen, die mit straffen Zügeln die Linie vorgeben. Denn das Fahrwerk arbeitet eher definiert als plüschig. Im Vergleich zu manch betont schluckfreudigem Staubsaugerhinterbau dieser Federwegsklasse fühlt es sich nach etwas weniger Hub an. Doch es schluckt auch große Schläge souverän und hält mit angenehmer Endprogression Reserven bereit. Da der Fahrer immer klares Feedback bekommt, bleibt das E-MTB in jeder Situation lebendig und bereit zum Absprung. Wermutstropfen: das Klappern des Bosch-Motors in der Abfahrt. Doch die Kombination aus Nehmerqualitäten und quirligem Fahrspaß ist selten so gelungen, wie beim Ryvon LT 10.0. Daran hat auch die hochwertige und besonders stimmige Ausstattung ihren Anteil, die den Preis des Bikes auf 10000 Euro schnellen lässt. Dafür gibt´s dann eines der vielseitigsten und gelungensten Light-Enduros, die der Markt derzeit zu bieten hat.
Das Conway Ryvon LT 10.0 ist leicht, super sinnvoll ausgestattet und hat ein konsequentes Chassis mit sportlicher Geometrie. Auf dem Trail schafft es den Spagat aus Fahrsicherheit und spaßigem Handling mit Bravour. Als Spaßmaschine und spritziges Allround-Enduro hat es im Test voll überzeugt. Nur wer ein sattes Race-Enduro sucht, das Steinfelder plüschig einebnet und auf Wurzelgeraden Bestzeiten einfährt, findet noch potentere E-Enduros. Dafür macht das Ryvon mit Boschs spritzigem SX-Motor auch im Uphill Spaß. Dabei ist die Reichweite im Vergleich zu klassischen E-MTBs mit dickem Akku systembedingt natürlich eingeschränkt. In Summe: Bravo Conway, das Ryvon LT 10.0 ist ein Volltreffer in der Kategorie der Light-E-MTBs! – Florentin Vesenbeckh, Redakteur EMTB Magazin
¹Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
²Herstellerangabe
³Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad